CORONA-POLITIK
Beim Infektionsschutzgesetz sind weitere Klagen programmiert

Das Herumdoktern an Vorschriften verschärfe nur die rechtlichen Komplikationen, meint Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur „Bundes-Notbremse“.
Tobias Koch
© Tobias Koch

Nach einem Jahr „auf Sicht“ verharrt die Pandemiepolitik des Bundes im Dauer-Lockdown. Mal härter, mal weniger hart. Mit einer Bundes-Notbremse plant die Große Koalition nun, die Länder im Kampf gegen Corona vorzuführen. 

Das wirft Fragen auf: Ist es die Schuld sich „Öffnungsorgien“ hingebender Ministerpräsidenten, dass die Infektionszahlen steigen? Warum erreicht dann das von Markus Söder mit harter Hand regierte Bayern immer wieder neue Rekordstände? Ist es sinnvoll, die Menschen mit Ausgangssperren in Innenräume zu zwingen, obwohl führende Aerosolforscher genau dort die Infektionsherde ausmachen? 

Die Sicht auf das Infektionsgeschehen bleibt trübe, anders lassen sich die neuesten Vorschläge nicht interpretieren. Angesichts dieser Pandemiepolitik auf tönernen Füßen sind weitere Klagen programmiert.

Seit Beginn der Pandemie sind über 10.000 Verfahren bei Gerichten anhängig. Immer wieder sind unklare und unbestimmte Rechtsgrundlagen das Problem. Das Herumdoktern an den im Verlaufe der Pandemie hinzugekommenen (handwerklich schlechten) Vorschriften im Infektionsschutzgesetz verschärft die rechtlichen Komplikationen.

Mehrere Gerichte haben bereits Ausgangssperren aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat erst vor wenigen Tagen das Argument der vorliegenden Gesetzesbegründung zurückgewiesen, wonach nächtliche Ausgangssperren vor allem der Durchsetzung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen dienen. Das Gericht weist darauf hin, dass es Aufgabe des Staates ist, Regelungen zunächst selbst mit allen zumutbaren Mitteln durchzusetzen. 

Die Gerichte werden auch darüber zu entscheiden haben, ob in bestimmten Branchen nahezu ein Jahr andauernde Berufsausübungsverbote ohne Entschädigungsregelungen zulässig sein können oder ob sie mit fortschreitender Dauer die Rechte der Geschäftstreibenden und Kulturschaffenden zu wenig berücksichtigen. 

Die Bundesregierung sollte nicht vergessen, dass die Menschen in Deutschland freie Bürger sind.

 

 

Der Beitrag erschien am 13. April im Handelsblatt und ist auch hier zu finden