Corona
Corona-Maßnahmen: Nicht nur abnicken

Die Parlamente müssen stärker einbezogen werden
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Der Bayerische Landtag wurde erneut nicht in die Entscheidung über verschärfte Corona-Maßnahmen einbezogen. © picture alliance/dpa/dpa/Pool | Sven Hoppe

Schon wieder ist Bayern vorgeprescht und verlässt das gerade erst beschlossene Regelwerk zur Corona-Eindämmung. Seit Ausbruch der Pandemie erlassen Bund und Länder Verordnungen, mit denen sie das öffentliche Leben und die Ausübung der individuellen Freiheiten einschränken. Die Exekutive handelt, sie "regiert durch". Daran haben auch die im November beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz nichts geändert. Zwar präzisiert die Novelle nun, wann die Grundrechte der Bürger bei der Pandemiebekämpfung eingeschränkt werden dürfen, doch sind die neuen Maßnahmen noch immer nicht konkret genug formuliert und eingegrenzt. Was etwa bedeutet der im Gesetz aufgeführte Begriff "schwerwiegende Maßnahme"?

Schlechte Kommunikation von Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin

Erst als die Kritik an der Pandemiepolitik anschwoll, wurden die Parlamente wenigstens ein wenig beteiligt - aber noch immer nicht genug: Die Parlamente sind für die Willensbildung von zentraler Bedeutung. Sie schaffen Akzeptanz durch Transparenz und intensive öffentliche Diskussion. Einen Parlamentsvorbehalt für die Corona-Verordnungen, der das Parlament in seiner Rolle gestärkt hätte, ist jedoch weiterhin nicht in Sicht. Stattdessen werden an einem Sonntagnachmittag in Bayern neue Maßnahmen beschlossen, die der bayerische Landtag anschließend nur abnicken soll. Die schlechte Kommunikation von Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin tut ihr Übriges. Nicht nur die Bilder der neuen Berliner U-Bahn-Linie mit Menschen dicht an dicht offenbaren, dass es tieferliegende Probleme gibt. Abstand halten, was kann daran so schwer sein?

Jeden Tag sterben Menschen an und mit Corona, doch nachhaltige Strategien gegen die Pandemie sind weiterhin nicht zu erkennen. Warum gibt es nicht schon längst umfassende tägliche Tests in Alten- und Pflegeheimen? Wie kommen wir aus der verfahrenen Situation des Teil-Lockdowns wieder heraus? Darüber muss gerungen und gestritten werden: im Parlament. Mit dem majestätischen Habitus wie in Bayern muss Schluss sein.
 

Dieser Artikel erschien erstmals am 8. Dezember 2020 im Handelsblatt