EN

Im Gespräch mit Ryszard Petru, Redner zur Freiheit 2016

Faszinierend schnell ist in Polen die liberale Partei Nowoczesna (Die Moderne) zur stärksten Oppositionskraft aufgestiegen. Es wurde nicht nur wegen des schnellen Popularitätsverlustes der allein regierenden nationalkonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Jaroslaw Kaczynski möglich, sondern vor allem dank ihrem charismatischen Vorsitzenden Ryszard Petru, der erst im Mai 2015 mit der Gründung von Nowoczesna politisch aktiv wurde, und uns aktuell als Interviewpartner zur Verfügung stand. Petru hält im April die 10. Berliner Rede zur Freiheit am Brandenburger Tor.

Polens neue Regierung ist nun seit 100 Tagen im Amt und Sie sind in der Opposition. Konnten Sie bereits etwas erreichen?

Es ist ziemlich schwierig, konkrete Resultate zu erreichen, zum Beispiel von unserer Partei vorgeschlagene Gesetzesvorhaben durch das Parlament zu bringen, wenn die Regierungspartei über mehr als 50% der Mandate verfügt und fest entschlossen ist, alle von der Opposition eingereichten Gesetzentwürfe zu blockieren. Allerdings haben wir zahlreiche öffentliche Beratungen organisiert: In den letzten Monaten haben wir viele Experten – Wissenschaftler, Unternehmer, Juristen – ins Parlament eingeladen, um deren Meinungen über die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Probleme unseres Landes zu hören. Und: Seit den Wahlen hat sich die öffentliche Unterstützung für uns verdreifacht – im Oktober 2015 erhielten wir 7,6% der abgegebenen Wählerstimmen. Wenn heute Wahlen wären, bekämen wir mehr als 20% und würden die zweitgrößte Partei im Parlament. Das ist der beste Beweis für die Qualität unserer Arbeit.

Wie fühlen Sie sich als Vorsitzender der aktuell zweitstärksten polnischen Partei? Wie der Chef eines Startup-Unternehmens? Welche liberalen Lösungswege haben Sie der Politik Polens anzubieten?

Ja… In mancherlei Beziehung ähnelt unsere Partei einem Startup. Wir sind eine Gruppe hochmotivierter und innovativer Leute, die miteinander beschlossen haben, die politischen Amtsinhaber herauszufordern. Unsere politische Agenda basiert auf klassischen liberalen Prinzipien wie einem einfachen und gerechten Steuersystem, einem ausgeglichenen Haushalt, wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen und einer effizienten öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus wollen wir die Qualität unserer Demokratie verbessern, indem wir ein Gesetz zur Modernisierung der Finanzierung der politischen Parteien Polens vorschlagen, wodurch diese auch transparenter würden.

Das Verhältnis zwischen Warschau und Brüssel ist angespannt. Ist aus Ihrer Sicht die Resolution des Europäischen Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit in Polen der richtige Hebel gegen die Maßnahmen der Regierung?

Wir sollten das Urteil der Venedig-Kommission, die diese Fälle gerade prüft, abwarten. Wir wissen auch nicht, wie die polnische Regierung reagieren wird. Die nächsten Schritte werden dementsprechend sein.

Die beiden Nachbarländer Polen und Deutschland sind füreinander wichtige Partner, auch wenn sie momentan in unterschiedliche Richtungen zu gehen scheinen. Wie bewerten Sie die momentanen polnisch-deutschen Beziehungen?

[caption id="attachment_9630" align="alignright" width="482"] Source: flickr/metropolico[/caption] Meine Parei Nowoczesna (Die Moderne) sieht in Deutschland einen der wichtigsten Verbündeten Polens. Ungeachtet von unterschiedlichen Sichtweisen in bestimmten politischen Fragen, sollten wir gemeinsam für eine bessere Europäische Union arbeiten. Es ist von allerhöchster Bedeutung, dass die Integrationskrise erfolgreich überwunden wird. Wenn Deutschland und Polen gemeinsam handeln, ist dies von größerem Nutzen für die gesamte EU. Was die PiS-Regierung in ihrem Verhältnis zu Deutschland macht, halte ich für einen großen Fehler. Teilweise werden aus kleinen Angelegenheiten große Probleme und schaffen völlig unnötige Spannungen. Auf diese Art sollten Politik und Diplomatie nicht betrieben werden. Wenn Nowoczesna die Regierung übernimmt, werden wir das ändern.

Die Flüchtlingskrise spaltet Europa. Wie sollten wir mit den weit rechts stehenden Kräften umgehen, um für die Zukunft ein starkes Europa schaffen zu können?

Das ist sehr schwierig und die zeitgenössischen Medien machen es noch schwerer. Erstens müssen wir die Krise an ihren Wurzeln angehen: Eine friedliche Lösung der Syrienkrise finden und den IS besiegen. Zweitens müssen die Grenzen verstärkt werden. Drittens sollten die EU-Mitgliedsstaaten im Geiste von Solidarität und Loyalität zusammenarbeiten. Nur gemeinsam können wir auf die Krise antworten. Dabei müssen uns immer unserer Werte und ethischen Prinzipien erinnern, wenn es um die Hilfe für echte Flüchtlinge geht. Die EU existiert aufgrund von Werten und weil sie sehr viel erfolgreicher sein kann als einzelne Staaten alleine. Zur Frage, wie wir weit rechts stehenden Bewegungen begegnen sollten: Wenn die EU erfolgreich und mitfühlend ist, gewinnen wir diesen Kampf.. Aber wir müssen den Mut haben, ihn zu führen.

Die Regierung verspricht ein großes Wohlfahrtsprogramm. Ist das der richtige Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern? Was schlagen Sie als Ökonom vor?

Ich befürchte, dass das von der Regierung angekündigte Wohlfahrtsprogramm für die polnische Wirtschaft schädlich sein wird. Es wird die Regierung dazu nötigen, entweder neue Steuern zu erheben (was das Wirtschaftswachstum behindern wird) oder die Staatsverschuldung vergrößern (was auf lange Sicht die wirtschaftliche Stabilität bedroht). Als Ökonom glaube ich, dass der beste Weg, die Bürger Polens wohlhabender zu machen im Wirtschaftswachstum liegt, in Sparsamkeit, Investitionen und Innovationen.

Ihre Heimatstadt Wroclaw (Breslau) ist 2016 “Kulturhauptstadt Europas”. Warum sollten wir Deutschen gerade jetzt nach Polen kommen und die Stadt kennenlernen? Welche Veranstaltungen empfehlen Sie?

[caption id="attachment_9629" align="alignleft" width="640"] Source: flickr/lulek[/caption] Für viele deutsche Touristen ist der einzige Grund, Breslau zu besuchen das deutsche Erbe der Stadt, mit Sehenswürdigkeiten wie der Altstadt, dem Rathaus, der Kathedrale usw. Ich hingegen würde gerne dazu einladen, die Stadt als ein Fenster zu betrachten, durch das man einen Blick auf das moderne Polen werfen kann – ein schnell wachsendes und blühendes Land mit ehrgeizigen Menschen, die wirklich hart arbeiten wollen, um die verlorenen Jahre der kommunistischen Herrschaft aufzuholen und die wirtschaftliche Kluft zwischen unserem und Ihrem Land zu verkleinern. Ich finde es schwierig die „besten“ Veranstaltungen der Europäischen Kulturhauptstadt zu empfehlen – es gibt hunderte – Ausstellungen, Konzerte, Dichtkunstabende usw. Ich glaube, dass jeder für sich etwas Passendes finden wird. Gehen Sie einfach auf die Internetseite, buchen sich ein Hotel und genießen den Besuch!   Dr. Borek Severa, Repräsentant der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Mitteleuropa und die baltischen Staaten