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Die Bewährungsprobe

Donald Trumps Strafzölle verlangen von Europa eine kluge Strategie. Sie wird nicht überall populär sein.
Es könnte schmerzhaft sein, gerade auch für Deutschland. Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué fordert von Europa Entschlossenheit und Einheit, aber auch neue Wege.

Es könnte schmerzhaft sein, gerade auch für Deutschland. Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué fordert von Europa Entschlossenheit und Einheit, aber auch neue Wege.

© wildpixel / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Das hat Europa gerade noch gefehlt. Nach Monaten der diskreten transatlantischen Verhandlungen kommt es doch zu Strafzöllen der Amerikaner auf Stahl und Aluminium. Damit ist klar: Trump meint es ernst. Die Antwort kann nur lauten: Wir in Europa meinen es auch ernst - und zwar mit dem Einsatz für den freien Welthandel im bewährten Rahmen der WTO. Aber was heißt das konkret? Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué fordert von Europa Entschlossenheit und Einheit, aber auch neue Wege. Die könnten schmerzhaft sein, gerade auch für Deutschland.

Donald Trump hat seine Drohungen wahrgemacht. Er hat ohne jegliche handelsrechtliche Grundlage Strafzölle gegen Europa (sowie Kanada und Mexiko) verhängt, und zwar für Stahl und Aluminium, also in Branchen, in denen ein Überangebot auf dem Weltmarkt allenfalls China anzulasten ist. Seine juristische Begründung - eine Gefahr für die Sicherheit der USA - ist lächerlich, denn die allermeisten betroffenen Nationen sind Mitglieder der NATO.

Also: ein glatter Bruch der WTO-Regeln. Nähme die Europäische Union dies tatenlos hin, wäre gar nichts mehr übrig von ihrem außenpolitischen Gewicht, das ohnehin nicht gerade beeindruckt. Es muss also gehandelt werden. Und dies kann nur heißen: Vergeltungsmaßnahmen. Das ist ein hässliches Wort, vor allem unter befreundeten Nationen. Aber der Katalog von Nadelstichen durch Strafzölle, den die liberale EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vorgelegt hat, ist clever zusammengestellt. Er konzentriert sich auf Branchen und Produkte in jenen Regionen, in denen Trump seine politischen Hochburgen hat: das ländliche Amerika. Das ist angemessen. Und es ist noch lange kein dramatisch eskalierender Handelskrieg, der nun überall beschworen wird. Übrigens ist es auch keineswegs der erste Schlagabtausch im Außenhandel, den sich die USA und Europa leisten - man denke nur an die jahrelangen Auseinandersetzungen um Airbus und Boeing in Markt für Flugzeuge.

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Also: Nerven bewahren. Es kommt eben alles drauf an, wie es weitergeht. Hier sind zunächst zwei strategische Leitlinien wichtig: Zum einen muss stets die Tür zu Verhandlungen offen bleiben, einen Automatismus der Eskalation darf es nicht geben, auch nicht wenn die Amerikaner die Lage weiter zuspitzen. Zum anderen muss inhaltlich klar sein, über was verhandelt werden sollte. Die Antwort lautet: über ein transatlantisches Freihandelsabkommen, nennen wir es TTIP 2.0. Das ist ein sehr gutes Angebot an die USA, denn das Zollniveau der EU gegenüber Amerika ist in der Tat höher als umgekehrt. Die USA können also viel gewinnen, wie frühere quantitative Schätzungen von TTIP-Wirkungen immer wieder zeigten. Dabei bedarf es auf beiden Seiten Pragmatismus: Ein neuer Anlauf zu TTIP darf nicht an ein paar sensiblen Punkten scheitern - sei es nun das öffentliche Beschaffungswesen in den USA oder die Gesundheitsvorschriften in Europa. Lieber den ein oder anderen Bereich ausklammern als überhaupt keine Ergebnisse erzielen!

Für Europa gibt es natürlich eine Schmerzgrenze: Eine Trump-Frontalattacke auf die bewährten Prinzipien der WTO muss abgewehrt werden. Niemals darf Europa zulassen, dass der aggressive Unilateralismus sich durchsetzt, also das Recht des Stärkeren, auch wenn dieser den wohlklingenden Namen USA trägt, eines demokratischen Landes der Freiheit. Will Trump die WTO zerstören, dann muss Amerika im Extremfall die WTO verlassen. Das wäre ein schwerer Schlag für eine erfolgreiche Organisation, der 160 Nationen angehören und die 90 Prozent des Welthandels abdeckt. Aber es wäre kein Todesstoß. 

Niemals darf Europa zulassen, dass der aggressive Unilateralismus sich durchsetzt, also das Recht des Stärkeren, auch wenn dieser den wohlklingenden Namen USA trägt, eines demokratischen Landes der Freiheit.

Karl-Heinz Paqué
Kalr-Heinz Paqué

Allerdings: Es wäre ein "worst-case-Szenario", das es natürlich zu verhindern gilt. Auch übrigens durch Zugeständnisse an jenen Stellen, an denen Trump Wichtiges und Nötiges verlangt. Da ist zunächst eine Reform der WTO. Sie muss endlich mit einem modernisierten Regelwerk jene Nationen zur Ordnung rufen, die mit staatskapitalistischen Methoden den Welthandel zu ihren Gunsten verzerren. An erster Stelle steht das riesige China, das mit einem gewaltigen industrie- und technologiepolitischen Programm bis 2015 auf eine Art neomerkantilistischen Eroberungszug der Weltmärkte hinarbeitet. Dies ist nicht akzeptabel.

Da ist ferner der leidige riesige Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz - seit Jahren in der Größenordnung von 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die deutsche Wirtschaft muss endlich im eigenen Binnenmarkt stärker wachsen: durch Steuersenkungen und eine Investitionsoffensive, die im Übrigen nicht nur das transatlantische Ungleichgewicht des deutsch-amerikanischen Handels vermindern würde, sondern auch mancher Nation in der Eurozone helfen könnte. Dies ist auch nötig, um die Einheit der EU im Handelskonflikt zu sichern, denn nicht alle Nationen Europas profitieren vom Handel mit den USA in gleichem Maße wie Deutschland. Hier fehlt der Bundesregierung der Großen Koalition bisher jeder Mut zu kraftvollen Reformen.

Schließlich bedarf es hierzulande einer neuen politischen Priorität: pro Freihandel. Vor allem die Grünen, die Linke, aber auch weite Teile der Sozial- und Christdemokratie müssen endlich lernen, dass freiheitlicher Welthandel nicht an kleinkarierten Ängsten vor fremden Produkten und ihren Eigenschaften scheitern darf. Zu wichtig ist das wirtschaftliche Zusammenwachsen der Welt, auch für Frieden und Verständigung. Wer sich dagegen stemmt - selbst mit wohlmeinenden Argumenten -, der läuft Gefahr, das Geschäft der Rechtspopulisten zu befördern.

Fazit: Trump mutet Europa eine gewaltige Bewährungsprobe zu. Aber die ist vielleicht auch nötig, damit hierzulande erkannt wird, was wirklich wichtig ist. Die Bewährungsprobe geht dabei weit über das Wirtschaftliche hinaus: Auch Trumps Forderung, Deutschland müsse endlich seinen Verteidigungsbeitrag zur NATO drastisch erhöhen, trifft ins Schwarze. Die Zeit des "free riding" ist vorbei. Europa - und allemal Deutschland - muss mehr Verantwortung übernehmen. Es gibt also transatlantisch viel zu verhandeln, und dies nicht nur über Zölle!