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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Corona
Investitionsstau auflösen: Unserer Volkswirtschaft droht die Zombie-Ökonomie

Je länger der Konkursschutz für Unternehmen gewährt wird, desto dramatischer könnte der anschließende Dammbruch werden
Finanzplatz Frankfurt
Dunkle Wolken am Horizont: Auch die Bundesbank in Frankfurt am Main prophezeit eine Pleitewelle ab dem ersten Quartal 2021.

Bislang verhindern Konkursschutz und Hilfsprogramme der Bundesregierung die große Pleitewelle im Land. Nächstes Jahr könnte es jedoch zum Dammbruch kommen. Im schlimmsten Fall droht eine neue Finanzkrise. Zeit, zu handeln!

Innovativ, resilient, sozial! Unser Wirtschaftssystem, die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards, hat sich einmal mehr bewährt, diesmal in der Corona-Krise. Nach nur wenigen Monaten ist ein neuer Impfstoff verfügbar, dank der Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie. Die Unternehmen haben ihre Betriebsabläufe extrem schnell an die Anforderungen des „social distancing“ angepasst, was half, die Produktionseinbrüche in der Industrie in Grenzen zu halten. Und die Sonderregeln der Kurzarbeit sorgen noch immer dafür, dass die Arbeitslosigkeit auf niedrigem Niveau verharrt und soziale Verwerfungen unterbleiben.

Soweit so gut und erfolgreich. Je länger allerdings der gesellschaftliche Ausnahmezustand dauert, umso „systemrelevanter“ wird er auch. Dies gilt vor allem für zwei zentrale Instrumente der permanenten Regeneration, auf die eine gesunde Marktwirtschaft zurückgreifen muss, will sie nicht zur Zombie-Ökonomie verkommen: Konkurse und Investitionen.

Dammbruch droht im neuen Jahr

Bei den Konkursen gibt es bis Ende des Jahres eine weitreichende Ausnahmeregelung, die offenbar für eine drastische Abnahme der Zahl von Insolvenzanträgen unter das normale Niveau sorgte. Die Welle von normalen und Corona-bedingten Konkursen wird also derzeit „aufgestaut“. Der Damm wird aber vorhersehbar brechen, sobald die Regelung ausläuft.

Je länger nun der Konkursschutz gewährt wird, desto dramatischer könnte dieser Dammbruch werden. Ökonomisch bedeutet er ja nichts anderes als eine ruckartige, massive Abwertung von Kapital, die durch alle Bilanzen und Bücher durchschlägt – bis hin zu den Banken und Finanzinstituten, die entsprechende Aktiva halten. Dies kann im schlimmsten Fall eine Finanzkrise auslösen. Noch wird in dieser Hinsicht abgewiegelt, weil vor allem Gastronomie, Hotellerie und Tourismus betroffen sind – und die machen nur einen relativ kleinen Anteil des gesamten Kreditvolumens aus. Gleichwohl lauert hier eine systemische Gefahr – nach aller Erfahrung mit der Weltfinanzkrise 2008/9, als das Platzen der amerikanischen Immobilienblase mit voller Wucht auf den Großteil des europäischen Bankensektor übergriff. Jedenfalls gilt: Der Ausnahmezustand muss schleunigst beendet werden, will man allfällige Systemrisiken in Grenzen halten.

Investitionsstau: Unternehmen verharren im Status Quo

Ähnliches gilt für die Zurückhaltung bei den Investitionen, die zu beobachten ist. Selbst im verarbeitenden Gewerbe wollen 56 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen kürzen, und von diesen nennen 78 Prozent die unsicheren Zukunftsaussichten nach Corona als einen zentralen Grund – zusammen mit dem latenten Fachkräftemangel, der sogar von 83 Prozent der Unternehmen erwähnt wird. Außerhalb der Industrie dürfte der Investitionseinbruch noch gewaltiger ausfallen. Insgesamt ergibt sich damit das Bild einer Wirtschaft, die gerade im Angesicht der neuen Herausforderungen der Digitalisierung eben nicht zur Stärkung ihrer Modernität ansetzt, sondern konservativ im Status Quo verharrt. Dies liegt leider auch an der Sonderregelung für Kurzarbeit, die ohne Not bis nach der Bundestagswahl 2021 verlängert wurde und die Knappheit von qualifizierten Bewerbern am Arbeitsmarkt verschärft. Denn viele Arbeitnehmer, die schon heute ahnen, wie düster die Aussichten für ihre Arbeitsplätze sind, werden nicht motiviert, sich um Neues zu bemühen. Genau damit wird der nötige Nach-Corona-Strukturwandel unserer Wirtschaft behindert, was die langfristige Wachstumsschwäche verstärkt statt sie zu mildern.

Fazit: Es droht im nächsten Jahr ein allseitiger Attentismus. Es ist deshalb überaus wichtig, dass die Politik neue Rahmenbedingungen setzt, die den Wiederaufstieg der Wirtschaft nach Corona erleichtern: von der steuerlichen Entlastung über die bürokratische Deregulierung bis zu staatlichen Investitionen in die digitale Infrastruktur. Höchste Zeit für einen Restart!

Dieser Beitrag erschien erstmalig am 03.12.2020 bei Focus Online.