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Unbequeme Fragen stellen, statt auszuweichen

Unsere Lambsdorff-Stipendiatin, Kristina Kämpfer, über ihr Promotionsvorhaben

Mit ihren 27 Jahren hat Kristina Kämpfer einen beeindruckenden Lebenslauf. Sie studierte in Berlin und Frankfurt Politikwissenschaft und Politische Theorie, hat in Oxford ihren Master in Women’s Studies mit Auszeichnung abgeschlossen. Jetzt promoviert die junge Frau zum Thema "Failure of Regulation or Regulation of Failure? Gender Transformations and the 2007 – 2009 Financial Crisis" und hat dafür eines der renommierten "Stipendien der Freiheit" ergattert, die die Stiftung seit diesem Jahr ausschreibt: Das Lambsdorff-Stipendium.  

In ihrer Promotion stellt sie sich die Frage, ob  die Finanzkrise von 2007 einen Wendepunkt in der Geschichte der Finanzindustrie markiert, indem sie nicht nur die Tür für mehr Regulierung, sondern auch für mehr Frauen öffnete. Dabei wertet sie Interviews aus, die Aufschluss über die Erwerbsbiographien von Frauen im Finanzsektor in London und Frankfurt geben. Auf freiheit.org verrät uns Kristina Kämpfer, was es mit diesem Thema auf sich hat, und was sie persönlich mit dem Namensgeber ihres Stipendiums, Otto Graf Lambsdorff, verbindet. 

Kristina, welchen Aspekt deines Themas findest du am Spannendsten?

Während meines Masterstudiums der Women’s Studies in Oxford wurde sehr viel Wert auf Methodik gelegt. Was bedeutet es, wenn beispielsweise unsere Geschichtsbücher fast ausschließlich von Männern und dann auch noch über Männer geschrieben wurden? Und warum ist diese Frage für aktuelle Debatten, wie sie etwa über die Quote in Führungspositionen geführt werden, von Bedeutung? Mir ist es sehr wichtig, die Geschichten von Frauen zu erzählen. Zugleich stellt die Aufgabe des Zuhörens auf meiner Seite den spannendsten Teil meiner Studie dar, weil ich dadurch so viele beeindruckende Persönlichkeiten kennen und von Ihnen lernen darf. Zugleich ist sie zentral für meine Forschung:  Ich bin davon überzeugt, dass auf dem Weg in eine geschlechtergerechtere Gesellschaft vor allem erst einmal denen Gehör verschafft werden muss, die bisher ungehört blieben und wenig Raum zum Sprechen hatten – das sind vor allem Frauen. Wenn wir uns dann in der Diskussion um konkrete Maßnahmen der Frauenförderung auf diese Erfahrungsberichte stützen, bin ich sicher, dass wir dem Ziel, Menschen nicht länger aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren, näherkommen ohne dabei die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Kristina Kämpfer

Kristina Kämpfer

© Kristina Kämpfer

Wie kam es dazu, dass du dir dieses Thema ausgesucht hast und was versprichst du dir von deinem Forschungsergebnis?

Zu meinem Thema bin ich durch eine Reihe von Zufällen gekommen, die erst rückblickend eine rote Linie darstellen. In meinem Grundstudium habe ich hauptsächlich politische Theorie studiert, woraus der Wunsch entstand, das Gelernte in der Praxis anzuwenden, um so Grenzen sowie potentielle Anknüpfungspunkte für Erweiterungen auszuloten. Zu dieser Zeit lebte ich außerdem in Frankfurt, sodass ich mit dem Bankensektor im Alltag immer wieder konfrontiert wurde. Als mir dann das Buch ‚Capital Culture’ der damals in Oxford ansässigen Geographieprofessorin Linda McDowell in die Hände fiel und ich nach vergleichbaren Studien für Deutschland suchte, fiel mir auf, dass es da eine Forschungslücke gibt. Außerdem war ich als liberal denkender Mensch schon immer daran interessiert, feministische Antworten außerhalb des linken Mainstreams zu suchen, der zumindest im deutschsprachigen Raum die Geschlechterforschung dominiert. Nicht zuletzt stellt der Finanzsektor ein spannendes Studienfeld dar, da Frauen erst in der Zeit nach 1968 den beruflichen Zugang gewannen und somit momentan die ‚erste’ Generation in den Führungsetagen ankommt – oder anzukommen versucht (Stichwort Glass Ceiling).

Von meiner Forschung verspreche ich mir sehr viel, denn das Thema Geschlechtergerechtigkeit stellt meiner Meinung nach eine der, wenn nicht die zentrale gesellschaftliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Der politische Druck auf Unternehmen wächst, wie die Einführung der Frauenquote für Aufsichtsräte und Führungspositionen zeigt. Es ist also an der Zeit eine Antwort auf die Frage zu finden, warum wir heutzutage noch immer so wenige Frauen in Positionen von Verantwortung haben, wenngleich sie durch die Bildungsexpansion mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen und formal in den meisten Bereichen gleichgestellt sind. Verkompliziert wird das Bild dadurch, dass in den letzten Jahren Entwicklungen zu beobachten sind, welche in der Geschlechterforschung unter dem Begriff Postfeminismus gefasst wird. Insbesondere junge Frauen, deren selbstbestimmtes Leben auf den Errungenschaften der Frauenbewegung fußt, reduzieren den Feminismus auf eine, veraltete Version, die für sie keinerlei Relevanz mehr hat und lehnen ihn in Teilen sogar aktiv und vehement ab. Statt jedoch auf einfache Erklärungsmustre, Stereotypen und Geschlechterrollen zurückzugreifen, möchte ich die Strukturen, innerhalb derer sich Individuen bewegen, studieren und verstehen, warum Frauen in der Entfaltung ihrer individuellen Freiheit noch immer eingeschränkt werden und damit einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft gerechter wird.

Du wirst mit dem Lambsdorff-Stipendium gefördert. Welche Verbindung hast du zu Otto Graf Lambsdorff?

Ich verbinde mit Otto Graf Lambsdorff zweierlei: Das Plädoyer für eine undogmatische und liberale Wirtschaftspolitik sowie das Verständnis von Bildung als Befähigung zum kritischen Denken. Beides lässt sich mit meinem Promotionsprojekt verknüpfen, auch wenn dafür – zumindest auf den ersten Blick – ein wenig um die Ecke gedacht werden muss. Feminismus stellt für mich eine Denkübung dar und erlaubt es mir unbequeme Fragen zu stellen statt diesen auszuweichen. Weiterhin habe ich während meines Studiums in Oxford gelernt, dass Geschlechterwissenschaft sehr gut aus liberaler Perspektive gedacht werden kann. Statt einer pauschalen Kritik eines leeren Neoliberalismusbegriffes zu verfallen, möchte ich die ökonomischen Zwänge und Möglichkeiten, unter denen arbeitende Frauen stehen bzw. haben, im Detail erforschen und verstehen. Lambsdorffs wirtschaftspolitische Ansichten können dabei sowohl als kritischer Gegenpol sowie als mahnende Erinnerung an einen wirtschaftsliberale Ordnungspolitik verstanden werden können.

Warum sollten sich Promovierende entschieden, sich für die Stipendien der Freiheit zu bewerben?

Eine Beschäftigung mit liberalen Denkern und ihren Ideen ist in jedem Fall bereichernd – dies dann noch in kleiner Runde mit einem ausgewählten Kreis aus Stipendiaten und Stipendiatinnen zu tun, erlaubt ein besseres Kennenlernen und eine bessere Unterstützung untereinander. Denn Denken geschieht nur in Gemeinschaft durch die Diskussion und den Austausch von Ideen. Weiterhin erlauben die Stipendien der Freiheit die Vernetzung über die stipendiatische Gemeinschaft hinaus und das scheint mir für jeden und jede, die sich dem Liberalismus verbunden fühlt, gewinnbringend.

Hast auch DU Interesse an einer Förderung durch die Stipendien der Freiheit? Alle Infos gibt es hier: