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Der Staat denkt nur an sich selbst

Unser Vorstandsvorsitzender Wolfgang Gerhardt dazu, was die Regierung tun muss, um Freiheit und Wohlstand zu sichern
Für Freiheit und Wohlstand ist eine gute Bildungspolitik essentiell.

Für Freiheit und Wohlstand ist eine gute Bildungspolitik essentiell.

© iStock/Kollektion/gpointstudio

Dieser Artikel erschien erstmals am 15. Dezember 2017 in der Printausgabe der Welt

Man hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit aller Nachhaltigkeit der Pflege des Waldes gewidmet, gesundes Essen propagiert, ganze Milieus haben ihre Eitelkeiten gepflegt. Freiheit und Wohlstand hielt man für verfassungsrechtlich gesichert. Es gibt aber keine Nichtverschlechterungsgarantie. Man fragt sich unwillkürlich, was denn passieren würde, wenn die gegenwärtig doch ganz erfolgreiche deutsche Wirtschaft nicht mehr so automatisch glattlaufen würde.

Es gilt, eine Regierung zustande zu bringen, die wieder ein wirkliches Bewusstsein für die wichtigen soziokulturellen Grundlagen für Freiheit und Wohlstand beherzigt. Und deshalb gilt für die Verhandler einer großen Koalition, was für die Verhandler von Jamaika galt: Soziale Sicherheit ist nicht von einer Verteilungsmaschinerie allein zu sichern. Sie bedarf neben einer vernünftigen Wirtschaftspolitik vor allem (und mehr denn je) einer guten Bildungspolitik. Die skandinavischen Länder zeigen, dass Bildungspolitik ein integraler Bestandteil der Politik zur sozialen Sicherheit ist. Ihre Tradition ist darauf ausgerichtet, sowohl in individuelle Bildung als auch in die Absicherung gegen Risiken eines Lebenslaufs zu investieren. Sie geben ihren Bürgerinnen und Bürgern ein stärkeres Potenzial für die Entfaltung eigener Möglichkeiten. Für sie ist Statuserwerb gleichzeitig ein hohes Niveau garantierter Lebensqualität.

Verglichen mit dieser Grundeinstellung hat Deutschland seinen Schwerpunkt eindeutig in der Staatssicherung gesetzt. Das ist eine wenig innovative Wohlfahrtsauffassung und scheint als Zukunftskonzept nicht besonders tragfähig zu sein. Es geht nicht allein um Schulformen. Auch nicht allein um Digitalisierung. Sie ist aber eben mehr als nur Mittel im Unterricht. Sie wird unser Leben mitbestimmen und man muss lernen, mit ihr umzugehen. Die Qualität des Unterrichts schließt eben auch Lebenstüchtigkeit ein. Und gleichzeitig auch Begegnung mit unserem Wissen. Das eine gegen das andere herablassend auszuspielen, wäre falsch. Die zivilisatorische Mitgift von Elternhäusern ist mitentscheidend. Leistungs- und Lernbereitschaft sind keine Körperverletzung. Sie sind Grundlage eigener Autonomie, eigener Individualität und eigenen Selbstvertrauens.

Es muss Interesse geweckt, es muss Frustrationskontrolle gelernt werden, Durchhaltefähigkeit und Wissen. Wer die soziale Relevanz des Lernens begreift, dem macht es Freude. Wer das nicht vermitteln kann, der sollte den Lehrberuf meiden. Wer diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die es können, als Eltern nicht unterstützt, macht einen schweren Fehler. Es geht in der Diskussion um Bildungsföderalismus nicht um das verfassungsrechtliche Hausgut der Länder. Es geht schlicht um einfache Zusammenarbeit, dort wo sie gewünscht wird. Wer wie die Ministerpräsidenten Seehofer und Kretschmann das im Grundgesetz niedergelegte Kooperationsverbot erhalten wissen will, der spiegelt eher die Schwäche seiner eigenen Bildungspolitik. Es erscheint doch geradezu absurd, Zusammenarbeit untersagen zu wollen, weil man sie fürchtet.