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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wichtige Weichenstellungen
Epochale Entscheidungen!

Eine Woche der Weichenstellungen liegt hinter uns - sicherheitspolitisch, wirtschaftspolitisch, finanzpolitisch. Alle drei sind richtig.
NATO Madrid

Von links, die Premierministerin von Estland, Kaja Kallas, der französische Präsident Emmanuel Macron, der Bundeskanzler Olaf Schulz, und der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis beim NATO-Treffen in Madrid.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Christophe Ena

Und da sage mal einer, die Politik sei entscheidungsschwach. Das Gegenteil ist der Fall. Denn zur Mitte des Jahres 2022 gab es in der NATO, in der Europäischen Union und in Deutschland drei fundamentale Weichenstellungen, die über Jahrzehnte Bedeutung haben werden.

Da ist zunächst - und am wichtigsten - die Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO. Sie wird Europa verändern: Schweden gibt eine rund 200-jährige Tradition der Neutralität auf, die selbst noch im Zweiten Weltkrieg aufrechterhalten wurde. Finnland löst sich endgültig aus jener Aura des russischen Drohpotenzials, das zum strategischen Einmaleins der Sowjetunion gehört hatte - mit dem Begriff „Finnlandisierung“ als sarkastischem oder zynischem Ausdruck dafür. Ein gewaltiges Erdbeben der europäischen Sicherheitsarchitektur, das weitreichende strategische Folgen hat: Die Ostsee wird militärisch eine Art „mare nostrum“, die technologisch hervorragend ausgerüsteten Verteidigungsarmeen Schwedens und Finnlands sind künftig Teil der NATO, deren Bereitschaft zur Erfüllung der NATO-Budget-Ziele tut ihr Übriges. Wohl wahr, Russland betrachtet all dies als aggressive NATO-Erweiterung nach Osten. Aber es ist allein Ergebnis des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Ohne ihn wäre die NATO-Erweiterung unterblieben, oder nicht? Selten hat es eine schnellere und kosequentere Reaktion der "Nachrüstung" gegeben als bei dieser Erweiterung der NATO. Putin hat das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte.


Wirtschaftspolitisch brachte die Woche eine Grundsatzentscheidung für die technologische Offenheit. Das EU-Parlament hat entschieden, dass 2035 die Klimaneutralität der Kfz-Mobilität nicht zwingend über ein Verbot des Verbrennungsmotors durchgesetzt wird, sondern alternativ über synthetische Kraftstoffe für diesen Motortyp. Das klingt technisch, ist aber von überragender praktischer Bedeutung: CO2-Neutralität kann in Zukunft über ganz unterschiedliche Wege avisiert werden - einerseits über den Elektromotor und andererseits über die synthetischen Kraftstoffe für den Verbrenner. Eine innovationsoffene Alternative: let the race begin! Wer gewinnt, entscheidet die Marktwirtschaft. Und so muss es auch sein: Warum sollte der Staat technologische Optionen verbieten, statt ihnen eine Chance im Wettbewerb zu geben?

Finanzpolitisch hat Bundesfinanzminister Christian Lindner einen im wesentlichen ausgeglichenen Haushalt angekündigt - mit 17 Milliarden Euro Neuverschuldung 2023 nach den 140 Milliarden Euro, die noch 2022 nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie zu Buche schlugen. Bis vor Kurzem hat dies kaum jemand für möglich gehalten. Aber es funktioniert, die Rückkehr zur Stabilität. Ein überaus wichtiges Signal an die Finanz- und Kapitalmärkte, wo sich schon in den letzten Wochen Nervosität breitmachte, vor allem bei unseren südeuropäischen Nachbarn. Die Botschaft lautet: Deutschland steht stabil wie sein Ruf. Das ist auch wichtig für den Marktwert des Euro und damit die Zukunft Europas.

Kurzum: Die Woche gibt Hoffnung. Selbst in den schlimmsten Zeiten lassen sich Wege finden, Auswege aus der Krise zu weisen. Die Politik muss nur den Mut haben, sie durchzusetzen.