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"Europa hat wieder Wind in den Segeln"

EU-Kommissionspräsident Juncker zur Lage der Europäischen Union
"Europa hat wieder Wind in den Segeln", so Juncker.

"Europa hat wieder Wind in den Segeln", so Juncker.

© istock/travenian

„Europa hat wieder Wind in den Segeln“, bekräftigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seiner heutigen Rede zur Lage der Europäischen Union in Straßburg. Und tatsächlich kann Juncker, kann die EU, trotz der anstehenden Wahlen in Deutschland erstmal aufatmen, denn eine europafeindliche Regierung droht hier, anders als bei den diesjährigen Wahlen in Frankreich und den Niederlanden, nicht. Wo also hinsegeln mit dem frischen Wind in den Segeln, wenn nur 16 Monate bleiben, um das vorläufige Ziel zu erreichen?

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hatte vor der Rede klare Forderungen an Juncker gestellt. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er, er erwarte echte politische Ansagen und betonte, Juncker müsse ganz gezielt die Hand nach Mittel- und Osteuropa ausstrecken.

Handelspolitik im Fokus

Tatsächlich skizzierte Juncker einige Projekte für die verbleibenden Monate bis zur nächsten Europawahl. Zum Beispiel neue Handelspartnerschaften mit Japan und Mexiko und den Beginn der Verhandlungen mit Neuseeland und Australien. Gleichzeitig machte Juncker klar, dass er die strategische Infrastruktur der EU durch „Investment Screenings“ besser schützen wolle – auch wenn der Name China nicht fiel, so war offensichtlich, an wen sich diese Warnung richtete. Damit streckte Juncker auch dem neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron die Hand aus, denn dieser hatte beim EU-Gipfel im Sommer dafür geworben, die Übernahme strategischer Industrien durch ausländische Investoren einzuschränken.

Ausgestreckte Hand für Mittel- und Osteuropa

Eine solche Initiative würde vor allem Staaten in Ost- und Mitteleuropa treffen, in denen chinesische Investitionen bereits heute florieren. So hatte Juncker auch für diese Staatengruppe ein Angebot im Gepäck: ein Versprechen für Bulgarien, Rumänien und Kroatien baldmöglichst dem Schengen-Raum beizutreten und den mittel- und osteuropäischen Staaten zeigte er einen Weg in die Eurozone auf.

Auch wolle sich seine Kommission nach Berichten über Qualitätsunterschiede in Lebensmitteln zwischen Ost und West dafür einsetzen, dass es in der EU keine Verbraucher zweiter Klasse gebe, ebenso keine Arbeitnehmer zweiter Klasse – womit er auf die Debatte der Entsendung von osteuropäischen Arbeitnehmern ins EU-Ausland anspielte, bei der sich Löhne und Sozialabgaben am Heimat- und nicht am Gastland orientieren. Selbst eine europäische Aufsichtsbehörde für den Arbeitsmarkt will Juncker einrichten, um für Fairness im Binnenmarkt zu sorgen und gegen die Wahrnehmung anzugehen, die EU zeige Arbeitnehmern die kalte Schulter. Wie das Ganze aussehen und funktionieren soll, ließ Juncker aber offen.

Stärkung der Kommission

Noch zwei weitere überraschende Vorschläge unterbreitete der Kommissionpräsident in seiner Rede und zeigte auch, in welchem politischen Organ er langfristig die politische Zukunft der EU sieht: in einer politischen Kommission. So solle es einen Wirtschafts- und Finanzminister der EU geben, dessen Aufgaben vom EU-Kommissar für Wirtschafts- und Währungsfragen wahrgenommen werden. Dieser solle auch gleich der Eurogruppe vorsitzen. Darüber hinaus will Juncker das Amt des Kommissions- und Ratspräsidenten verschmelzen – ein Vorschlag auf den sich die auf Nationalinteressen fokussierten Vertreter im Rat in nächster Zukunft wohl kaum einlassen werden.

Doch Junckers fernes Ziel ist klar: Die EU soll auf den Pfeilern der Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit beruhen.