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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Bremsspur bei der Inflation
Peak der Preisinflation?

Es gibt Zeichen der Entspannung. Aber Vorsicht: Noch wälzt sich die Teuerung quer durch die Wirtschaft.
Karl-Heinz Paqué
Karl-Heinz Paqué

Zugegeben, das sieht alles besser aus als noch vor Kurzem erwartet. Das Ifo-Institut rechnet mit einer Abschwächung der Inflationsrate von 7,9 Prozent 2022 auf 6,4 Prozent 2023 und 2,8 Prozent 2024. Im Dezember 2022 planten deutlich weniger Unternehmen Preiserhöhungen als noch einen Monat zuvor. Dies wäre eine willkommene scharfe Bremsspur.

Diese Bremsspur zeigt zweierlei. Zum einen: Die Weichenstellungen der Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik wirken. Die konsequente kurzfristige Attacke auf die Angebotsengpässe vor allem im Gasbereich zeigt ihre Wirkung, und das milde Wetter leistet dabei auch seinen Beitrag – gut für Energieminister Habeck. Die ebenso konsequente Ankündigung, zur Schuldenbremse zurückzukehren und dem Ausufern der Staatsausgaben entgegenzuwirken, zeigt gleichfalls Wirkung – gut für Finanzminister Lindner. Und die nun doch restriktivere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zeigt auch ihre Wirkung – gut für Madame Lagarde.

Zum anderen zeigt die Bremsspur, dass sich das internationale Umfeld verbessert. Die Wertschöpfungsketten beginnen wieder zu funktionieren, die langen Lieferfristen in der verarbeitenden Industrie nehmen ab, die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung kehrt zur Normalität zurück. Es bleibt vorerst das Problem von China mit Corona, aber das ist anscheinend kein prohibitiver Bremsklotz bei der langsamen Erholung der Angebotsbedingungen. Mit einer schweren Rezession ist in Deutschland wohl nicht zu rechnen. Damit verliert das Gespenst der Stagflation an Bedrohlichkeit.

Aber Vorsicht: Genau diese Aufhellung am Horizont birgt die Gefahr von zu großem Optimismus. Denn vergessen wir nicht: Ein Preisschub von fast 10 Prozent kommt ohne Kompensation bei den Löhnen einer Senkung der Realeinkommen um fast 10 Prozent gleich. Das ist für Arbeitnehmer und Gewerkschaften völlig inakzeptabel – vor allem dann, wenn die Arbeitsmarktlage viele offene Stellen und eine extreme Knappheit an Fachkräften ausweist. Genau dies ist der Fall. Eine Welle von Lohnerhöhungen ist deshalb in Gang, tariflich und außertariflich, und zwar nicht allein durch die Anhebung des Mindestlohns, sondern durch die Marktverhältnisse getrieben. Die Erfahrung der siebziger Jahre lässt grüßen: Was als massiver Verteuerungsschub startet, schlägt fast immer in eine kräftige Dynamik der Löhne um, die dann auch bei verlangsamter Preisentwicklung erst sehr zäh und zögerlich an Kraft verliert. Für einige Zeit wird man mit einer Lohn-Preis-Spirale leben müssen, und die wird die Kosten der Unternehmen nach oben treiben und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie noch einige Jahre gefährden.

Klar ist natürlich: Andere Länder haben ähnliche Probleme. Insofern gibt es keinen Grund zur Panik. Aber eben auch nicht zur allzu frühen Selbstzufriedenheit. Die Krise ist noch nicht vorbei, auch nicht kurzfristig. Und langfristig steht die deutsche Wirtschaft ohnehin vor dramatischen Herausforderungen. Die Zeit billiger Energie aus russischer Hand und billiger Arbeitskräfte aufgrund der Arbeitslosigkeit ist endgültig vorbei. Die schlimmsten Gefahren mögen entschärft sein, die großen Herausforderungen der Zukunft sind es nicht.