EN

Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

#FNF60 - The Stories: Über 50-jährige Kooperation mit der südafrikanischen Democratic Alliance
Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

Internationale Besuchsgruppe beim DA-Parteitag 2018

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Wenn es im Kapstädter Büro der Stiftung für die Freiheit nach grünem Tee mit Zitrone und Honig duftet, dann wissen alle Mitarbeiter, dass Mmusi Maimane, der Parteivorsitzende der Democratic Alliance (DA), zu Besuch ist. Die Kooperation mit Herrn Maimane, dessen Lieblingsgetränk in der Zwischenzeit den meisten Stiftungsmitarbeitern wohl bekannt ist, begann im Jahr 2011, als der damalige junge Stadtrat aus Soweto an einem Seminar der Internationalen Akademie für Führungskräfte in Gummersbach teilnahm. Die Stiftung hat das Potential des jungen Liberalen, der nun der Präsidentschaftskandidat der DA für die Nationalwahlen 2019 ist, bereits früh erkannt und diesen seitdem vielfach gefördert. 

Schaut man auf die Kooperation zwischen der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der südafrikanischen Democratic Alliance, so erhält man den Eindruck einer über 50 Jahre andauernden vertrauensvollen Beziehung, in der man gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen ist. Angefangen in der Zeit als die Partei - damals noch unter dem Namen Democratic Party (DP) - in den ersten demokratischen Wahlen des Landes im Jahr 1994 gerade einmal 1,7% der Stimmen erhielt, bis hin zu dem spektakulären Erfolg in den Kommunalwahlen 2016, in der die nun zu Democratic Alliance umbenannte Partei ganze 26,9% erreichte, die Stiftung für die Freiheit stand der Democratic Alliance und deren liberalen Vorgängerstrukturen stets zur Seite.

Weniger bekannt ist, daß diese Kooperation bereits in den 60er Jahren begann, als sich der spätere Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Dr. Otto Graf Lambsdorff, und die damals einzige liberale und Anti-Apartheidsabgeordnete des südafrikanischen Parlaments, Helen Suzman, zum ersten Mal trafen. In den 70er Jahren gewannen Frau Suzman und ihre Partei sechs weitere Parlamentssitze. Mit zwei dieser neugebackenen Parlamentarier sollte die Stiftung in den nächsten Jahrzehnten besonders eng zusammenarbeiten: Es waren Colin Eglin und Frederik van Zyl Slabbert. Letzterer entschloss sich in den 80er Jahren, auf dem Höhepunkt der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Südafrika, aus dem Parlament auszuscheiden und sich ausschließlich dem Dialog zwischen Buren und dem African National Congress (ANC), der Partei Nelson Mandelas, zu widmen. Hierzu bat er die Stiftung um Unterstützung. So wurden die bahnbrechenden Treffen in Dakar und Leverkusen, die gemeinhin als eine der wichtigsten Weichenstellungen auf dem Weg zu einer Verhandlungslösung im südafrikanischen Konflikt gelten, von der Stiftung für die Freiheit mit ausgerichtet.

Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

Mmusi Maimane bei der African Freedom Speech 2017

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Anfang der 90er Jahre, als die Verhandlungen zur Demokratisierung Südafrikas im Land selbst stattfanden, entschloss sich dann die Stiftung auch vor Ort ein Büro zu eröffnen und begann verstärkt mit der Vorgängerpartei der Democratic Alliance, der sog. Democratic Party, zusammenzuarbeiten.

Als die Democratic Party bei den ersten demokratischen Wahlen 1994 lediglich 1,7% der Stimmen oder sieben von 400 Sitzen gewann, gab es kaum eine Zeitung im Lande und kaum internationale Kommentatoren, die nicht bereits einen Nachruf auf diese liberale Partei schrieben. Genau zu diesem Zeitpunkt, als diese Partei von allen als irrelevant, überflüssig und unwichtig abgeschrieben wurde, nahm die Stiftung die volle und strukturierte Zusammenarbeit mit der Democratic Party auf. In dieser wenig hoffnungsvollen Ausgangslage half die Stiftung wo sie konnte – durch politische Bildung, Politikberatung, Fertigkeitstrainings, darunter in den Bereichen Rhetorik, Pressearbeit (Radio- und Fernsehinterviews, Pressemitteilungen, Soziale Medien), Management- und Führungsqualitäten, Fundraising, sowie inhaltliche und programmatische Unterstützung. Schon damals war für die Stiftung ersichtlich, dass  es – bei allem Glanz Mandelas und bei allem Respekt vor seinen großartigen Leistungen – ständiger Wachsamkeit und harter Arbeit bedürfe, um die demokratischen Errungenschaften, die in der neuen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechte und den neuen Rechtsstaat zu garantieren.

Wenn man sich die Entwicklung der liberalen Partei Südafrikas vor Augen hält, so scheint es eine Art gradlinige Erfolgsgeschichte zu sein: Von 1,7% hin zu fast 10% und dann zunehmend mehr, bis man bei den Kommunalwahlen 2016 26,9% erreichte. Eine einfache monokausale Erklärung für den Erfolg der Partei gibt es nicht, doch es ist wichtig zu betonen, dass sich die DA von Anfang an zum Ziel gesetzt hat über eine reine Oppositionsrolle hinaus zu agieren. Strategisch hatte sich die Partei immer darauf ausgerichtet,  Regierungsverantwortung zu übernehmen. Heute ist die Democratic Alliance Regierungspartei in der Provinz Westkap und regiert in den wichtigsten Großstädten Kapstadt, Johannesburg, Tshwane (Großraum Pretoria) und Nelson Mandela Bay (Großraum Port Elizabeth) – in den drei letztgenannten Städten entweder als größter Koalitionspartner oder als Minderheitsregierung. Daneben führt die DA auch in 33 weiteren Kommunalverwaltungen die Regierungsgeschäfte. Zur gleichen Zeit verlief auch die Entwicklung von einer kleinen, hauptsächlich englisch-sprachigen, von weißen Männern geführten Partei hin zu einer Partei, die heute die ethnisch gemischteste Partei Südafrikas mit engagierten Frauen auf allen Ebenen ist.

Dies alles war jedoch keineswegs eine gradlinige Entwicklung; es war ein gewundener und mit zahlreichen Stolpersteinen versehener Weg. Gerade in schwierigen und unsicheren Zeiten stand die Stiftung der DA zur Seite und unterstützte diese bei der Umsetzung der gemeinsamen Ziele und Werte: Dem Ausbau der Demokratie in Südafrika, der Einhaltung der Menschenrechte sowie der Erhaltung des Rechtsstaates.
 

Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

Ehemalige DA-Parteivorsitzende Helen Zille

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Ein wichtiger Wende- und Höhepunkt waren die Kommunalwahlen 2006, in denen es der Partei erstmals gelang, in einer von ihr selbst geführten Koalitionsregierung die Regierungsgeschäfte in Kapstadt zu übernehmen. Wie überraschend dieser Wahlerfolg war und welche Herausforderungen eine Koalition von insgesamt sieben Partnern mit sich brachte, wird in der Autobiographie der ehemaligen Parteivorsitzenden Helen Zille „Not Without a Fight“ von 2016 deutlich. Ziller äusserte sich hierzu: „Ich saß versteinert in meinem Stuhl und fragte mich, woher die zusätzliche Stimme gekommen war. […] Ich folgerte also, dass jemand vom ANC für mich gestimmt haben muss und ich möchte noch immer liebend gern wissen, wer es war. […] Was würden wir nun tun? Wie sollten wir diese unwahrscheinliche Koalition über unterschiedliche Ideologien hinweg, von weit links bis weit rechts […], zum Funktionieren bringen? In diesem Moment waren wir zu überdreht, um über praktische Fragen nachzudenken. Wir hatten eine spontane Feier und im Laufe des Nachmittags gingen alle fort – außer mir. Ich saß in dem weiträumigen Bürgermeisterbüro hinter dem gewaltigen, leeren Bürgermeisterpult, blickte auf die spektakuläre Aussicht auf den Tafelberg und die Innenstadt und fragte mich selbst: Was zum Teufel tun wir jetzt? Ich erinnerte mich voller Erleichterung, dass die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die deutsche liberale Stiftung, die die winzige DP mit Trainings und Mentoring geholfen hatte und nun Partner der DA war, bereit war, uns zu unterstützen und das weitere Vorgehen zu planen. Ich wusste, dass die Stiftung die weltbesten Autoritäten im Bereich Koalitionsmanagement  angeboten hatte, um uns zu helfen. Das Erste, was ich am nächsten Morgen tat, war auf das Friedrich-Naumann-Angebot einzugehen und war erleichtert zu erfahren, dass Hilfe bereits unterwegs war.“

Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

Arbeit mit der liberalen Jugend

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Seit 2006 hat sich Einiges in der Democratic Alliance verändert: Die langjährige Parteivorsitzende Helen Zille wurde im Jahr 2015 von Mmusi Maimane, einem damals 35-jährigen charismatischen schwarzen Abgeordneten, abgelöst. Inzwischen regiert die DA in den wichtigsten Großstädten des Landes und kann dort wichtige Erfolge nachweisen. Es ist nicht undenkbar, dass die Partei bei den anstehenden Provinz- und Parlamentswahlen 2019 ihren Stimmenanteil weiter erhöhen und möglichweise sogar neben der Provinz Westkap auch die Provinz Gauteng, die die Wirtschaftsmetropole Johannesburg sowie den Sitz der Exekutive Pretoria umfasst, gewinnen wird.

Für die Zusammenarbeit zwischen der Stiftung und der DA stehen also spannende Zeiten an. Selbstverständlich hat sich diese Kooperation in den vergangenen Jahrzehnten, in denen die Liberalen von einer winzigen Außenseiterpartei zur größten Oppositionspartei aufgestiegen sind, erheblich gewandelt. Auch in Zukunft wird sich die Art der Kooperation mit der DA sicherlich ändern, gerade auch weil die Partei immer mehr Regierungsverantwortung übernimmt und aus diesem Grund neue Prioritäten gesetzt werden müssen. So wird die Umsetzung und das Monitoring von politischen Programmen einen weitaus größeren Stellenwert einnehmen. Zwei Dinge blieben jedoch seit Beginn der Zusammenarbeit unverändert: Die gegenseitige Unterstützung selbst in den schwierigsten Zeiten und das Konzept von „German time“, das Dank der Stiftung inzwischen zu einem geflügelten Wort für Pünktlichkeit in der DA geworden ist.

Ekaterini Georgousaki ist Assistenz der Regionalbüroleitung der Stiftung in Johannesburg, Republik Südafrika.