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Die Angst vor den Halbzeitwahlen

Kommende Woche starten die ersten Vorwahlen zu den Midterm Elections in den USA
Midterm Elections

Die Midterm Elections sind in den USA immer für eine Überraschung gut

© GettyImages/ adamkaz

Rund vierzehn Monate nach der Amtseinführung von Donald Trump befinden sich die USA schon wieder im Wahlkampfmodus. Am 6. November dieses Jahres stehen die „Midterm Elections“ an, die immer zur Halbzeit einer Präsidentschaft anstehen. Die Geschichte lehrt uns, dass die „Midterm Elections“ für die Partei, die im Weißen Haus regiert, sehr gefährlich werden können.

Im Repräsentantenhaus stehen alle 435 Sitze, im Senat 34 von 100 Sitzen zur Wiederwahl. Zudem werden 39 Gouverneursposten sowie zahlreiche Landtags- und Kommunalämter vergeben. Den Startschuss gibt Texas, wo am 6. März die ersten Vorwahlen stattfinden.
Auch für den nicht zur Wahl stehenden U.S.-Präsidenten ist die Halbzeit von zentraler Bedeutung. Für gewöhnlich muss die Partei des Präsidenten eine Niederlage einstecken. Dieser Trend begann bereits während des amerikanischen Bürgerkrieges im 19. Jahrhundert (1861 – 1865) und hat sich über die Jahre verfestigt. Seit 1862 hat die Partei des amtierenden Präsidenten im Durchschnitt 32 Sitze im Repräsentantenhaus und zwei Sitze im Senat an die Oppositionspartei verloren.

Die Halbzeitwahlen während der zweiten Amtszeit eines Präsidenten gelten als besonders riskant. Politikwissenschaftler bezeichnen dieses Phänomen als „six-year-itch“, also das „verflixte sechste Jahr“ des Präsidenten. Während der zweiten Amtszeit sehen sich Präsidenten oft mit sinkenden Zustimmungswerten konfrontiert. Die Wähler zeigen sich enttäuscht aufgrund nicht eingehaltener Wahlversprechen und die Sehnsucht nach einem Politikwechsel wächst. Die Ergebnisse der Halbzeitwahlen gelten daher oft als Stimmungsbild für die Politik des Präsidenten.

Flüche der Vergangenheit

1938 – Wähler enttäuscht von Franklin D. Roosevelts Wirtschaftsagenda

Am Vorabend der Halbzeitwahlen des Jahres 1938 rief der demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt die Wählerinnen und Wähler dazu auf, zusammenzurücken. In Zeiten, in denen sich die Gefahr eines Krieges in Europa abzeichnete, „sollten wir uns daran erinnern, dass wir in diesen tapferen Tagen der Weltpolitik auf innere Einigkeit und nationale Einheit setzen müssen.“ Trotz seiner emotionalen Rede strafte die Wählerschaft Roosevelt und seine Partei ab. Die Demokraten verloren 72 Sitze im Repräsentantenhaus und sieben Sitze im Senat. Ihre Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses konnten sie aber verteidigen. Dennoch nutzten die Wählerinnen und Wähler die Wahlen, um ihren Frust über den „New Deal“, eine Reihe von Wirtschafts- und Sozialreformen, die die Demokraten als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise durchsetzen, auszudrücken. Auch die hohe Arbeitslosigkeit trug zur Unbeliebtheit von Präsident Roosevelt bei.

1950 – Einschneidende Verluste für Truman

Die Halbzeitwahlen des Jahres 1950 fanden während Harry Trumans zweiter Amtszeit statt. Wenige Monate zuvor war der Koreakrieg ausgebrochen, in dem die Vereinigten Staaten die südkoreanischen Truppen unterstützten. Die Zustimmungswerte des Präsidenten sanken daraufhin rapide und die Demokraten mussten im Kongress dafür büßen. 28 Mandate im Repräsentantenhaus und fünf Mandate im Senat gingen an die Republikaner. Die Mehrheiten konnte man den Demokraten jedoch nicht streitig machen.

1986 – Reagans Republikaner verlieren Senat an Demokraten

Im Jahr 1986 rief der republikanische Präsident Ronald Reagan die Amerikanerinnen und Amerikaner dazu auf, zahlreich an die Wahlurne zu gehen. Es läge in ihren Händen, den Kongress entweder an die Demokraten abzugeben oder die konservative Agenda voranzutreiben. Doch der „six-year-itch“ zeigte seine volle Wirkung. Während Reagans zweiter Amtszeit gewannen die Demokraten acht Mandate im Senat hinzu und errangen die Mehrheit. Auch im bereits demokratisch geführten Repräsentantenhaus konnten sich die Demokraten fünf weitere Mandate sichern und ihre Mehrheit ausbauen.

1994 -  Republikanische Revolution trifft Clinton

Präsident Clinton musste gar nicht erst auf das verflixte sechste Jahr warten. Er bekam den Zorn der Wählerschaft bereits während seiner ersten Amtszeit zu spüren. Die „Midterm Elections“ des Jahres 1994 führten zu dramatischen Verlusten der Demokraten. Die Republikaner sicherten sich die Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses sowie die Mehrheit der Gouverneursposten, die zur Wahl standen. Das erste Mal seit 1952 hatten die Republikaner im Repräsentantenhaus wieder das Sagen. Diese Halbzeitwahl ging als „Republican Revolution“ in die Geschichtsbücher ein. Ausschlaggebend für die Wahlpleite waren eine Reihe von Skandalen im demokratischen Establishment sowie der missglückte Versuch Clintons, eine Gesundheitsreform mit einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht einzuführen.

2006 – Demokratische Welle überschwemmt Republikaner

Kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erfreute sich Präsident George W. Bush steigender Zustimmungswerte. Die Amerikanerinnen und Amerikaner vertrauten darauf, dass er die Sicherheit des Landes wiederherstellen würde. Doch nur fünf Jahre später ging es angesichts des umstrittenen Irak-Krieges mit der Beliebtheit des republikanischen Präsidenten zu Ende. Bei den Halbzeitwahlen in 2006 mussten die Republikaner 30 Sitze im Repräsentantenhaus und damit auch ihre Mehrheit einbüßen. Auch im Senat konnten die Demokraten mit der Unterstützung von unabhängigen Abgeordneten eine knappe Mehrheit erlangen.

2010 und 2014 – Republikaner erobern Kongress

Im Jahr 2010 musste sich Barack Obama erstmalig der „Midterm“ Herausforderung stellen. Der wachsende Einfluss der konservativen „Tea Party“ und der Widerstand gegen Obamas eingeführte Gesundheitsreform endeten im Siegeszug der Republikanischen Partei. Im Repräsentantenhaus gewann sie 63 Mandate hinzu und stellte damit die Mehrheit. Im Senat konnten sich die Republikaner sechs weitere Mandate sichern, blieben aber in der Opposition. Ferner gingen 29 von 50 Gouverneursposten an Republikaner sowie die Mehrheit in 26 Landesparlamenten. Obama kommentierte die Verluste wie folgt: „Einige Wahlabende machen mehr Spaß als andere. Manche sind berauschend; manche sind demütigend. Diese Wahl aber war eine komplette Niederlage.“

Noch dramatischer verlief der Wahltag vier Jahre später. Die Halbzeitwahlen 2014 brachten überwiegend Gewinne für die Republikaner, die neben der Mehrheit im Kongress auch noch die Mehrheit im Senat erringen konnten. Diese „wave elections“ von 2010 und 2014, wie sie von Politikwissenschaftlern bezeichnet werden, führten dazu, dass Obama im Repräsentantenhaus keine Gesetze mehr ohne die oppositionellen Republikaner verabschieden konnte.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Auch wenn sich über die Jahre ein Trend abgezeichnet hat, gibt es selbstverständlich Ausnahmen. So gelang es den Demokraten während Roosevelts erster Amtszeit inmitten der „Great Depression“, in beiden Kammern des Kongresses Mandate hinzuzugewinnen. Auch 2002 konnten die Republikaner unter George W. Bush Gewinne verbuchen und Bill Clintons Demokraten behaupteten sich 1998 trotz der Lewinsky-Affäre. Eine Niederlage für die Partei des Präsidenten ist also nicht zwingend ausgemacht. Dennoch unterschätzen die Republikaner die möglichen Auswirkungen der anstehenden Halbzeitwahlen nicht. „Die Geschichte besagt, dass wir die Mehrheiten verlieren werden“, sagt Cory Bliss vom republikanischen „Congressional Leadership Fund“. „Unser Job ist es, der Geschichte zu trotzen.“

Auch die Demokraten wissen, dass sie sich nicht vollends auf die Trends aus der Vergangenheit verlassen können. „Das Problem ist, dass Trump innerhalb der Republikanischen Partei immer noch sehr beliebt ist, ob einem das nun gefällt oder nicht“, fasst der demokratische Abgeordnete Tim Ryan die Situation zusammen. Wollen die Demokraten in diesem Jahr die Mehrheitsverhältnisse im Kongress kippen, müssten sie mindestens 24 Mandate im Repräsentantenhaus und zwei Mandate im Senat hinzugewinnen.

Das Transatlantische Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird die Halbzeitwahlen verfolgen und in regelmäßigen Abständen über die Entwicklungen und Erfolgsaussichten der Kandidaten und Parteien berichten.

Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.