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Liberale Stichtage
17.06.2014 – Liberale Stichtage: 5. Todestag von Ralf Dahrendorf

Als Ralf Dahrendorf kurz nach seinem 80. Geburtstag nach langer schwerer Krankheit verstarb, wurde er als „Epochengestalt des Liberalismus“ gewürdigt. Dabei war sein Engagement für den organisierten Liberalismus eigentlich nur kurz, dafür aber sehr intensiv.

In den zwei Jahren zwischen 1968 und 1970 vertrat er die FDP im baden-württembergischen Landtag, im Bundestag und als Parlamentarischer Staatssekretär in der Bundesregierung, zugleich gehörte er dem Bundesvorstand an. Doch eine wirkliche parteipolitische Karriere wurde bereits mit dem Wechsel als EG-Kommissar nach Brüssel unterbrochen und endete spätestens vier Jahre danach mit der Übernahme der Leitung der angesehenen London School of Economics.

Auch wenn Ralf Dahrendorf später einige Jahre an der Spitze der Friedrich-Naumann-Stiftung stehen und für die britischen Liberal Democrats im Londoner House of Lords sitzen sollte, war seit Mitte der 1970er Jahre klar, dass der Ausflug in die Tagespolitik eine Episode seiner Biographie bleiben sollte; diese stand vor 1968 und nach 1974 ganz im Zeichen der Wissenschaft resp. des Wissenschaftsmanagements.

Aber gerade der Soziologe und politische Denker hatte vor und nach seinem parteipolitischen Engagement großen Einfluss auf die liberale Welt, so dass er im Ausgang des 20. Jahrhunderts als einer der größten Vordenker des Liberalismus galt – mit Ansehen und Ausstrahlung weit über die Welt der liberalen Parteien hinaus. Dabei ließ er, der zunächst von den Linksliberalen vereinnahmt wurde und sicherlich erheblich zum programmatischen Wandel der FDP während der 1960er Jahre beitrug, sich vor allen in seinen späteren Jahren keiner Denkschule ohne weiteres zuordnen.

Dies war einerseits in Dahrendorfs doppelter Verankerung in der angelsächsischen und in der kontinentaleuropäischen Welt begründet, lag zum anderen aber auch an seinen recht unorthodoxen, oft weit vorauseilenden Denkansätzen. Nicht nur für viele Liberale stellt das ebenso umfangreiche wie vielseitige Oeuvre von Ralf Dahrendorf, der 1993 von der britischen Queen geadelt wurde, bis heute eine unerschöpfliche Quelle zum Nach- und Vordenken über den Liberalismus dar.
 

Liberale Stichtage - mit dieser Serie erinnert das Archiv des Liberalismus in unregelmäßigen Abständen an Ereignisse und Personen aus der Geschichte des deutschen Liberalismus.