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70. Geburtstag
Hans-Jürgen Beerfeltz – Stratege mit Humor

Hans-Jürgen Beerfeltz
Hans-Jürgen Beerfeltz © picture alliance / dpa | Horst Galuschka

Hans-Jürgen Beerfeltz war ein Liberaler durch und durch. Sein Freiheitsbegriff war umfassend, politisch wie privat: Freiheit und Optimismus waren seine politischen Werte, die er auch gelebt hat. Alles Dogmatische war ihm fremd. Wo andere Verzicht predigen, da hat er Lebensfreude entgegengesetzt. Wo durch Verbote und Vorschriften der Alltag verriegelt wurde, da hat er sich gewehrt. 

Der frühere Jungdemokrat war von der Friedrich-Naumann-Stiftung 1988 in die Bonner FDP-Zentrale gekommen. Dort arbeitete er eng mit dem FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff zusammen. Dessen politischer Stil, die politische Debatte mit Klartext zu führen, kam dem politischen Verständnis von Hans-Jürgen Beerfeltz entgegen. Er setzte auf Zuspitzung, manchmal auf die kalkulierte Provokation, um die kleine FDP medial größer zu machen. In diese Zeit fiel beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen der katholischen Amtskirche und Lambsdorff, nachdem Lambsdorff den Papst für ein Reise zu einem afrikanischen Diktator zur Segnung dessen riesiger Marmorkathedrale kritisiert hatte. Der damalige Kölner Erzbischof Meisner bezeichnete im Zuge dieser Kontroverse den Liberalismus nach dem Ende des Sozialismus als „die größte Bedrohung der Menschheit. „

Der im Dezember 1994 zum Generalsekretär gewählte Guido Westerwelle brauchte für die in den vergangenen Wahlen stark gebeutelte FDP eine neue Strategie. 1995 wurde Hans-Jürgen Beerfeltz Bundesgeschäftsführer. Die seit 13 Jahren regierende FDP hatte ihr Profil in Koalitionskompromissen abgeschliffen und brauchte mehr Eigenständigkeit. Besonders die Neugier von Guido Westerwelle auf neue politische Wege machten die beiden zu kongenialen Partnern. Die neue Eigenständigkeit zeigte sich beispielsweise im November 1995 als das FDP-Plakat „Steuerland ist abgebrannt“  vorgestellt wurde. Das war nicht nur eine damals neue Form der medialen Ansprache durch sogenannte „Satellitenplakate“, sondern auch eine Provokation des Koalitionspartners. Die Visualisierung von Politik konnte Hans-Jürgen Beerfeltz in den bundesweiten Kampagnen für Bundestagswahlen und Europawahlen weiter professionalisieren. 2004 beispielsweise unterstützte eine frische Kampagne zur Europawahl die Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin, sodass die FDP mit einem deutlichen Stimmenzuwachs ins Europaparlament zurückkehren konnte. Aber auch die vieldiskutierte Kampagne 18 für den inzwischen zum Vorsitzenden gewählten Guido Westerwelle gehörte dazu, die aber dann in FDP- internen Auseinandersetzungen und in der Elbeflut von Sommer 2002 unterging.

Fernab der medialen Aufmerksamkeit arbeitete Hans-Jürgen Beerfeltz ständig an der Professionalisierung der FDP. Gemeinsam mit den Geschäftsführern der Landesverbände wurden zahlreiche Projekte realisiert. Seine Strategie Parteitage nach Medientauglichkeit zu gestalten, gehörten ebenso dazu wie Digitalisierung der FDP und ihrer Wahlkämpfe.

Wer ihn in dieser Zeit erlebte, traf auf einen intellektuellen Strategen, der seine Auffassungen mit großer Lust am Formulieren erklärte. Und wenn der Stratege mal Pause machte, dann erzählte und hört er gerne einen guten Witz.

Seine Amtszeit als Bundesgeschäftsführer von stolzen 14 Jahren verdient das Etikett Ära. Mit einer treuen Mitarbeiterschaft im Thomas-Dehler-Haus, die ihren Chef sehr schätzte, hat er sehr viel erreicht und die FDP inhaltlich wie organisatorisch geprägt.

Das Rekordwahlergebnis von 2009 war auch der engen Zusammenarbeit von Generalsekretär Dirk Niebel und Hans-Jürgen Beerfeltz zu verdanken. Die beiden setzen ihre Zusammenarbeit im BMZ fort. Dort konnten sie, Hans-Jürgen Beerfeltz nun als Staatssekretär, die Mammutreform mit der Zusammenlegung der bisher drei deutschen Entwicklungsorganisationen zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, erfolgreich umsetzen.

Seine entwicklungspolitischen Erfahrungen konnte er auch nach dem Ende der Regierungszeit 2013 in der neu gegründeten „Westerwelle-Foundation“ als Generalssekretär einbringen. Guido Westerwelle und Hans-Jürgen Beerfeltz arbeiteten dort an der Vision, dass Gründerinnen und Gründer auch in Entwicklungsländern mehr Chancen auf eigenen Erfolg haben sollten.

Als Hans-Jürgen Beerfeltz vor etwas mehr als 5 Jahren starb, hat der organsierte Liberalismus einen brillanten Strategen und engagierten Mitstreiter verloren. Und sehr viele haben einen guten Freund verloren.

Martin Biesel war ab 1990 Referent in der von Hans-Jürgen Beerfeltz geführten politischen Abteilung in der FDP-Bundesgeschäftsstelle und seitdem politischer Wegbegleiter.