Ecuador
Wahlentscheidung in Ecuador: Noboa triumphiert

Daniel Noboa hat die Präsidentschaftswahl in Ecuador gewonnen.
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Cesar MunozZum dritten Mal in nur vier Jahren hat das ecuadorianische Volk die Rückkehr des Correísmo abgelehnt – diesmal erneut vertreten durch Luisa González, wie schon im Jahr 2023. Stattdessen entschieden sich die Ecuadorianer dafür, ihr Vertrauen in Daniel Noboa zu erneuern, der seit 2023 als Übergangspräsident amtierte, und wählten ihn nun für eine reguläre Amtszeit bis 2029 ins höchste Staatsamt. Dennoch steht das Andenland weiterhin vor einer Phase politischer und demokratischer Unsicherheit.
Am vergangenen Sonntag fand in Ecuador die Stichwahl zwischen dem amtierenden Übergangspräsidenten Daniel Noboa und seiner bereits aus den außerordentlichen Wahlen 2023 bekannten linkspopulistischen Herausforderin Luisa González statt. Obwohl mehrere der letzten Umfragen ein knappes Ergebnis prognostiziert hatten, fiel Noboas Sieg mit 56% zu 44% deutlich aus.
In 2023 hatte Noboa nur mit einem Vorsprung von etwas mehr als drei Prozentpunkten gewonnen (51,8 % zu 48,17 %). Auch wenn dieses Ergebnis als gestiegene Unterstützung für Noboa interpretiert werden könnte, lässt die Tatsache, dass seine Zustimmungswerte in den letzten Monaten stark gefallen sind – von über 80 % Anfang 2024 auf unter 40 % Ende 2024 –, den Schluss zu, dass das Wahlergebnis eher als eine klare Ablehnung des sogenannten „Correísmo“ zu werten ist, als ein echtes Votum für Noboa. Luisa González wird von der linken Bewegung und Partei des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) unterstützt, der wegen Korruption und Bestechlichkeit zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, sich jedoch im Exil befindet.
Trotz des eindeutigen Wahlergebnisses hat Luisa González ihre Niederlage bislang nicht eingeräumt. Sowohl sie als auch Rafael Correa selbst haben Wahlbetrug angeprangert und eine Neuauszählung der Stimmen gefordert. Allerdings – wie schon bei anderen unterlegenen Kandidaten in jüngerer Vergangenheit, etwa Donald Trump in den USA (2020), Keiko Fujimori in Peru (2021) oder Jair Bolsonaro in Brasilien (2022) – haben die Vertreter des Correísmo bislang keine Beweise dafür geliefert, wie der angebliche Betrug ausgesehen haben soll.
Tatsächlich haben weder die Wahlbeobachtungsmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) noch jene der Europäischen Union (EU) Hinweise auf einen massiven Wahlbetrug gefunden, der das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst haben könnte und würdigten die
„friedliche, entschlossene und eindrucksvolle Beteiligung der Bevölkerung“ sowie den Umstand, dass diese „klar zum Ausdruck gebracht hat, wem sie die Führung des Landes in den nächsten vier Jahren anvertraut“.
Kritikpunkte waren jedoch, dass bestimmte Wahlregeln noch während des laufenden Wahlkampfs geändert wurden, „ungleiche Wettbewerbsbedingungen“ während der Kampagne und „missbräuchliche Nutzung öffentlicher Ressourcen und staatlicher Infrastruktur zu Wahlkampfzwecken“.
Noboa wird künftig mit einer deutlich stärkeren parlamentarischen Unterstützung regieren können: Seine Fraktion wächst von 14 auf 66 Abgeordnete – bei insgesamt 151 Sitzen im Einkammerparlament.
Auch wenn seine Wiederwahl bedeutet, dass Ecuador einem Rückfall in den autoritären Correísmo entgangen ist, gilt Noboa selbst nicht unbedingt als verlässlicher Garant demokratischer Institutionen. Welche Faktoren waren ausschlaggebend für seinen Wahlsieg? Und welche Herausforderungen stehen Noboa und Ecuador nun bevor?
Ausschlaggebende Faktoren
Ein zentraler, zweifellos entscheidender Punkt zugunsten Noboas war seine Kandidatur als amtierender Präsident. Dies brachte ihm mehr mediale Präsenz, größere Sichtbarkeit und Reichweite seiner Botschaften. Problematisch wird dies, wenn Mittel unter Umgehung gesetzlicher Vorgaben eingesetzt werden – was offenbar geschehen ist. So stellte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) fest, dass die Regierung in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 insgesamt 14 neue Sozialleistungen eingeführt habe – darunter Geldtransfers, Stipendien und andere Anreize für verschiedene Bevölkerungsgruppen, was offensichtlich Noboa zugutekam. Die Verfassung schreibt zudem vor, dass er sein Amt für die Dauer des Wahlkampfs hätte niederlegen müssen.
Die Nähe von Luisa González zum autoritären Regime von Maduro, stieß laut dem ecuadorianischen Analysten Mauricio Alarcón vom Think Tank Ciudadanía y Desarrollo bei vielen Wählerinnen und Wählern verständlicherweise auf große Ablehnung: Sie sprach sich öffentlich dafür aus, den Diktator Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten Venezuelas zu betrachten und sein Regime offiziell anerkennen zu wollen, obwohl das Maduro-Regime seine Wahlniederlage nicht anerkannt hat und der rechtmäßig gewählte Präsident von Venezuela, Edmundo González Urrutia, ins Exil fliehen musste.
Ein weiterer wichtiger Faktor war die Unterstützung des 37-jährigen Noboas durch die Sicherheitskräfte und Teile des staatlichen Gewaltmonopols, was sein Image als „starker Mann“ im Kampf gegen die Kriminalität untermauerte. Das Land verzeichnet eine Mordrate von 38 pro 100.000 Einwohner und gilt inzwischen als das gewalttätigste Land Lateinamerikas. Diese Eskalation ist eng mit dem Drogenschmuggel brutaler Banden und Kartelle verbunden, die Routen von Kolumbien über Ecuador nutzen – insbesondere über den strategisch wichtigen Hafen von Guayaquil, von dem aus die Drogen nach Europa verschifft werden.
Auch wenn Noboas demokratische Glaubwürdigkeit nicht unumstritten ist, legten viele Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer bei dieser Wahl besonderes Gewicht auf die Themen Kriminalitätsbekämpfung und wirtschaftliche Stabilität. Alarcón betonte, "dass auch die ambivalente Haltung der Correísmo-Bewegung gegenüber dem Dollar als Währung – die in Ecuador sehr populär ist – ihnen ebenfalls zum Verhängnis geworden sei.“ Noboa hingegen sei als die sicherere Option angesehen, um die Fortführung der Währung zu gewährleisten.
Herausforderungen
Die demokratische Glaubwürdigkeit von Daniel Noboa – Sohn des milliardenschweren Unternehmers Álvaro Noboa, der sich fünfmal erfolglos um die Präsidentschaft bewarb – ist nicht unumstritten. Seit er das Amt inmitten einer schweren Sicherheitskrise interimistisch übernommen hat, um die Amtszeit von Guillermo Lasso zu beenden, der 2023 zurücktrat, hat Noboa auf die zentralen Herausforderungen des Landes mit Rhetorik und Maßnahmen reagiert, die an autoritär-populistische Strömungen der Rechten erinnern. Einige Analysten vergleichen seinen Stil sogar mit dem des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele. Auch seine Nähe zur Regierung von Donald Trump – mit der er eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen die Kriminalität angekündigt hat – unterstreicht diese Tendenzen. Zusätzlich haben Entscheidungen wie das umstrittene gewaltsame Eindringen in die mexikanische Botschaft im April 2024 oder der mutmaßliche Mord an vier Jugendlichen durch das ecuadorianische Militär das Bild Noboas als harter, autoritärer Führer weiter gefestigt. Seine Ankündigung, eine verfassungsgebende Versammlung einberufen zu wollen, sorgt ebenfalls für Besorgnis – denn sie folgt einem bekannten Muster, das autoritäre Regime in Lateinamerika regelmäßig anwenden.
Die Ecuadorianer mussten sich zwischen zwei autoritären Optionen entscheiden“, erklärt Alarcón. „In den gerade einmal 16 Monaten seiner Amtszeit haben wir bereits Zensurmaßnahmen, erzwungene Ausreisen, die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten sowie andere Verhaltensweisen erlebt, wie sie auch der Correísmo an den Tag legte.
Ein weiteres Beispiel für Noboas Bereitschaft, sowohl geschriebene als auch ungeschriebene Regeln zu brechen, ist der Umgang mit seiner Vizepräsidentin Verónica Abad. Diese wirft ihm politische Gewalt und Schikane vor. Nachdem ihre Meinungsverschiedenheiten öffentlich wurden, ernannte Noboa sie zur Botschafterin in Israel, entzog ihr damit nahezu jede politische Einflussmöglichkeit und leitete eine Anzeige gegen sie ein, die schließlich in ihrer Amtsenthebung und der Aberkennung ihrer Befähigung zur Ausübung öffentlicher Ämter mündete.
Ausblick
Auch wenn Ecuador den Correísmo erneut zurückgewiesen hat, warnt Mauricio Alarcón: „Die demokratische Zukunft des Landes hängt nun maßgeblich davon ab, ob Noboa die verfassungsmäßigen und internationalen Grenzen seiner Macht respektiert.“ Sein bisheriger Regierungskurs, politische Nähe zu autoritären Akteuren und populistische Versprechen lassen Zweifel an seinem demokratischen Selbstverständnis aufkommen. Die Sicherheitskrise, die fragile wirtschaftliche Lage – geprägt von sinkenden Ölpreisen und Liquiditätsengpässen – sowie der deutliche Vertrauensverlust in der Bevölkerung bergen die Gefahr, dass Noboa zu autoritären Mitteln greifen könnte, um Kontrolle und Stabilität zu sichern.
Gerade deshalb ist es entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft wachsam bleibt – insbesondere in Bezug auf rechtsstaatliche Prinzipien und die Einhaltung verfassungs- sowie völkerrechtlicher Verpflichtungen. Ob die Wahl den Auftakt zu einer stabileren Zukunft bildet, wird davon abhängen, ob Noboa seine Macht verantwortungsvoll und im Einklang mit demokratischen Normen einsetzt – und gleichzeitig wirksam gegen die organisierte Kriminalität vorgeht. Seine Wiederwahl ist weniger Ausdruck breiter Zustimmung als vielmehr Ergebnis der Ablehnung seiner Gegnerin González. Noboa wurde als das kleinere Übel wahrgenommen, dem man am ehesten zutraute, die drei drängendsten Probleme des Landes anzugehen: Unsicherheit, Wirtschaftskrise und Korruption.
Javier Albán González ist Programm-Koordinator der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Lima, Perú.