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Populismus
Parteien im Wandel: Warum Populisten in Deutschland immer mehr Zustimmung finden

Neue Studie der Fridrich-Naumann-Stiftung: „Umbrüche im Parteiensystem – Eine neue populistische Herausforderung?“
Delegierte stimmen beim Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt

Delegierte stimmen beim Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt ab.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Die etablierten, aus der westdeutschen Demokratie der Jahre 1949 bis 1990 erwachsenen oder in diese im Zuge der deutschen Einheit ab 1990 integrierten Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN; PDS/DIE LINKE) haben, gemessen an ihren Wahlergebnissen, ersichtlich aber auch in Meinungsumfragen, deutlich an Bindungskraft verloren. Dabei gelang es in den Zeiten der Bundesrepublik und in den 20 Jahren nach der deutschen Einheit mit BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und der PDS (später: DIE LINKE) allerdings nur zwei neu gegründeten bzw. umformierten Parteien, sich im deutschen Parteiengefüge zu etablieren. Neugründungen wie etwa die REPUBLIKANER hatten nur zeitlich und regional sehr begrenzt Erfolge bei Wahlen.

Mit der Gründung 2013 trat eine neue Partei, die AfD, auf die Bühne und schaffte es, dauerhaft ihre Wahlergebnisse zu steigern und dabei, nachweislich der Wahlanalysen z.B. von Infratest dimap, durch ihre inhaltlichen und strategischen Positionen Unterstützerinnen und Unterstützer zu binden. Das Phänomen wird weithin vor allem unter dem Gesichtspunkt des steigenden Zuspruchs für populistische Positionen analysiert. Mit den Erfolgen des BSW bei der Europawahl und den Landtagswahlen 2024, mit denen auch eine starke Abstützung von Programm und Personen in Meinungsumfragen verschiedenster Institute einhergeht, schien sich dieses Phänomen zu wiederholen.

Unsere Autoren Constantin Wurthmann und Jan Philipp Thomeczek untersuchen in der nun vorgelegten Studie „UMBRÜCHE IM PARTEIENSYSTEM - EINE (NEUE) POPULISTISCHE HERAUSFORDERUNG?“, auf welchen Faktoren der Erfolg dieses „neuen Populismus“ beruht, ob es einen grundsätzlichen, nachhaltigen Anstieg der Akzeptanz populistischer Positionen in der Bevölkerung gibt, ob das Vertreten populistischer Positionen den Erfolg bestimmter Parteien maßgeblich befördert, vielleicht sogar bedingt, und ob die offensichtlich starken Wählerbindungspotenziale populistischer Parteien das hergebrachte Parteiensystem gefährden.

„Längst wird um Wählerstimmen durch Parteien geworben, die sich explizit nicht zu Pluralismus und der unumstößlichen Menschenwürde, die das Grundgesetz klar vorgibt, bekennen wollen. Gleichzeitig fällt es den Parteien des demokratischen Spektrums, in einer Zeit, in der Populisten und Autoritäre mit verkürzten Antworten locken, immer schwerer, hinreichende Antworten auf neue Herausforderungen zu finden“, schreiben die Autoren in der Einführung. 

Und sie schlussfolgern aus ihren Analysen: „Weltweit geraten Demokratien zunehmend unter Druck von radikalen, populistischen und antidemokratischen Kräften. Wenn zentrale demokratische Errungenschaften wie Pluralismus, Menschenrechte und Konsensbildung als Verrat an Volk und Mehrheitsmeinung interpretiert werden, sind auch inhaltliche Lösungen, die den Interessen der Menschen dienen, auf lange Sicht nicht mehr zufriedenstellend. Gerade aber weil eine solche Rhetorik schon jetzt Einzug in parlamentarische Debatten und den Parteienwettbewerb gehalten hat, werden tragfähige politische Bündnisse immer schwieriger in ihrer Bildung.

Wenn Kompromisse zwischen Parteien in Verruf geraten und den Parteien in Konsequenz das Vertrauen entzogen wird, verliert die demokratische Kultur immer mehr an Bodenhaftung. Dabei zeigen autoritäre Entwicklungen auf der ganzen Welt, dass es sich für die Demokratie zu kämpfen lohnt. Dafür müssen politische Akteure wie etwa auch Parteien tragfähige Lösungen entwickeln, die dazu beitragen, die Demokratie als zentrale Errungenschaft unserer Werteordnung zu verstehen. Populisten und Radikale haben unlängst damit begonnen, ihrerseits Gegenentwürfe zu entwickeln, die diese Werteordnung untergraben sollen. Es ist Zeit, diesen entgegenzutreten.“