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Nordkorea
Kim Jong-uns taktische Charmeoffensive in Richtung Japan

Kim Yo Jong,
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ahn Young-joon

Während die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zunehmen, überrascht Kims Schwester mit einer freundlichen Botschaft an Japan - sogar ein Gipfeltreffen in Nordkorea scheint möglich. Das Kim-Regime versucht, einen Keil zwischen Südkorea, Japan und den USA zu treiben.

Die Schwester von Machthaber Kim Jong Un ist bekannt für ihre aggressiven Reden. Kim Yo Jong bezeichnete US-Präsidenten Joe Biden als „senil”, Südkoreas Staatschef Yoon Suk Yeol ist für sie ein „Idiot“. Jetzt zeigt sich Kims Schwester versöhnlich - zumindest ein bisschen.

Kim Yo Jong: Die einzige Frau im Gremium

Nach Japan übermittelte Kim Yo Jong eine relativ freundliche Botschaft. Nordkorea und Japan „können sich gemeinsam eine neue Zukunft eröffnen”, sagte sie in einer von Staatsmedien veröffentlichten Erklärung. Sie bezog sich dabei auf jüngste Äußerungen des japanischen Premierministers Fumio Kishida. Der hatte gefordert, die Beziehungen zwischen Nordkorea und Japan müssten sich verbessern - und dafür auch ein Treffen in Nordkorea in Aussicht gestellt. In ihrer Botschaft teilt Kim nun mit, dass unter gewissen Bedingungen „der Tag eines Besuchs des Premierministers in Pjöngjang kommen könnte”.

Kim Yo Jong ist die einzige Frau im Zentralkomitee der Arbeiterpartei Nordkoreas - dem wichtigsten Gremium in Nordkorea. Zudem hat sie als Schwester von Machthaber Kim Jong Un eine hervorgehobene Stellung. Immer wieder begleitet sie ihren Bruder zu wichtigen Terminen und Gipfeltreffen.

Angesichts der zunehmenden Spannungen in Ostasien wäre ein Gipfeltreffen zwischen Japan und Nordkorea eine Sensation. Während sich Nordkorea zuletzt immer weiter Russland annäherte, ignorierte es Gesprächsangebote der USA. Auch gegenüber Südkorea sind die Fronten verhärtet. Südkoreas Präsident Yoon setzt auf eine internationale Isolation des Nordens und reagiert auf Provokationen des Kim-Regimes mit eigenen Militärübungen und Raketentests. Eine Telefonverbindung, mit der südkoreanische und nordkoreanische Beamte üblicherweise Kontakt halten, ist seit April 2023 praktisch tot. Der Norden hebt laut Angaben des Südens einfach nicht mehr ab.

Taktisches Manöver: Die Annäherung von Japan und Südkorea verhindern

Der jüngste Brief von Kims Schwester könnte eine Möglichkeit sein, wieder mit Nordkorea ins Gespräch zu kommen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um ein taktisches Manöver des Kim Regimes handelt mit dem Ziel, einen Keil in das sich derzeit bildende Dreierbündnis zwischen den USA, Japan und Südkorea treiben.

Als Schwachstelle sieht Nordkorea dabei insbesondere die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea. Auch wenn die beiden liberalen Demokratien viele Werte und Interessen teilen, ist ihr Verhältnis wegen der Kolonialherrschaft Japans über Korea historisch belastet. Präsident Yoon hatte sich seit seinem Amtsantritt im Mai 2022 trotz innenpolitischen Widerstands um ein besseres Verhältnis mit Japan bemüht. Seitdem beendeten die Staaten gegenseitige Handelsrestriktionen und arbeiten sicherheitspolitisch wieder enger zusammen.

Ziel der nordkoreanischen Charmeoffensive könnte es sein, diese Annäherung zu torpedieren. Sollte Japan Nordkorea zu sehr entgegenkommen und somit die harte Linie von Südkoreas Präsident Yoon gegenüber dem Norden unterwandern, könnte dies das Verhältnis der beiden liberalen Demokratien in Ostasien belasten. Im Falle einer weiteren Annäherung zwischen Japan und Nordkorea werden sich Seoul und Tokio eng abstimmen müssen.

Streitthema Entführungen

Kishida hat gegenüber Japan vor allem wegen eines Themas Gesprächsbedarf: Japan geht davon aus, dass Nordkorea in den 1970er und 1980er Jahren mindestens 17 japanische Staatsbürger entführte. Die Geiseln sollten nordkoreanischen Spione in Japans Sprache und Kultur unterrichten. Bisher konnten nur fünf von ihnen zurückkehren. Nordkorea gibt zwar zu, insgesamt 13 Japaner entführt zu haben. Allerdings sind mittlerweile laut nordkoreanischen Angaben die restlichen acht verstorben.

Japans Premier Kishida, dessen Zustimmungswerte extrem niedrig sind, erhofft sich durch Fortschritte in der Entführten-Frage einen Popularitätsschub. Zudem würde eine Einigung Japan ermöglichen, offizielle Beziehungen zu Nordkorea aufzunehmen. Bisher hatte Japan eine Klärung der Frage rund um die Entführten zur Bedingung für jeden weiteren Dialog gemacht. Nordkorea müsste dafür wohl weiteren Entführten die Rückkehr ermöglichen oder klare Beweise für deren Tod vorlegen.

Laut Medienberichten gab es bereits Gespräche zwischen Japan und Nordkorea auf Arbeitsebene, die zumindest teilweise positiv verliefen. Erste öffentliche Anzeichen einer Verbesserung Beziehung hatte es bereits Anfang des Jahres gegeben. Nach dem schweren Erdbeben an Japans Ostküste mit mehr als 200 Toten schickte Kim Jong Un ein Kondolenzschreiben nach Japan. Ein beispielloser Vorgang - einfühlsame Worte erhielten bisher nur sogenannte „anti-imperialistische Länder” wie Syrien oder Kuba.

Das letzte Wort hat Kim Jong Un

Dass noch harte Verhandlungen bevorstehen, zeigen mehrere Giftpillen, die Kims Schwester in ihrer Botschaft an Japan unterbrachte. So forderte sie Kishida auf, sich nicht in „Nuklear- und Raketen Angelegenheiten“ einzumischen. Diese hätten nichts mit den Nordkorea-Japan-Beziehungen zu tun. Zudem bezeichnete sie das Thema der Entführungen als „gelöst”. Dabei dürfte diese Klärung diese Frage das dringendste Anliegen Kishidas sein.

Das Statement aus Nordkorea hat noch einen Haken: Kims Schwester stellte klar, dass es sich um ihre „persönliche Meinung” handelt, und nicht um die ihres Bruders. Der hat natürlich das letzte Wort in Nordkorea. Er wird abwarten, welche Signale in den kommenden Wochen aus Japan kommen.

Frederic Spohr leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul.  

Dieser Artikel erschien zuerst am 23. Februar 2024 auf FOCUS Online.