Zentralrat der Juden
75. Gründungsjubiläum des Zentralrates der Juden
Vor 75 Jahren wurde der Zentralrat der Juden gegründet. Aus Hoffnung und Mut wuchs eine vielfältige Gemeinschaft, die heute als starke Stimme jüdisches Leben, Erinnerung und Zusammenhalt in Deutschland prägt.
© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-FotopresAm 19. Juli 1950 versammelten sich Delegierte der wiederentstandenen jüdischen Gemeinden in einer privaten Wohnung in Frankfurt am Main. Sie gründeten den Zentralrat der Juden – kaum fünf Jahre nach der Shoah, in einer Zeit, in der jüdische Zukunft in Deutschland kaum vorstellbar schien. Ursprünglich als temporärer Begleiter, als Unterstützerorganisation gedacht, sollte der Zentralrat Jüdinnen und Juden zur Seite stehen, die Deutschland verlassen wollten.
Und doch suchten – und fanden – Jüdinnen und Juden trotz allem ihre Zukunft in Deutschland. Und mit ihnen blieb auch der Zentralrat. Heute vertritt der Zentralrat mehr als 100 jüdische Gemeinden mit rund 100.000 Mitgliedern.
Er ist Mahner der Geschichte, unermüdlicher Unterstützer und Kämpfer in der Gegenwart und Wegbereiter für die Zukunft. Der Zentralrat der Juden ist heute ein zentraler Akteur für ein vielfältiges, selbstbewusstes jüdisches Leben in Deutschland.
Dass es heute wieder eine vielfältige, selbstbewusste jüdische Gemeinschaft in Deutschland gibt, ist eine historische Leistung – getragen von Vertrauen, das alles andere als selbstverständlich ist. Gerade und ausgerechnet im Land der Täter wieder eine jüdische Gemeinschaft gemeinsam aufzubauen. Dieses Vertrauen verpflichtet.
Der Zentralrat der Juden hat in den vergangenen 75 Jahren viel getragen und geschultert. Dabei war selbst der Akt des Erinnerns lange Zeit einsam: Erst 1978 gab es das erste offizielle Gedenken durch die Bundesrepublik an die Pogromnacht des 9. November.
Heute befürworten in Deutschland – einem Land, das aus seiner Geschichte lernen wollte – mehr Menschen, einen „Schlussstrich“ unter die Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen, als ihn abzulehnen. Gleichzeitig wird die Erinnerung an die Schoah relativiert, umgedeutet und insbesondere für israelbezogenen Antisemitismus instrumentalisiert. Das ist unerträglich.
Jüdisches Leben ist weiterhin durch Hassverbrechen, Vorurteile und Diskriminierung bedroht, und jüdische Stimmen werden in gesellschaftlichen Debatten häufig erst spät oder gar nicht gehört.
Deshalb bleibt es unsere gemeinsame Aufgabe, für eine Gesellschaft, die jüdisches Leben, Menschenwürde und Freiheit unbeirrbar verteidigt, einzutreten. Jüdisches Leben darf nicht auf seine Bedrohung reduziert, sondern muss in seiner ganzen Fülle anerkannt werden – als lebendigen, starken und unersetzlichen Teil unserer Gesellschaft.