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"Atombomben sind eine Versicherung für Nordkorea"

Unser Korea-Experte Lars-André Richter im Interview mit T-Online

Dieser Artikel wurde am Dienstag den 12.06.2018 auf T-Online veröffentlicht und ist online auch hier zu finden.

Donald Trump und Kim Jong Un haben sich getroffen. Und ein Abkommen vereinbart. Wie realistisch die nuklearen Abrüstungspläne sind, beurteilt Nordkorea-Experte Lars-André Richter.

t-online.de: Herr Richter, Donald Trump und Kim Jong Un haben sich in Singapur zum Frieden und einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel bekannt. Was ist von dem Abkommen zu halten?

Lars-André Richter: Der Gipfel hat historische Bilder von Donald Trump und Kim Jong Un geliefert. Die Atmosphäre zwischen beiden war freundlich. Und vor allem ist keiner hinausgerannt und ist in den alten Modus der Provokationen zurückgefallen. Insofern wurde ein Etappenziel erreicht.

Bricht jetzt eine Ära des Friedens zwischen Nord- und Südkorea beziehungsweise den USA an?

Jetzt müssen wir die nächsten Wochen und Monate abwarten. Und sehen, ob die Stichworte der gemeinsamen Erklärung auch in ein politisches Konzept münden und umgesetzt werden: Von Nordkorea wird erwartet, dass es seine Atomwaffen aufgibt. Und von den USA, dass sie Nordkorea im Gegenzug Sicherheitsgarantien geben. Das wird ehrgeizig.

Trump hat erklärt, dass die Denuklearisierung "sehr schnell" beginnen solle. Ist das überhaupt realistisch?

Das war ein typischer Schnellschuss von Trump. Die eigentliche Arbeit für die Diplomaten und die Ministerialbürokratie beginnt ja erst jetzt. Das Abkommen muss mit Leben gefüllt und über die Details muss weiter verhandelt werden. Trump kann also gar nicht im Alleingang entscheiden, wie schnell es voran geht.

Nordkorea hat dabei viel weniger Zeitdruck als der US-Präsident.

Richtig. Trump befindet sich quasi schon wieder im Wahlkampf, im November wird in den USA das Repräsentantenhaus und ein Teil der Senatoren neu gewählt. Der Präsident braucht also den Erfolg.

Wird Nordkorea tatsächlich bald nuklear abrüsten?

Das ist schwer vorstellbar. Atombomben sind eine Versicherung für Nordkorea. Man müsste dem Land andere Sicherheitsgarantien geben. Ob die USA das letztlich auch machen, bleibt abzuwarten. Hier kommt China wieder ins Spiel. Auf Peking kann sich Pjöngjang in diesem Punkt wahrscheinlich eher verlassen als auf Washington. Peking dürfte nach wie vor kein Interesse daran haben, dass Nordkorea in ernsthafte Schwierigkeiten gerät. Weshalb es dem Land auch weiterhin beispringen dürfte.

Wird sich Trump das gefallen lassen?

Er kann natürlich über die zunächst bestehen bleibenden Sanktionen gegen Nordkorea den Druck weiter erhöhen. Eine Lockerung gibt es erst, wenn Nordkorea seine Waffen und Raketen aufgibt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Trump seine harte Gangart an dieser Stelle auf Dauer durchhält. Das ist aber nötig: Damit Nordkorea sich bewegt, muss Trump notfalls auch die militärische Option im Spiel lassen.

Halten Sie die Abhaltung des Gipfels für richtig?

Der Konflikt mit Nordkorea ist eine Ausnahmesituation, die nach einer Ausnahmelösung verlangt. Trump hat diesen Gipfel gegen viele Bedenken durchgesetzt. Das war gut und richtig. Es bleibt allerdings auch nur dann richtig, wenn die verabredeten Ziele nun auch verbindlich umgesetzt werden.

Ist ein baldiger Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea denkbar?

Ein Friedensabkommen zwischen Süd- und Nordkorea ist nicht der wirklich entscheidende Punkt. Es gibt im Moment einen Waffenstillstandsvertrag, den verschiedene Staaten mit unterzeichnet haben. Unter anderem China. Um einen multilateralen Vertrag durch eine neue Regelung zu ersetzen, bedarf es der Zustimmung der Beteiligten. Ein Friedensvertrag wäre auch eher der Schlusspunkt langer gegenseitiger Verhandlungen. Das ist aber nichts, was sich von einem Tag auf den anderen unterschreiben ließe. Nur weil die Stimmung heute in Singapur ganz gut war.

Davon abgesehen: Ist die berüchtigte demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea bald Geschichte?

Auch diese Zone können die beiden Koreas nicht einfach öffnen oder annullieren, auch sie ist Bestandteil eines multinationalen Vertragswerks. Dasselbe gilt für die Präsenz der US-Truppen in Südkorea: Darüber kann man nicht im Handstreich entscheiden. Fraglich ist auch, ob Nord- und Südkorea eine baldige Grenzöffnung beziehungsweise Wiedervereinigung überhaupt bewältigen könnten. Die politischen, sozialen und finanziellen Folgekosten wären eine große Herausforderung.

Ein anderer Punkt: Die katastrophale Menschenrechtslage in Nordkorea war anscheinend nebensächlich im Gespräch zwischen Trump und Kim Jong Un.

Bereits der südkoreanische Präsident Moon Jae In hatte das Thema bei seinem Treffen mit Kim Jong Un Ende April vermieden. Wohl weil er sich im Klaren war, dass er dann möglicherweise ohne Ergebnis nach Hause gefahren wäre.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir stehen am Anfang eines Prozesses, über dessen Verlauf und Dauer sich bislang wenig sagen lässt. Ich gehe davon aus, dass nun erstmal weitere hochkarätige Gipfel stattfinden werden. Zwischen Süd- und Nordkorea, China und den USA. Möglicherweise auch unter Einbeziehung Japans und Russlands.