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Neuwahlen in Malaysia: "Das politische Desinteresse ist groß"

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© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Wong Fok Loy

Warum gibt es vorgezogene Neuwahlen in Malaysia?

Ismail Sabri Yaakob, der Ministerpräsident Malaysias, löste am 10. Oktober vorzeitig den Dewan Rakyat, das malaysische Parlament, auf. Yaakob will mit den Neuwahlen der Kritik an der Legitimation seiner Regierung begegnen. Seine Partei UMNO (United Malays National Organisation) ist die größte Partei in der Regierungskoalition und verspricht sich von den Neuwahlen einen Wahlsieg, um dann in Zukunft ohne Koalition regieren zu können.

Die Neuwahlen wurden für den 19. November anberaumt und finden damit acht Monate vor dem regulären Ablauf der Legislaturperiode statt.

Wer steht zur Wahl?

Knapp 30 Parteien stellen sich zur Wahl. Entscheidend dabei sind die vier Koalitionsbündnisse, von denen zwei Aussichten auf Erfolg haben.

Das aus elf Parteien bestehende Koalitionsbündnis Barisan Nasional (BN) ist derzeit an der Macht. Größte Partei ist die UMNO, eine nationalkonservative Partei, die bis 2018 die größte politische Partei Malaysias war und darüber hinaus auch bis dahin ununterbrochen in der Regierung vertreten war. Die Mitgliedschaft ist Angehörigen der malaiischen Ethnie vorbehalten, denen eine starke Vorrangstellung gegenüber anderen Malaysiern, etwa chinesischer oder indischer Abstammung, eingeräumt wird. Gewinnt es, wird Interimspremierminister Ismail Sabri Yaakob Premierminister.

Das Gegenprogramm läuft unter der Koalition Pakatan Harapan (PH), die 2018 die Wahlen gewonnen hatten. Die Gerechtigkeitspartei (PKR) steht für Pluralismus, Reformen, soziale Gerechtigkeit und ist klar gegen Korruption eingestellt. Mit ihr im Bündnis sind vier weitere Parteien, die liberale Werte vertreten. Das Wort liberal wird jedoch nicht verwendet, da es in Malaysia eher mit Sittenlosigkeit in Verbindung gebracht wird. Sollte PH gewinnen, was unwahrscheinlich ist, bekäme Anwar Ibrahim den Ministerpräsidentenposten.

Das weitaus kleinere Koalitionsbündnis PN (Perikatan Nasional) spielt insbesondere bei muslimischen Wählern auf dem Land als Alternative zu BN eine Rolle. Es wird angeführt vom ehemaligen Ministerpräsidenten Muhyiddin Yassin.

Die Koalition Gerakan Tanah Air (GTH) wurde erst Anfang 2022 vom früheren zweimaligen Ministerpräsidenten Mahathir gegründet. Sie hat keine nichtmuslimische Angehörigen und dürfte deswegen bei den Wahlen keinen Erfolg haben.

Welche Themen stehen im Zentrum des Wahlkampfes?

Malaysia erlangte 1957 die Unabhängigkeit von Großbritannien. Seitdem war die UMNO in Malaysia führend. Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 (GE14) wurde ihr jedoch der milliardenschwere Skandal des 1MDB zum Verhängnis. Der damalige Premierminister Najib Razak hatte rund 700 Millionen US-Dollar aus dem Fonds 1MDB auf sein Privatkonto überwiesen. Im Juli 2020 wurde er unter anderem wegen Korruption verurteilt und sitzt derzeit seine Strafe ab. Ungeachtet dessen gelang es der UMNO im März 2020, das Reformbündnis unter dem damaligen Regierungschef Mahathir Mohamad zu zerbrechen und via einer mehrheitlich muslimischen Koalitionsregierung wieder an die Macht zu kommen.

Neben der allgemeinen politischen Instabilität – Neuwahlen waren schon seit 18 Monaten angekündigt – haben die Menschen in Malaysia genug von Misswirtschaft, wie sie sich beispielsweise bei der Nichtlieferung von sechs bereits vor einem Jahrzehnt bezahlten Kriegsschiffen manifestiert.

Auch die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten verärgern trotz des für 2023 erwarteten Wirtschaftswachstums von bis zu 5 Prozent die Wähler. Im Staatshaushalt für 2023 sind deswegen großzügige Subventionen fürs Wahlvolk vorgesehen – die jedoch wie zuvor hauptsächlich den klassischen UMNO-Wählern zugutekommen und somit eine populistische Maßnahme sind.

Warum wurde das Wahlalter kürzlich gesenkt?

Es gibt Anzeichen, dass vor allem diejenigen, die traditionell eher die Oppositionsparteien wählen, durch die letzten Parlamentswahlen desillusioniert wurden und dieses Mal nicht wählen gehen werden. Allgemein gilt dabei, dass je weniger wählen, UMNO umso mehr profitieren wird. Eine Umfrage des Stiftungspartners Merdeka Center ergab, dass nur 40 Prozent der jungen Malaysier ihre Stimme abgeben wollen. Das politische Desinteresse ist auch der Grund dafür, dass Ende letzten Jahres das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt wurde. Dadurch steigt die Anzahl der Stimmberechtigten von 15 auf 21 Millionen. Diese Erstwähler oder auch bislang nicht registrierten Wähler sollen jetzt mobilisiert werden – das haben sich sämtliche Parteien auf die Fahnen geschrieben. Immerhin sind 50 Prozent aller malaysischen Wähler im Alter von 18-39.

Wo wird gewählt?

In der Vergangenheit wurden die Bundes- und Landeswahlen zeitgleich durchgeführt, um Kosten zu sparen. Durch die vorgezogenen Bundeswahlen obliegt es nun den jeweiligen Teilstaaten, den Wahltermin anzupassen. Dabei wirft die Opposition der Regierung insbesondere vor, die Wahlen während der Regenzeit abzuhalten. Letztes Jahr kamen über 50 Personen während der Regenzeit ums Leben, die dazu einen Schaden von weit über einer Milliarde Euro anrichtete. Einige Teilstaaten nehmen das als Grund, die Landeswahlen nicht vorzuziehen. Oppositionsgeführte Staaten hingegen befürchten, die Wahl zu verlieren und halten sich deswegen an die Möglichkeit, die Wahl später, jedoch bis zum 15. Juli 2023 abzuhalten.

Und wer gewinnt?

Laut Merdeka Center ist es schwierig, derzeit eine Prognose für den Wahlausgang zu treffen. Das liegt zum einen daran, dass es drei vergleichsweise starke Koalitionsbündnisse gibt und zum anderen daran, dass die Höhe der Wahlbeteiligung angesichts der vielen Erstwähler schwer vorhersagbar ist. Eine Umfrage aus der zweiten Oktoberhälfte 2022 zeigt, dass die Unterstützung von UMNO mit seiner Barisan Nasional geringer als angenommen ausfällt. Das spräche dafür, dass keine der drei Koalitionsbündnisse die Mehrheit erlangen wird. Stattdessen erhöht es die Wahrscheinlichkeit dafür, dass an neuen Parteienbündnissen gearbeitet werden muss. Ansonsten stünden Malaysia politisch noch instabilere Zeiten bevor.

Dr. Almut Besold leitet seit 2018 die Projektarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Malaysia.