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Jetzt wünschen wir!

Exiljournalisten schreiben über ihre Hoffnungen für das Jahr 2018
Exiljournalisten, Zeitungsbeilage, Tagesspiegel

Negin Behkam (33, Iran) ist seit 2011 in Berlin, wo sie bei der Nachrichtenplattform "Amal, Berlin!" arbeitet.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Dieser Artikel erschien erstmals am 28. Dezember 2017 in der Printausgabe des Tagesspiegels. 

Fast anderthalb Jahre ist es her, dass der Tagesspiegel eine ganze Sonderausgabe zusammen mit Exiljournalisten gestaltet hat: #jetztschreibenwir hieß die Ausgabe vom 15. Oktober 2016, in der Journalistinnen und Journalisten aus Syrien, Afghanistan, Iran, Pakistan und Ägypten mit ihren Fotos und Texten die Seiten füllten, überraschende Blickwinkel eröffneten und damit auf sehr positive Resonanz stießen.

Die Sonderausgabe hat inzwischen zwei Journalistenpreise erhalten: den Art Directors Club Award und den European Newspaper Award. Seitdem schreiben Exiljournalisten im normalen Tagesspiegel oder auf Sonderseiten, sie nehmen an Workshops teil oder besuchen die Veranstaltungsreihe „Diwan“, in der etwa der Youtuber Firas Alshater aufgetreten ist. Ein junger Journalist aus Syrien arbeitet als Volontär im Tagesspiegel. Zuletzt gestalteten die Autoren eine Beilage zur Bundestagswahl „Wir wählen die Freiheit“ (8. September) – ein Projekt mit Unterstützung durch das Journalisten- und Mediendialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Robert Bosch Stiftung.

Zum Jahreswechsel haben wir einige der beteiligten Journalisten gebeten, ihre Hoffnungen und Wünsche für das neue Jahr aufzuschreiben. Hoffen wir mit den Autoren, dass einige ihrer Wünsche wahr werden.

Exiljournalisten, Der Tagesspiegel

Jamal Ali (30, Aserbaidschan) ist seit 2012 in Deutschland. Er arbeitet beim aserbaidschanischen Exilmedium Meydan TV und ist Volontär bei Alex Berlin.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Jamal Ali: Ich wünsche mir....

"2018 ist das 100. Jubiläum der Gründung der ersten Aserbaidschanischen Demokratischen Republik. Ich wünsche mir, dass Aserbaidschan wieder ein freies Land wird und dass es dieses Mal für immer frei bleibt. Ich habe die Nachrichten über Mugabes Absetzung in Zimbabwe gesehen - genauso wollen wir in Baku die Freiheit feiern. Das ist für mich zu einer Mission geworden, für mich ist mein Land die Mitte der Welt. Wenn sich dort etwas ändert, wird die ganze Welt anders. Es klingt vielleicht wie ein Märchen, wenn man vom „Erwachen der Weltbürger“ redet. Aber: Ein Fisch wird zu einem Frosch, ein Frosch zu einem Löwen, der Löwe zum Affen und der Affe zum Mensch. Das Leben ist ein Märchen. Ich wünsche uns allen mehr Zutrauen, dass wir unsere Geschichten selber schreiben können."

Exiljournalisten, Der Tagesspiegel

Zoya Anwer Mahfoud (40, Syrien) ist seit 2016 in Deutschland. Sie ist Praktikantin in einem Frauenhaus und ab Oktober im Tagesspiegel.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Zoya Mahfoud: Ich wünsche mir...

"Es ist wichtig für mich, meine starke und geliebte Mutter, die mich am ersten Tag des neuen Jahres geboren hat, wiederzusehen. Sie hat mich mit all ihrer Liebe zur Flucht getrieben, damit ich mich retten kann. Damit sie mich in Deutschland besuchen kann, muss ich arbeiten und mein eigenes Geld verdienen. Um arbeiten zu können, muss ich meine Sprache verbessern. Also: Sprache lernen, Arbeit finden, meine Mutter sehen. So ist das. Ich arbeite jetzt als Praktikantin in einem Frauenhaus. Ich versuche, misshandelten Frauen zu helfen, besonders arabischen Frauen, die aufgrund der Bedingungen in unserer Gesellschaft, mit ihrer Religion und ihrem Recht, schwach und verletzlich geworden sind. Gerne möchte ich neben dieser Arbeit auch als Journalistin tätig sein. Ich denke, hier in diesem Land kann ich etwas tun. Es ist ein Land, das den Geist und den Verstand unterstützt und nicht entmutigt. Ich hoffe, dass der Krieg in meiner syrischen Heimat aufhören wird und dass er das Gesicht dieses Landes nicht vollständig zerstören wird. Ich hoffe, dass ich 2018 meinen Lieblingskaffee am Morgen nicht allein trinken werde. Ich wünschte, wir könnten alle wahren Frieden und persönliches Glück finden."

Exiljournalisten, Zeitungsbeilage, Tagesspiegel

Mazen Abo-Ismael (Syrien) ist seit Sommer 2016 in Deutschland. Er studiert Literatur an der Universität Potsdam.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Mazen Abo-Ismael: Ich wünsche mir....

"Für 2018 könnte ich mir wünschen, dass wir einander lieben, egal, was unsere Hautfarbe, unser Glaube oder unser Lebensstil ist. Ich könnte mir eine Welt wünschen, in der niemand gehasst wird, nur weil er anders ist, in der es keine überlegene Rasse oder Nationalität gibt, in der jeder versteht, dass wir alle eine große Familie sind. Ich könnte mir eine Welt wünschen, die keine zerstörerischen Waffen, keine Gier und keine quecksilbrige Moral kennt. Ich könnte mir all dies wünschen, aber es ist schwer, aus einem Stein Öl zu pressen. Stattdessen wünsche ich allen Mitgliedern meiner großen Familie Glück und Liebe. Ich hoffe auch, dass ich meine kleinere Familie sehen und hoffentlich wieder Liebe finden und eine eigene Familie gründen kann."

Exiljournalisten, Zeitungsbeilage, Tagesspiegel

Omid Redaee (28, Iran) floh 2015 nach Berlin. Er betreibt das deutschsprachige Blog perspective-iran.com und studiert an der Hamburg Media School.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Omid Rezaee: Ich wünsche mir...

"Für das Neue Jahr wünsche ich mir mehr Glück, besser gesagt, mehr Glücksgefühl; noch genauer gesagt, mehr Geld. In meinem Land Iran ist zwar jetzt kein Neujahr, doch darf man dem Land und dem Volk wünschen, was man immer wünscht: Freiheit. Und dem Nahen Osten, der einem Pulverfass gleicht, das jederzeit explodieren kann, wünsche ich einfach, dass er nicht explodiert. Dazu muss ich Ajatollah Khamenei, Donald Trump und den Saudis ein bisschen mehr Vernunft wünschen. Aber nur ein bisschen. Mehr zu erwarten, ist nicht realistisch. Es reicht aber nicht aus zu wünschen. Man muss auch etwas tun. Wenn wir uns zusammen und mit Solidarität daransetzen, ist es sogar möglich,Trump auszunüchtern." 
Exiljournalisten, Zeitungsbeilage, Tagesspiegel

Negin Behkam (33, Iran) ist seit 2011 in Berlin, wo sie bei der Nachrichtenplattform "Amal, Berlin!" arbeitet.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Negin Behkam: Ich wünsche mir...

"Ich will damit aufhören, die ganze Zeit nur unrealistische Wünsche zu haben. Daher ist mein Wunsch für das neue Jahr, dass etwas bestehen bleibt wie es ist: Ich wünsche mir, dass wir es auch in dem kommenden Jahr schaffen können, die Verschiedenartigkeit in der Gesellschaft zu tolerieren und zu genießen. Dass wir es uns in unserer Stadt immer noch leisten können, auf der einen Seite am FKK-Strand die Freiheit von jeder Körperbedeckung zu genießen, und auf der anderen Seite die Menschen zu respektieren, die ein Kopftuch tragen wollen. Also kurz gesagt: Ich wünsche mir, dass sich im nächsten Jahr der politische Diskurs nicht noch weiter nach rechts verschiebt."

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Adnan Al Mekdad (52, Syrien) kam 2014 mit Reporter ohne Grenzen nach Deutschland. Heute arbeitet er für KulturTür, eine mehrsprachige Zeitschrift des DRK.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Adnan Al Mekdad: Ich wünsche mir...

"Meine Wunschliste für das neue Jahr ist endlos. Aber der erste und wichtigste Wunsch ist, dass der Krieg in meinem Land Syrien beendet wird. Dass keine Menschen mehr sterben, dass der Handel mit Waffen, Drogen und Menschen endet, dass die Mörder vor Gericht kommen und alle Vertriebenen in ihre Häuser zurückkehren können. Dass die Häftlinge freigelassen werden und Schulen wieder öffnen, damit die Generation, die während des Krieges geboren wurde, Bildung erhalten kann. Ich wünsche mir den Wiederaufbau Syriens und die Schließung aller Flüchtlingslager im ganzen Land. Und nicht zuletzt wünsche ich mir, gut Deutsch zu lernen, weil das der Schlüssel zum Leben hier und zum Aufbau von Freundschaften ist."

Exiljournalisten, Der Tagesspiegel

Hussein Ahmad (33, Syrien) ist seit 2013 in Deutschland. Er macht eine Weiterbildung zum Sprach- und Integrationsmittler und arbeitet als freier Journalist.

© Der Tagesspiegel / Doris Klaas

Hussein Ahmad: Ich wünsche mir....

"Während wir uns hier in Deutschland auf die Feiern zum Jahreswechsel vorbereiten, leiden andere Menschen weltweit unter Hunger, Armut, Terror und Krieg, vor allem in meiner Heimat Syrien. Obwohl die Situation in Syrien sehr kompliziert ist, habe ich noch Hoffnung. Ich wünsche mir, dass in Syrien endlich Frieden´einkehrt, dass das neue Jahr die Syrer zum Lachen bringen könnte und dass eines Tages alle Kriegsverbrecher – vor allem der syrische Diktator – vor Gericht gebracht werden. Für Deutschland wünsche ich mir, dass die Bürgerinnen und Bürger ein schönes neues Jahr genießen dürfen und dass eine stabile Regierung gebildet wird, damit hier weiter Freiheit, Demokratie und Frieden herrschen."