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Infrastruktur
Was wird aus unseren Innenstädten?

Der durch die Pandemie beschleunigte Wandel unserer Innenstädte wird weitergehen
Kaufhof im Lockdown
Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei. Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof wurde mit Staatshilfen gerettet. © picture alliance/dpa | Oliver Berg

In der vergangenen Woche wurde die angeschlagene Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof mit rund einer halben Milliarde Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung gerettet. Die Corona-Pandemie hat das im Jahr 2019 fusionierte Unternehmen in eine tiefe Krise gestürzt. Das Geschäftsmodell großer Warenhäuser geriet allerdings schon lange vor Corona in Bedrängnis. Denn dieses Geschäftsmodell war und ist es, ein möglichst großes Warensortiment unter einem Dach anzubieten (ganz nach dem 60er-Jahre-Werbeslogan „Tausendfach unter einem Dach“ von Kaufhof) und damit den Einkauf für die Kundinnen und Kunden möglichst einfach zu gestalten.

Doch genau dieses Geschäftsmodell wurde von Amazon und Co. über die letzten Jahre geradezu perfektioniert. Kein Warenhaus dieser Welt wird es je schaffen, ein ähnlich umfangreiches Sortiment anzubieten und den Einkauf so einfach zu gestalten wie per Mausklick von der heimischen Couch. Die Hilfszahlungen der Bundesregierung werden also nichts daran ändern, dass Warenhäuser in Zukunft innovative Wege aus der Krise finden müssen. Denn es ist klar: Der Online-Handel wird auch nach Corona nicht verschwinden, ganz im Gegenteil.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie stellen nicht nur große Warenhäuser, sondern den gesamten stationären Einzelhandel vor große Herausforderungen. In Zukunft wird es für den Einzelhandel noch stärker darauf ankommen, den Mehrwert zum Online-Shopping herauszustellen. Viele Einzelhandelsgeschäfte haben dies schon längst erkannt und beschreiten genau diesen Weg. Sie setzen auf exzellente Beratung, umfassenden Service und auf die Schaffung von Einkaufserlebnissen – alles Dinge, die das Bestellen im Internet nicht in dieser Form bieten kann. Es ist durchaus möglich, dass Einzelhandelsgeschäfte in Zukunft anders aussehen als heute. Vorstellbar sind beispielsweise kleinere Ladenflächen, die als eine Art Showroom dienen, ohne dabei alle Produkte vorrätig zu haben. Das Innovationspotenzial des stationären Einzelhandels wird hier die besten Lösungen hervorbringen.

Die derzeitigen Herausforderungen im Einzelhandel treffen unsere Innenstädte besonders hart. Doch damit nicht genug: Die Büroflächen, die in der Regel in den Stockwerken über dem stationären Einzelhandel zu finden sind, stehen ebenfalls vor einem Umbruch. Der Vormarsch des Home-Office könnte dazu führen, dass Unternehmen ihre innerstädtischen Büroflächen reduzieren werden. Selbst wenn wir in Zukunft nur noch zwei oder drei statt fünf Tage in der Woche von zu Hause arbeiten werden, würde sich die Büroauslastung in den Unternehmen doch deutlich verringern. Und auch die Ausgestaltung der Büros selbst könnte sich ändern: Hin zu offenen Begegnungsflächen für Teambesprechungen und weg von Einzelbüros, in denen still gearbeitet wird.

Die Entwicklungen im stationären Einzelhandel sowie im Büromarkt werden zwangsläufig Auswirkungen auf unsere Innenstädte haben. Diese Veränderungen bieten auch neue Möglichkeiten, denn sie könnten mittelfristig die Mietpreise in den Innenstädten nach unten drücken. Wenn das passiert, gibt es auch Chancen für neue Nutzungsformen: Innovative Ladenkonzepte mit ausgefallenen Geschäftsmodellen, Co-Working-Konzepte für‘s Arbeiten im Quartier, Kultureinrichtungen oder auch das innerstädtische Wohnen haben dann eine Chance.

Für die Zukunft der Innenstadt braucht es den Ideenreichtum und die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Es braucht den Einzelhandel, der innovative und mutige Wege geht und damit echte Einkaufserlebnisse schafft. Es braucht eine agile kommunale Verwaltung, die sich als Problemlöserin sieht und möglichst unbürokratisch Veränderungen zulässt. Es braucht maßgeschneiderte und ideologiefreie Mobilitätskonzepte, die sich nach den innerstädtischen Gegebenheiten und Bedürfnissen richten. Es braucht eine umsichtige Stadtplanung, die die Interessen aller Akteure berücksichtigt. Und wir alle müssen uns bewusstmachen und uns fragen, wie unsere Innenstädte in Zukunft aussehen sollen.