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200 Jahre Wartburgfest
200 Jahre Wartburgfest

Liberale Stichtage des Archivs des Liberalismus
Zug der Studenten auf die Wartburg 1817 / Zeitgenössischer Stahlstich eines unbekannten Meisters aus dem 19. Jh.

Zug der Studenten auf die Wartburg 1817 / Zeitgenössischer Stahlstich eines unbekannten Meisters aus dem 19. Jh.

Die Erinnerung an die Feier auf der nahe dem thüringischen Eisenach gelegenen Wartburg ist durchaus zwiespältig. Etwa 500 Studierende aus ganz Deutschland, vorwiegend aus protestantischen Regionen, versammelten sich am 18. und 19. Oktober 1817 zum vierten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig und erinnerten zugleich an das 300. Jubiläum der Reformation.

Die Forderungen nach Einheit und Freiheit waren damals mehr als berechtigt. Denn nur rund zwei Jahre zuvor war es auf dem Wiener Kongress nicht gelungen, einen deutschen Einheitsstaat zu gründen. Stattdessen wurden die Hoffnungen vieler deutscher Patrioten mit einem Deutschen Bund abgespeist, der nur wenige bundesstaatliche Elemente aufwies und im wesentlichen ein Staatenbund von 41 Fürstentümern und Stadtstaaten war. Und was die Freiheitserwartungen der liberalen Zeitgenossen anging, so wurden diese gleichfalls enttäuscht, denn das "System Metternich" verfolgte - besonders mit den sogenannten Karlsbader Beschlüssen von 1819 - einen restaurativen politischen Kurs, der die Presse unterdrückte und studentische Aktivitäten (wie diejenigen auf dem Wartburgfest) unter Beobachtung stellte.

Auch die Wartburgfeier selbst zeigte ein ambivalentes Bild. Reden, die sich für Freiheitsrechte und die Einigung der deutschen Staaten aussprachen, kontrastierten mit antisemitischen Ausfällen, und die Feier eskalierte schließlich in einer spektakulären Bücherverbrennung, die insbesondere von Heinrich Heine scharf verurteilt wurde. Schließlich weist auch die Erinnerung an die Wartburgfeier vielfältige und zum Teil gegensätzliche Aspekte auf. Zunächst wurden die Forderungen von Einheit und Freiheit von den Liberalen breit rezipiert und beim Hambacher Fest von 1832 aufgegriffen. Nach 1945 spaltete sich die deutsche Erinnerungskultur über das Ereignis von 1817: In der DDR wurde in einer Aneignung des positiven Erbes der deutschen Geschichte an die Wartburg erinnert, zwar wurden die negativen Seiten diskutiert, aber das Aufbegehren gegen den "feudalen" Staat wurde gelobt. Dagegen tat sich die westdeutsche Öffentlichkeit und auch die Geschichtsschreibung stets schwer mit den antisemitischen Auslassungen und der Bücherverbrennung.

Für die Liberalen ist das Wartburgfest deshalb bis heute ein schwieriger Erinnerungsort. Es als "Meilenstein auf dem Weg zu einer deutschen Demokratie" zu würdigen, ist - wie auch Gustav Seibt meint ("Freiheitsdrang und Feuerstank", Süddt. Zeitung, Nr. 237, 14./15.10.2017) - nicht zu haben, ohne zugleich auf die Schattenseiten des Ereignisses vor 200 Jahren hinzuweisen.