EN

Kambodscha kehrt zum autoritären Parteistaat zurück

Oberstes Gericht löst größte Oppositionspartei des Landes auf
Oberstes Gericht Kambodschas
Mit der Entscheidung des Obersten Gerichts macht Kambodscha einen Rückschritt zum autoritären Parteistaat. © CC BY 2.0 flickr.com/ Ankur P

Am 16. November 2017 tagte das Oberste Gericht Kambodschas unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen mit starker Militär- und Polizeipräsenz - wie angekündigt.  Um 17:05 Uhr Ortszeit verkündete das Gericht die Auflösung der größten kambodschanischen Oppositionspartei, der Cambodia National Rescue Party (CNRP). Im Vorfeld haben die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, ebenso wie die Bundesregierung, versucht auf die kambodschanische Regierung einzuwirken, um diesen zutiefst undemokratischen Schritt noch abzuwenden. Kambodschas Regierungschef Hun Sen, der die Macht seit 32 Jahren innehat, blieb davon unbeeindruckt.

Wie kam es zum Verbot der CNRP?

Das Innenministerium reichte im Oktober beim Obersten Gericht Klage gegen die CNRP ein, mit der Behauptung, dass ihr Präsident Kem Sokha mit ausländischen Elementen einen Plan erarbeitet hätte, um die Regierung zu stürzen. Bereits in der Nacht des 3. September 2017 wurde Kem Sokha trotz seiner parlamentarischen Immunität verhaftet. Ihm wird „Hochverrat“ vorgeworfen. Der Vorwurf gegen Kem Sokha basiert auf einem Videoclip aus dem Jahr 2013. Auf einer Versammlung mit Unterstützern in Australien soll er dargestellt haben, wie er mit Hilfe von ausländischen Experten einen strategischen Plan für einen friedlichen Machtwechsel entwickelt. Die Regierung benutzt dieses Video als Beweis für Sokhas „verräterischen Akt“. Ihm wird also als Vertreter der Opposition vorgeworfen einen Regierungswechsel anzustreben. Beobachter sprechen daher von einem politischen Urteil, auch weil die Vertreter des Gerichtes gleichzeitig hochrangige Mitglieder der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (KVP) sind.

Auch wenn ein neues Parteiengesetz im Falle einer Verurteilung des Parteivorsitzenden  Konsequenzen für die gesamte Partei vorsieht, so sind die eigentlichen Gründe für das Verbot der größten Oppositionspartei andere. Bei den diesjährigen Kommunalwahlen im Juni hat die CNRP stark an Stimmen gewonnen. Sie hat in 486 von 1,646 Kommunen gewonnen- eine massive Verbesserung gegenüber der 40 Kommunen bei den letzten Wahlen. Die CNRP gewann insbesondere in ländlichen Regionen, die bisher immer als die Machtbasis des Regierungschefs galten. Insgesamt gewann die CNRP 45 Prozent der Stimmen und konnte somit den Abstand zur regierenden KVP erheblich verringert. Nach 32 Jahren Amtszeit besteht bei Regierungschef Hun Sen nun die ernsthafte Sorge bei der nächsten Nationalwahl im Jahr 2018, trotz massiver Behinderungen der Opposition, zu verlieren. Seine Umfragewerte sinken bereits seit längerem.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Was bedeutet dies für Kambodscha?

Das Verbot der einzigen politisch bedeutsamen Oppositionspartei bedeutet für Kambodscha eine de facto Rückkehr zu einem autoritären Parteistaat. Denn neben Hun Sens Regierungspartei existieren jetzt nur noch kleinere willfährige Parteien.

Ob die für Juli 2018 geplanten Nationalwahlen stattfinden ist ungewiss. Die Regierung kann die Wahlen, auch ohne internationale Unterstützung organisieren. Sollte sich dabei aber der Protest der Bevölkerung - etwa durch einen Boykott der Wahl - deutlich zeigen und zudem keine internationalen Wahlbeobachter ins Land gelassen werden, so könnte dies die Legitimität der neuen (alten) Regierung in Frage stellen.  

Wie geht es weiter mit den Mitgliedern der CNRP bzw. der Opposition in Kambodscha?

118 hochrangigen Mitgliedern der CNRP wurde für fünf Jahre eine politische Tätigkeit verboten. Zudem haben 55 Abgeordnete der Opposition im Parlament, 11 Senatoren und 5.007 Kommunalratsmitglieder unmittelbar nach dem Gerichtsurteil ihr Mandat verloren. Diese Mandate werden an kleinere Parteien, die in den letzten Nationalwahlen 2013 und den Kommunalwahlen 2017 kaum eine Rolle spielten, verteilt.

Die Zukunft einer Opposition in Kambodscha ist ungewiss. Allerdings könnte Hun Sen kurz vor den Wahlen 2018 mit einer Amnestie für einige der gesperrten CNRP Politiker versuchen den demokratischen Schein zu wahren. Diese könnten dann versuchen mit einer neugegründeten Partei an den Wahlen teilzunehmen. Da im Wahlkampf mit den üblichen Behinderungen durch die Regierung und die von ihr kontrollierten Medien zu rechnen ist, hätten die ehemaligen CNRP Politiker und deren neue Partei bei den Nationalwahlen wahrscheinlich keinerlei Chancen auf ein gutes Ergebnis geschweige denn auf einen Wahlsieg. Die absolute Macht des Ministerpräsidenten Hun Sen ist somit weiter gefestigt.

Die CNRP war die einzige wirkliche Oppositionskraft, andere Parteien sind im Moment zu schwach, um die Macht der KVP zu gefährden.

Siegfried Herzog ist Regionalbüroleiter des Stiftungsbüros in Bangkok.