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Kenia
Große Herausforderungen, riesige Chancen

Die Friedrich-Naumann-Stiftung eröffnet ein neues Büro in Nairobi
Nairobi
© FNF Nairobi / Wakitanga


Afrika hat für die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung seit jeher eine besondere Bedeutung. Es war und ist ein Kontinent der Chancen, mit großem Potenzial, das durch Digitalisierung und Freihandel gehoben werden kann. Afrika hat die historische Chance, einen großen wirtschaftlichen Schritt nach vorne zu machen – das gilt insbesondere für Kenia: Eine starke Volkswirtschaft trifft auf eine Zivilgesellschaft mit gut ausgebildeten, engagierten Menschen.

Warum, so könnte man fragen, eröffnet die Stiftung also erst jetzt, im Jahr 2022, ein Büro in Kenia – einem der dynamischsten und wirtschaftsstärksten Länder des Kontinents? Andere politische Stiftungen und viele deutsche und europäische Institutionen sind schließlich seit Jahren vor Ort präsent.

Zur Wahrheit gehört: Die Friedrich-Naumann-Stiftung war schon einmal mit einem Büro in Nairobi vertreten, um die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung des jungen Staates zu begleiten. Mitte der Neunzigerjahre fiel die damalige Büroleiterin Dorothee von Brentano jedoch in Ungnade, war die Stiftung ob ihres unermüdlichen Kampfes für Demokratie und Freiheit dem autokratischen Regime unter Präsident Daniel arap Moi ein ständiger Dorn im Auge.

Leuchtturm für Demokratie, Freiheit und wirtschaftliche Stabilität

Der mutige Einsatz für Freiheit und Demokratie in kritischen Kontexten fordert manchmal seinen Tribut. Nairobi war nicht das erste und auch nicht das letzte Büro, das wir aus politischen Gründen schließen mussten. Im November 2020, nachdem die chinesische Regierung ihr berüchtigtes Sicherheitsgesetz verabschiedete, schloss die Stiftung ihr Büro in Hongkong, um nicht ihre eigenen Mitarbeiter und Partner zu gefährden. Erst vor wenigen Monaten erzwang das russische Regime unter Wladimir Putin die Schließung der Büros aller deutschen politischen Stiftungen in Moskau.

Dies ist eine Entwicklung, die alle Liberalen beunruhigen muss. Die Demokratie als Staatsform steht weltweit unter Druck. 2022 verzeichnete der Bertelsmann Transformation Index erstmals seit 18 Jahren wieder mehr autokratische als demokratische Staaten. Es ist zu befürchten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Angesichts globaler Krisen – man denke nur an Covid und die explodierenden Preise für Energie und Lebensmittel – wird in vielen Ländern der Ruf nach vermeintlich einfachen Lösungen und starken Führern lauter.

Angesichts dieser Entwicklungen ist die Rückkehr der Friedrich-Naumann-Stiftung nach Kenia ein Zeichen der Hoffnung. Die Zeit des Moi-Regimes ist längst vorbei und die Demokratie in Kenia gereift. Das haben die Wahlen Anfang August eindrucksvoll gezeigt: Unstimmigkeiten über das Wahlergebnis wurden nicht gewaltsam auf der Straße ausgetragen, sondern – wie in der Verfassung vorgesehen – vom Obersten Gerichtshof entschieden. Kenia hat seine Rolle als Leuchtturm am Horn von Afrika bestätigen können – ein Leuchtturm für Demokratie, Freiheit und wirtschaftliche Stabilität.

Afrika braucht Wirtschaftswachstum

Doch dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass Kenia und Afrika insgesamt vor enormen Herausforderungen stehen. Prognosen zufolge wird sich die Bevölkerung Afrikas bis 2050 fast verdoppeln, von derzeit 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden Menschen. Diese Menschen werden Nahrung, sauberes Wasser und eine gute Gesundheitsversorgung benötigen, aber auch Arbeitsplätze, Wohnraum und eine effiziente Infrastruktur. Mit anderen Worten: Afrika braucht Wirtschaftswachstum.

Die Chancen, dies zu erreichen, stehen gut. Afrika hat die jüngste Bevölkerung aller Kontinente: 70 Prozent der Menschen sind jünger als 35 Jahre. Dieser große Pool an motivierten jungen Menschen ist ein Gewinn – vorausgesetzt natürlich, dass die schulische und berufliche Qualifikation mit dem Bevölkerungswachstum Schritt hält. Hier kommt der technologische Fortschritt für Afrika zum Tragen. Der Siegeszug der Digitalisierung bietet die Chance, ganze Entwicklungsstufen zu überspringen, im Fachjargon auch „Leapfrogging“ genannt.

Um Menschen miteinander zu verbinden, braucht es heute nicht mehr zwangsläufig kabelgebundene Kommunikationsnetze. Mobile Netze ermöglichen Bildung, Kreativität und komplexe wirtschaftliche Aktivitäten selbst in den dünn besiedelten Regionen des Kontinents.

Ein Paradebeispiel ist die große Erfolgsgeschichte mobiler Zahlungssysteme wie M-Pesa in Kenia. Die Hälfte der weltweiten Nutzer von mobilem Geld lebt in Afrika südlich der Sahara, und der Rest der Welt kann von den afrikanischen Erfahrungen lernen.

Einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Afrika kann auch der Abbau von Handelsbarrieren leisten, vor allem in Afrika selbst. Der innerafrikanische Handel macht weniger als 20 Prozent des gesamten internationalen Handels des Kontinents aus. Zum Vergleich: In Asien sind es 50 Prozent und in Europa fast 70 Prozent – ein Ergebnis der Integrationswelle seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In dieser Hinsicht hat Afrika einen enormen Nachholbedarf.

Neuauflage der politischen Verhältnisse zu Europa

Erstmals wird diese Herausforderung von afrikanischen Regierungen nachhaltig adressiert: Im Jahr 2021 trat eine innerafrikanische Freihandelszone in Kraft. Die sogenannte "African Continental Free Trade Area" (AfCFTA) umfasst alle afrikanischen Länder, 55 Staaten, mit Ausnahme von Eritrea. Damit ist AfCFTA hinsichtlich der Anzahl beteiligter Länder die größte Freihandelszone der Welt. Die Weltbank hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, der zufolge AfCFTA die Realeinkommen in Afrika bis 2035 um 8 Prozent steigern kann. Die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen wird im gleichen Zeitraum voraussichtlich um 45 Millionen sinken.

Der Effekt würde noch stärker ausfallen, wenn AfCFTA künftig ausgeweitet wird. Die Harmonisierung von Regularien in den Bereichen Investitionen, Wettbewerb, elektronischer Geschäftsverkehr und geistige Eigentumsrechte würde zusätzliches Wachstum anregen. So könnten laut der Studie der Weltbank die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika durch AfCFTA bis 2035 um unglaubliche 111 bis 159 Prozent steigen.

Darüber hinaus könnte AfCFTA zu einer Neuauflage der politischen Verhältnisse zu Europa führen. Wenn Afrika endlich mit einer handelspolitischen Stimme spricht, wird es für die Europäische Union viel schwieriger sein, Forderungen nach einem Abbau des EU-Protektionismus zurückzuweisen. Gerade im Bereich der industriellen Verarbeitung von Agrarprodukten könnte dies die Entwicklung in Afrika kräftig ankurbeln.

Handelsbeziehungen auf Augenhöhe und ein fairer Anteil an der Wertschöpfungskette sind deutlich effektiver als viele gut gemeinte Entwicklungsprojekte, die nur durch Subventionen am Leben erhalten werden.

Der neue Global Partnership Hub der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nairobi soll einen Beitrag zu der Frage leisten, wie Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft effektiver gestaltet werden kann. Gemeinsam mit IREN, dem Inter Region Economic Network, hat der Hub in diesem Jahr bereits eine viel zitierte Studie über den Wettbewerb zwischen Europa und China in Afrika vorgelegt. Weitere Studien des Hubs zu hochrelevanten Themen wie elektronischen Zahlungssystemen und Konfliktmineralien folgen noch in diesem Jahr.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird künftig mit starker Präsenz Demokratie, Menschenrechte, Unternehmertum und freien Handel in Kenia fördern. Sie tut dies bereits seit vielen Jahren erfolgreich in zehn Büros in verschiedenen Ländern auf dem Kontinent. Darauf werden wir in Kenia aufbauen.