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Türkei
Volk gegen Nation

Oppositionsparteien wollen Mehrheit im türkischen Parlament

Sieben Wochen vor dem Wahltermin haben vier Oppositionsparteien ein Bündnis für die Parlamentswahlen besiegelt, um die Mehrheit im türkischen Parlament zu erringen. Die Allianz sei ein Schritt hin zum „größtmöglichen Konsens“, sagte der Sprecher der größten Oppositionspartei CHP, Bülent Tezcan. Die Parteien haben sich laut Tezcan auf wichtige Prinzipien geeinigt. Dazu gehörten die Wiederherstellung der vollen Rede- und Pressefreiheit. Auch solle die Justiz unabhängig von der Regierung werden. Das ‘Bündnis der Nation‘ (türk.: Millet İttifakı), wie die Allianz offiziell heißt, besteht aus der kemalistisch-säkularen CHP, der rechtsnationalistischen Iyi Partisi und der islamistischen Saadet. Die kleine Demokratische Partei wird ihre Kandidaten über die Iyi-Partei einbringen. Die Allianz zwischen den vier Parteien betrifft allerdings zunächst nur die Parlamentswahlen; für die am selben Tag stattfindende erste Runde der Präsidentschaftswahlen konnten sich die Parteien nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen.

Zuvor hatte Erdoğans AKP mit der rechtsnationalistischen MHP die sogenannte ‘Volksallianz‘(türk.: Cumhur  İttifakı) gegründet. Die ebenfalls rechtsnationalistische und islamistische „Partei der Großen Einheit“ (türk.: Büyük Birlik Partisi/BBP) als dritter Allianzpartner wird über Wahllisten der AKP Kandidaten aufstellen. Die pro-kurdische HDP ist in keinem der beiden Bündnisse vertreten; sie wird jedoch von einer „Kurdischen Wahlallianz“ (türk.: Kürdistani Seçim İttifakı) unterstützt, die ein Bündnis aller kurdischen Parteien unter Einschluss derer in den Nachbarstaaten der Türkei (Iran, Irak, Syrien) anstrebt. Diese neue Koalition hat sich erstmalig bei Wahlen zur Handelskammer der kurdischen Metropole Diyarbakır bewährt. Gemäß dem neuen Wahlgesetz gilt die sehr hohe Zehn-Prozent-Sperrklausel der Türkei nicht für einzelne Mitglieder eines Wahlbündnisses, sondern lediglich für das Bündnis als Ganzes. Dies ermöglicht es kleineren Parteien, im Zusammenschluss mit anderen Parteien die Sperrklausel zu umgehen. Das neue Parlament wird 600 Sitze haben, 50 mehr als das bisherige, und ist verfassungsrechtlich abgewertet gegenüber dem Amt des Staatspräsidenten.

Dr. Hans-Georg Fleck ist Projektleiter des Stiftungsbüros in Istanbul.

Aret Demirci ist Projektkoordinator im Stiftungsbüro in Istanbul. 

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