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Politische Parallelen in Mitteleuropa
Neue Achse in Mitteleuropa: Babiš, Orbán und Fico zwischen Moskau und Brüssel

Flags of Hungary, Slovakia and Czechia

Mitten in Europa wiederholt sich die Geschichte. In Ungarn, der Slowakei und Tschechien prägen drei Männer die Politik, die alle schon einmal an der Macht waren und sie wieder zurückgewonnen haben: Viktor Orbán, Robert Fico und Andrej Babiš. Ihre Rückkehr, ob schon vollzogen oder gerade im Gange, wird die EU herausfordern. Denn jeder der drei Männer hat seinen persönlichen Kampf mit der EU, ob aufgrund von Migration, Klimapolitik, der russischen Aggression in der Ukraine oder aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen. Inwiefern sich die Positionen und Motive der Regierungschefs überschneiden, soll in diesem Artikel betrachtet werden.

Anfang Oktober 2025 hat Tschechien ein neues Abgeordnetenhaus gewählt, bei dem auch ein alter Bekannter an die Macht zurückgekehrt ist. Die Partei ANO (Akce nespokojených občanů/Aktion unzufriedener Bürger) des ehemaligen Ministerpräsidenten Andrej Babiš gewann mit 34,5% der Stimmen. Unter den ersten Gratulanten waren Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Andrej Babiš war bereits von 2017 bis 2021 Ministerpräsident Tschechiens gewesen, seine Partei saß bis vor einem Jahr noch in der ALDE- bzw Renew Europe-Fraktion in der EU. 2024 gründete Andrej Babiš zusammen mit Viktor Orbán und anderen Politikern des rechten Spektrums eine neue rechtsextreme Parteienallianz im EU-Parlament: die Patrioten für Europa.

Was verbindet die drei Regierungschefs Ungarns, Slowakei und Tschechiens? Gibt es ideologische Überschneidungen oder handelt es sich lediglich um eine Zweckfreundschaft? In diesem Artikel sollen vor allem die Positionen der drei Männer zur russischen Aggression in der Ukraine und deren Standpunkte gegenüber der EU aufgezeigt werden.

Seit mehr als drei Jahren führen die Russen einen unerbittlichen Kampf in der Ukraine. Während sich die meisten europäischen Staatschefs von Putin distanzieren und Öllieferungen aus Russland verringern, gibt es insbesondere zwei Männer, die die EU in ihrem Kurs stören. Viktor Orbán ist seit 15 Jahren ununterbrochen Regierungschef Ungarns, stellt sich regelmäßig quer bei Sanktionen gegenüber Russland oder der Hilfe für die Ukraine, nur um im letzten Moment doch zuzustimmen, nicht aber ohne Zugeständnisse von der EU zu erhalten. Robert Fico scheint diese Haltung zu kopieren. Sowohl Fico wie auch Orbán haben laufende Gaslieferungsverträge mit Russland.

Orbáns Haltung gegenüber der Ukraine zeigt sich u.a. in Blockaden innerhalb der EU. Begründet wird die Blockade militärischer Hilfe beispielsweise damit, dass diese sinnlos und kriegsverlängernd sei. Erst vor wenigen Wochen sprach er der Ukraine die Unabhängigkeit ab, er blockiert Fortschritte im Beitrittsprozess zur EU mit der Begründung die ukrainische Mafia käme so ungehindert in die EU. Er finanziert durch russische Gas- und Öllieferungen die russische Kriegsmaschinerie, stellt sich gegen Sanktionen, mit der Begründung sie seien nutzlos und schlecht für die Wirtschaft, und behauptet, die EU wolle Ungarn in den Krieg hineinziehen. Um dem etwas entgegenzusetzen inszenierte er sich als Friedensstifter und besuchte daher 2024 den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf dem ungarischen Premierminister lastet innenpolitischer Druck: Durch Misswirtschaft, Korruption und Doppelmoral steigt die Unzufriedenheit im Land. Nächstes Jahr, bei den Parlamentswahlen, könnte dies gefährlich für Orbán werden, denn sein ehemaliger Parteifreund Peter Magyar führt in den Umfragen. Die Stimmungsmache gegen die Ukraine soll ablenken von dem schlechten Zustand des Landes: Krankenhäuser und Schulen sind marode, viele Ungarn kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Statt die eigene Vetternwirtschaft oder das eigene Luxus-Leben zu hinterfragen, ist es leichter der EU und der Ukraine die Schuld an all dem zu geben.

Seit der Wiederwahl von Robert Fico scheint es, als würde er Viktor Orbán kopieren. Beide Länder sind abhängig von russischem Gas, daher bremst auch er jede EU-Initiative, die diese Abhängigkeit verringern soll. Auch er besuchte, wie sein Amtskollege aus Ungarn, mehrmals Wladimir Putin nach Beginn des Angriffskrieges. Die Schuld für den Angriffskrieg auf die Ukraine sucht Fico bei der Ukraine, das Andauern der Kämpfe schiebt er wiederum der EU in die Schuhe. Den Stopp der Militärhilfe für die Ukraine begründete er damit, dass es nicht „unser Krieg“ sei. Dennoch distanziert er sich nicht vollends vom Westen und der Ukraine. Beispielsweise unterstützt er den EU-Beitritt der Ukraine und seine Wähler sprechen sich für einen Verbleib des Landes in der NATO aus. Die Nähe zu Russland erklärt sich u.a. aus der Abhängigkeit der Gaslieferungen, außerdem hat die Sowjetische Armee das Land im Zweiten Weltkrieg befreit. Fico bewundert Putin und andere Autokraten, da er diese für effizienter hält. Unter dem Deckmantel, sich in alle Himmelsrichtungen offen für Zusammenarbeit zu zeigen, kooperiert er auch mit ihnen. Diese politische Ausrichtung könnte ihm jedoch schaden: Umfragen zeigen, dass die Partnerpartei der FNF, die liberale Progresívne Slovensko, in den Umfragen vor Ficos Smer liegt.

Andrej Babiš befindet sich zwar seit 2024 in einer russlandfreundlichen Fraktion im EU-Parlament und kündigte im Wahlkampf an, die tschechische Munitionsinitiative für die Ukraine stoppen zu wollen, da das Geld stattdessen für „unsere eigenen Bürger“ verwendet werden sollte. Von dieser Position ruderte er jedoch wieder zurück und fordert nun vor allem mehr Transparenz. Innerhalb der EU kann erwartet werden, dass er die Blockadehaltung Orbáns und Ficos unterstützt, insbesondere bei den Themen Migration und Klimaschutz. Dennoch fehlt es ihm vor allem an der prorussischen Haltung seiner Amtskollegen, wie etwa die Ausweisung russischer Diplomaten in seiner ersten Amtszeit zeigte. Die Ausweisung folgte aufgrund zweier Explosionen mit Todesfolge in Vrbětice, welche dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeschrieben werden. Auch befindet sich Tschechien in keinen Abhängigkeiten zu russischen Gas- und Öllieferungen. Babiš erste Amtszeit wurde vor allem von seinem Interessenskonflikt und Subventionsbetrug im Zusammenhang mit seinem Unternehmen Agrofert überschattet. Er ist ein Geschäftsmann, sein Unternehmen ist in über 20 europäischen Ländern aktiv und sein Land massiv von EU-Förderungen abhängig. Umso spannender wird die Frage nach der Regierungsbildung in Tschechien nach der Wahl. Momentan sieht es so aus, als würde es ein Dreierbündnis geben zwischen Babiš Partei ANO, der rechtsradikalen SPD, die noch vor der Wahl ein Referendum zum EU- und NATO-Austritt forderten, und der europakritischen Autofahrerpartei.

Zusammenfassung

Viktor Orbáns spricht sich gegen Unterstützung für die Ukraine aus und blockiert regelmäßig Sanktionen oder Beschlüsse in der EU. Der ungarische Ministerpräsident führt seit Jahren einen Kampf gegen die "zu-woke" EU, die ihm aufgrund des Abbaus von Rechtsstaatlichkeit die Gelder gestrichen hat. Während die ungarische Elite jedoch weiterhin im Luxus badet, kämpft die restliche Bevölkerung ums finanzielle Überleben. Um davon abzulenken wettert Orbán gegen die EU und gegen die Ukraine.

Robert Fico sieht sich und sein Land nicht in der Verantwortung, die Ukraine zu unterstützen. Er verhindert Beschlüsse und Sanktionen und trifft sich stattdessen mit dem russischen Präsidenten. Seine Offenheit gegenüber Russland begründet er mit einer Außenpolitik, die sich niemandem verschließt.

Von Andrej Babiš wird zwar ebenfalls eine konfrontativere Haltung gegenüber der EU erwartet, allerdings ist er weder abhängig von russischem Gas, noch verbindet ihn etwas anderes mit Russland. Er ist Geschäftsmann und wird, wie bereits in seiner letzten Amtszeit, vor allem diese Interessen vertreten.

Die russlandfreundliche Politik Ungarns und der Slowakei riskieren vor allem den europäischen Zusammenhalt und den Kampf um Demokratie, der in der Ukraine ausgetragen wird. Auch wenn Tschechiens neuer Regierungschef in Bezug auf Russland eine andere Linie fährt, könnte er zumindest die Unterstützung der Ukraine innerhalb der EU erschweren. Das Trio könnte also künftig entscheidende EU-Beschlüsse blockieren – mit Folgen für die europäische Geschlossenheit.

Die liberalen Kräfte sollten dennoch weiterhin geschlossen hinter der Ukraine stehen und ihren Kampf für Demokratie und Menschenrechte trotz autoritärem Gegenwind fortsetzen.