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Malaysia
Malaysias Jahrhundert-Klau

Der ehemalige Premierminister Najib Razak steht vor Gericht.
Najib Razak

Najib Razak, der ehemalige malaysische Premierminister.

© picture alliance / AP Photo

In Malaysia verschwanden 4,5 Milliarden US-Dollar. Seit heute steht der ehemalige Premierminister Najib Razak vor Gericht. Unsere Malaysia-Expertin Almut Besold erklärt die Hintergründe.

Wie können 4,5 Milliarden US-Dollar verschwinden?

Malaysias staatlicher Investitions-Fond, 1MDB, hat zusammen mit Partnern Anleihen herausgegeben. Die Konditionen waren attraktiv, Milliarden wurden eingenommen. Laut Anklage wurde ein Teil des Geldes - etwa 4,5 Milliarden USD - nicht investiert sondern gestohlen. Malaysia, sprich der Steuerzahler, muss die Schulden von 1MDB bis zum Jahr 2039 begleichen.

Wo soll das Geld hin sein?

Malaysias Staatsanwaltschaft und das US-Justizministerium, das wegen Geldwäsche ermittelt, schildern Käufe von Immobilien in den USA - Villen, Apartments sowie Hotels in Manhattan und Beverly Hills, von einer Yacht im Wert von 250 Mio. USD, von Kunstwerken von Monet und Picasso, einem Privatjet, Juwelen und, thematisch passend, von der Finanzierung der Produktionskosten des Films "The Wolf of Wallstreet" mit Leonardo DiCaprio, bei dem es um Finanzbetrug geht.

Was wird Ex-Premier Najib vorgeworfen?

Najib war von 2009 bis zu seiner Wahlniederlage im vergangenen Jahr nicht nur Premier Malaysias, sondern gleichzeitig auch Finanzminister. 1MDB gehörte dem Finanzministerium. Zudem war Najib 1MDB-Aufsichtsratsvorsitzender. Nun wurden 42 Anklagepunkte gegen ihn vorgebracht. Es geht hauptsächlich um Machtmissbrauch, Veruntreuung und Geldwäsche. Konkret wird Najib unter anderem vorgeworfen, es seien 681 Mio. USD von 1MDB auf seinem Privatkonto gelandet. Die Überweisungsbelege liegen vor.

Najibs Ehefrau Rosmah ist ebenfalls angeklagt. Warum?

Sie mag Schmuck und Handtaschen. Beamte stellten 1.400 Halsketten, 2.200 Ringe, 423 Uhren und 567 Designer-Handtaschen sicher. Frau Rosmahs Handtaschen sind überwiegend der Marke Hermès. Zudem fand sich eine Sonderanfertigung von Modedesigner Bijan, allein diese Tasche soll 400.000 USD wert sein. Außerdem wurden 28,3 Mio. USD in bar sichergestellt. Frau Rosmah stellt Imelda Marcos in den Schatten, bei der in den Philippinen 3.000 Paar Schuhe gefunden wurden als die Diktatur ihres Ehemannes zu Ende ging. In Malaysia schätzen Beamte den Wert der bei Najib und seiner Frau sichergestellten Gegenstände auf mehr als eine Viertelmilliarde USD.

Und was sagen die Eheleute dazu?

Beide haben sich für unschuldig erklärt. Laut Najib gingen zwar in der Tat 681 Mio. USD auf seinem Privatkonto ein. Aber das sei eine Spende des saudi-arabischen Königshausesgewesen, die er zurückgezahlt habe. Schmuck und Handtaschen seien Geschenke gewesen.

Warum sind die beiden auf freiem Fuß?

Sie sind gegen Kaution frei. Es ist in Malaysia nicht unüblich, erst ins Gefängnis zu müssen, wenn die letzte Gerichtsinstanz verurteilt. Allerdings versuchten Najib und seine Frau kurz nach der Wahlniederlage mit einem Privatjet das Land zu verlassen. Daran wurden sie gehindert. In Malaysia ist Najib nach wie vor ein prominenter, aktiver Politiker, der selbstbewusst agiert und im Parlament sitzt.

Najib spricht von einem politisch motivierten Feldzug. Rächt sich die neue Regierung, die früher als Opposition oft juristisch belangt worden war?

Die Beweislast gegen Najib und seine Frau erscheint erdrückend. Statt einem Rachefeldzug ist die Einlösung eines Wahlversprechens zu sehen: Rechtsstaatlichkeit und ein Ende von Korruption. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hatte vor der Wahl jahrzehntelang, also zur Oppositionszeit, mit Malaysias PKR zusammengearbeitet, der Partei, die nun die größte Parlamentsfraktion der Regierungskoalition stellt. Wir freuen uns sehr, dass unser Partner PKR als Regierungspartei versprochene Reformen anpackt und ein „neues Malaysia“ schaffen will. Gesetze, die Grundrechte verletzen, werden abgeschafft - darunter wahrscheinlich die Todesstrafe. Endlich herrscht Meinungs- und Pressefreiheit.

Wie lange wird der Gerichtsprozess gegen Najib dauern?

Der zuständige Richter hat 33 Verhandlungstage anberaumt. Es geht zunächst nur um einige der Dutzenden Anklagepunkte. Es ist mit jahrelangen Prozessen zu rechnen.

Wer ist noch involviert?

Es laufen Ermittlungen in Malaysia, in den USA, in Singapur und in der Schweiz - auch gegen Banken. Mitarbeiter von Goldman Sachs sollen große Teile des Schwindels möglich gemacht haben, einer hat sich bereits schuldig bekannt. Mittlerweile sind zwei Bücher über den 1MDB-Skandal erschienen: eines davon von Journalisten des Wall Street Journal, die jahrelang recherchiert und Artikel publiziert hatten. An diesem Buch hat sich eine Produktionsfirma die Filmrechte gesichert. Danach sollen nicht Malaysias Ex-Premier Najib und seine Frau Rosmah die Spinnen im Netz des Jahrhundert-Klaus gewesen sein sondern ein Schulfreund des Sohnes von Frau Rosmah aus erster Ehe. Der Schulfreund ist ein junger Malaysier, der auffiel, weil er mit Geld um sich warf. Er feierte in New York mit Paris Hilton, schenkte dem australischen Victoria´s Secret Model Marinda Kerr Juwelen und machte einer Sängerin aus Taiwan eine Heirats-Offerte in einem Rahmen, der 1,3 Mio. USD kostete und auf YouTube zu sehen war. Der Mann wird im Abspann des Films "The Wolf of Wall Street" mit speziellem Dank bedacht: Jho Low. Er ist flüchtig.

Der Klau kam heraus, weil ein Geschäftsmann mit Geld um sich warf?

Deshalb wurden zunächst nur Fragen laut. Der Klau kam erst heraus, als ein Angestellter einer saudi-arabischen 1MDB-Partnerfirma nicht das Geld bekam, das ihm seiner Meinung nach zustand. Der Angestellte ging, nahm 90 Gigabyte Daten mit und gab sie einer Journalistin: Emails, Bankunterlagen, Dokumente über Briefkastenfirmen und vieles mehr. Damit machte das Onlinemedium Sarawak Report den Skandal in allen Einzelheiten publik. Dann gelangten die Daten in die Hände von Staatsanwälten in Malaysia und in den USA. Darunter waren die Bankbelege von Überweisungen von insgesamt 681 Mio. USD auf das Privatkonto des malaysischen Premiers Najib. Eigentlich sollte er schon angeklagt werden als er noch Regierungschef war. Aber im letzten Moment vor der geplanten Anklage, die Klageschrift war schon verfasst, entließ Najib den Generalstaatsanwalt. Erst mit seiner Wahlniederlage im Mai 2018 verlor Najib die Kontrolle über die Justiz. Deshalb wird er nun strafverfolgt.