Drei-Meere-Initiative : Die Mitgliedstaaten der Drei-Meere-Initiative im Vergleich

Ihr Verhältnis zur Initiative und welche Rolle China, Russland, die USA und Deutschland dabei spielen

“Es leben 120 Millionen EU Bürger in der Drei-Meere Region und die Drei-Meere-Initiative ist nun ein großer Teil von Europas wirtschaftlichem Wachstum, es ist der schnellst wachsende Teil von Europa“, mit diesen Worten pries Polens Präsident Andrzej Duda beim letzten Treffen der Mitgliedsstaaten am 8./9. Juli 2021 in Sofia die Initiative. Die Drei-Meere-Initiative, welche im August 2016 ins Leben gerufen wurde, verdankt ihre Entstehung tatsächlich den Bemühungen des polnischen Präsidenten Duda und der ehemaligen kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović. Die beiden Präsidenten beabsichtigten mit der Initiative, die nun zwölf Mitgliedsstaaten umfasst – Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Österreich, Kroatien, Rumänien und Bulgarien – Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa zu stärken und die Entwicklung der Länder zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria voranzutreiben.

Der amerikanische Think Tank Atlantic Council lenkte die Aufmerksamkeit der beiden Staatspräsidenten auf das noch nicht ausgeschöpfte wirtschaftliche Potential der Länder, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch abgeschieden vom Westen Europas auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs befanden. Im Vergleich zu Westeuropa hinken einige diese Länder noch heute wirtschaftlich hinterher und leiden oftmals an veralteter Infrastruktur. Um diese wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb Europas zu minimieren, soll die Drei-Meere-Initiative Kooperation in Mittel- und Osteuropa stärken und notwendigen Investitionen in die Infrastruktur des Energie-, Transport- und digitalen Sektors fördern. Hierbei liegt der Fokus vor allem auf dem Ausbau der Nord-Süd Infrastruktur, welche der europäischen Ost-West-Achse um Jahre hinterher ist. Durch den Ausbau der Infrastruktur will man besonders Investoren anlocken und somit die wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Region steigern.

Im Groben verfolgt die Drei-Meere-Initiative die folgenden sechs Ziele: wirtschaftliches Wachstum, Investitionswachstum, Energiesicherheit, Stärkung geopolitischer Interessen, digitale Weiterentwicklung und Klimaschutz. Zur Umsetzung dieser Ziele wurde im Rahmen der Drei-Meere-Initiative ein Investment Fund eröffnet. Dieser soll helfen die gemeinsamen makro-regionalen Projekte der Initiative zu finanzieren. 51% der Projekte, die von der Initiative unterstützt werden, können dem Transportsektor zugeordnet werden. 32% der unterstützen Projekte zielen auf Energie ab, und nur 17% der Drei-Meere Projekte fördern den digitalen Sektor.

Während die Absichten und Ziele der Drei-Meere-Initiative lobenswert sind, stellen sich einige Mitgliedsstaaten die Frage, ob die Initiative tatsächlich im Stande ist, solche ambitionierten Ziele erfüllen zu können. Außerdem äußern einige europäische Staaten des Öfteren Bedenken, ob das Forum im Einklang mit der Europäischen Union ist oder vielmehr einen Keil zwischen die westlichen und östlichen Mitgliedsstaaten der EU treibt. Offiziell soll die Initiative komplementär und nicht konkurrierend zur EU existieren. Die Initiative soll keine interstaatliche Organisation sein mit der Absicht die EU zu untergraben, sondern ein informelles Forum für Staaten, die bilaterale und multilaterale sub-regionale Beziehungen auf EU Ebene verbessern möchten. Doch die Tatsache, dass die Initiative von Polens EU-skeptischem Präsidenten Duda initiiert wurde, sorgt für Skepsis und Mistrauen unter EU Ländern – vor allem Tschechien zeigte sich anfangs skeptisch gegenüber den Bestrebungen der Drei-Meere-Initiative.

Tatsächlich ist das Verhältnis der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Initiative keineswegs das Gleiche. Die Mitglieder unterscheiden sich nicht nur in ihren Erwartungen und Interessen, sondern auch im Ausmaß ihrer Unterstützung und ihrem Verständnis davon, welche Rolle wichtige Mächte wie Russland, China, die USA und Deutschland bei dieser Initiative spielen sollen. Die Ankündigen des amerikanischen Staatssekretärs Michael Popeo bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2020, eine Milliarde Dollar in die Entwicklung der Länder der Initiative zu investieren, verdeutlichte das Interesse, das die USA an einer Stärkung der Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa hat. Dieses Versprechen verstärkte wiederum das Interesse Ungarns an der Drei-Meere-Initiative. Keinesfalls handelt es sich bei der US-Amerikanischen Unterstützung jedoch um Altruismus; vielmehr spielen hier geostrategische Überlegungen eine Rolle, da die USA ihren hegemonialen Stand in der Welt schützen möchte.

Jedoch verfolgen auch China und Russland das Ziel, ihren Einfluss in diesem Teil Europas auszubauen. Primär aus diesem Grund haben sich die zwölf Staaten in der wirtschaftlichen und politischen Initiative wiedergefunden. Die Länder dieser Region, die zum Großteil von russischer Energie abhängig sind, sehnen sich nach Unabhängigkeit von dem Staat, der diese Abhängigkeit bereits öfters in der Vergangenheit zur Erpressung nutzte, um die eigenen nationalen Interessen zu verfolgen. Besonders Polen, Litauen, Lettland, Estland und Rumänien erkennen die Notwendigkeit der Stärkung der strategischen Partnerschaft mit dem Westen und vor allem der USA.

Ein Vergleich der Mitgliedsstaaten der Drei-Meere-Initiative in Bezug auf deren Erwartungen und Meinungen zu der Initiative, und ihr Verhältnis zu Deutschland, der USA, China und Russland soll Klarheit über die Bestrebungen und die Zukunft der Initiative schaffen. Die folgenden Artikel bieten einen Überblick über das Verhältnis der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Initiative. Interviews mit zwölf jeweiligen länderspezifischen Spezialisten ermöglichen zusätzlich einen tieferen Einblick in diese Beziehungen.

Über die Autorin:

Valerie Kornis ist Praktikantin im Projektbüro Mitteleuropa und Baltische Staaten. Sie absolvierte ihren Bachelor of Science in International Relations and Organisations an der Universiteit Leiden in den Niederlanden und spezialisiert sich nun auf Menschenrechte mit einem Master in Human Rights and Humanitarian Action an der Sciences Po in Paris.