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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Tankrabatt
„Lasst die Kirche im Dorf“ - warum die Senkung der Benzinbesteuerung funktionieren kann

Von Karl-Heinz Paqué
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Die Steuerbelastung auf Kraftstoffe sinkt  bis Ende August um 35,2 Cent pro Liter bei Superbenzin und um 16,7 Cent pro Liter bei Diesel

© picture alliance/dpa | Hauke-Christian Dittrich

Laut einer neuen ARD-Umfrage geben 47 Prozent der Deutschen an, sich stark oder sehr stark einzuschränken im Moment. Die Inflationsrate liegt bei rund 8 Prozent, so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das schlägt vor allem bei schwächeren Einkommensgruppen zu Buche. 77 Prozent der Befragten bezeichnen sich selbst als besonders hart betroffen - wegen ihrer niedrigen Einkommen.

Und was passiert in den sozialen Medien? Dort wird Hohn und Spott über die temporäre Senkung der Benzinbesteuerung verbreitet. Dabei treffen die Kriegsfolgen unmittelbar den mobilen Teil der Bevölkerung: Pendler und Familien. Und sie treffen jenen Teil der autogebundenen Mobilität, der kurz- und mittelfristig nicht so leicht ersetzbar ist: in den dünner besiedelten, eher ländlichen Räume. Arbeitsstätten von Arbeitnehmern, Kunden von Handwerksbetrieben sowie Schulen und Kindertagesstätten für Bildung der Kinder und die Organisation des Familienlebens sind eben auf dem Land mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht (oder noch lange nicht) erreichbar. Autofahrten sind deshalb für das tägliche Leben kaum ersetzbar, die Nachfrage nach Benzin ist sehr „preisunelastisch“. Dies macht die Menschen auf dem Land zu direkten Opfern der Weltmärkte - im Vergleich zu den Städtern, die es da leichter haben und im Durchschnitt auch mehr verdienen.

„Selber Schuld“ - das ist eigentlich die implizite, fast zynische Botschaft an diese große Gruppe der Gesellschaft von manchen Kritikern. Sie sagen im Grunde: „Seht doch zu, wie Ihr zurechtkommt“. Lasst Eure Politiker den Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV) ausbauen; oder steigt einfach in Massen auf Elektroautos um, auch wenn noch gar keine entsprechende Ladeinfrastruktur vorhanden ist. Unverantwortlich angesichts der drohenden Spaltung der Gesellschaft. Sie kann sich vertiefen - zwischen den wohlhabenden urbanen Zentren mit ihrem ausgebauten ÖPNV und dem flachen Land. Ist es nicht sozial viel klüger, den Prozess der ökologischen Veränderung kontinuierlich voranzutreiben und aktuelle Krisen temporär so abzufedern, dass sie keine massiven, regional konzentrierten Sonderopfer verlangen? Um mehr geht es doch gar nicht bei der temporären Steuersenkung. Man muss doch einmal „die Kirche im Dorf lassen“.

Und was ist mit der Behauptung, die Ölkonzerne geben die Steuersenkung gar nicht weiter an die Kunden der Tankstellen? Warten wir doch einmal ab. Der erste Tag nach der Steuersenkung war gekennzeichnet von einem Preissturz, der einige Beobachter überrascht hat. Wie sich die Preise nach Pfingsten entwickeln, wenn die Nachfrage wieder zurückgeht, werden wir sehen. Sollten die Mineralölkonzerne ihre Marktmacht ausnutzen, kann das Bundeskartellamt eingreifen. Die oligopolistische Struktur des Ölmarkts mit wenigen riesigen Konzernen darf nicht die Anpassung der Preise nach unten verhindern. Dies gilt immer, aber in Zeiten hoher Inflation auf den Märkten für Energie gilt das besonders. Das Bundeswirtschaftsministerium ist dann am Zuge der Marktwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.

Und nochmals: Die jüngsten Zahlen zeigen eine Inflationsrate der Verbraucherpreise von rund 8 Prozent. Ein Alarmzeichen, das längst den Lebensstandard der Menschen spürbar nach unten zieht und eine Lohn-Preis-Spirale immer wahrscheinlicher macht. Der politische Handlungsdruck gegenüber den Ölkonzernen ist deshalb potenziell enorm groß, größer jedenfalls als jemals zuvor seit den Ölpreiskrisen der Siebzigerjahre.