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Liberales Bodenseetreffen
Den Glauben an die Handlungsfähigkeit der EU zurückbringen

Beim Liberalen Bodenseeabkommen wurde grenzüberschreitend über das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU diskutiert
Bodenseetreffen

v.l.n.r: Thomas Ilka (Regionalbüroleiter Europäischer Dialog der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit), Doris Hager-Hämmerle (NEOS) und Janos Ammann (Operation Libero) präsentierten die Ergebnisse der Diskussionsforen

© photothek.de / Nicole Maskus-Trippel

Beim Liberalen Bodenseetreffen 2019 haben sich Liberale aus Deutschland, Österreich und der Schweiz getroffen, um über die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU zu diskutieren. Bisher war die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU in 20 zentralen bilateralen und 100 weiteren Abkommen vertraglich geregelt. Derzeit wird dieses Vertragswerk neu aufgestellt – eine willkommene Chance für den öffentlichen Diskurs zum Verhältnis der beiden Partner.

Seit Dezember 2018 liegt ein verhandelter Text für ein Rahmenabkommen auf dem Tisch, der sich nun in der Schweiz in der Konsultation befindet.

In Vorträgen und Diskussionsforen beim Liberalen Bodenseetreffen wurden aktuelle Herausforderungen in Europa, Chancen des Rahmenabkommens und dessen Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, Veränderungen für Grenzgänger sowie geopolitische Interessen der EU und der Schweiz diskutiert.

Durch die Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, NEOS und Operation Libero, wurden nicht nur in der Konzeption und den Impulsen die Perspektiven der Nachbarländer in das Programm eingebunden, auch der Teilnehmerkreis der seit 1972 bestehenden grenzüberschreitenden Veranstaltungsreihe setzte sich aus Deutschen, Schweizern und Österreichern zusammen.

Klare Konzepte gegen Populismus und Autokratie

In seiner Begrüßung betonte der Vorsitzende des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Karl-Heinz Paqué, dass das internationale Gespräch in Zeiten, in denen wir vor gewaltigen Herausforderungen stehen, von großer Bedeutung ist. Dem Wiederaufstieg des Autokratischen und dem Aufstieg des Populismus müsse man mit klaren Konzepten entgegentreten. Die Herausforderungen seien zwar in jedem einzelnen Land anders, gerade in den deutschsprachigen Ländern lassen sich aber gewisse Ähnlichkeiten beobachten, weswegen es sich besonders lohne, den Diskurs zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz zu führen. Wie das auch beim Bodenseetreffen geschehe, sagte Paqué weiter. „Wir werden damit umzugehen haben, dass in Europa die Dinge differenzierter werden“ – der Schweizer Fall habe dabei eine große Bedeutung für den weiteren europäischen Verlauf, führte er aus.

In seinem Impuls sprach János Ammann, Mitglied des Vorstands von Operation Libero, über die Chancen eines EU-Rahmenabkommens. Er betonte, dass der schweizerische Bundesrat zwar ein Rahmenabkommen ausgehandelt habe, um die Beziehung zur EU „einem dringend benötigten Update zu unterziehen“, nun dieses aber nicht öffentlich verteidigen will und daher abwartet. Das Abkommen sei jedoch eine wichtige Chance, da es ein „20-jähriges, statisches Vertragswerk durch ein neues, dynamisches ersetzt“. Die höhere Rechtssicherheit, die das Abkommen mit sich bringe, stärke die Autonomie, die nur durch tatsächliche Mitbestimmung auf europäischer Ebene zu holen ist. „Die Illusion nationaler Souveränität vernebelt die Sicht auf die Realität. Nationale Souveränität gibt es im heutigen technologischen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld für einen Kleinstaat schlicht nicht mehr“, führte Ammann weiter aus.

Der Österreicher Gerald Loacker, NEOS-Abgeordneter im Nationalrat, sprach über Herausforderungen für Europa und betonte, wie wichtig es sei „das große Ganze bei Europa zu sehen“. Die 28 - bald vielleicht nur noch 27 – Mitglieder Europas streiten oft miteinander und vergessen, dass im Zusammenspiel mit großen Mächten wie Amerika, Russland und China ein europäischer Einzelstaat wenig ausrichten kann. „Wir haben die Verantwortung, zusammenzuarbeiten“ und dabei müsse auch jeder einzelne etwas zurückstecken ohne Angst zu haben, dass es der eigenen Nationalpolitik schade. „Wenn wir das nicht schaffen, geben wir den Gegnern von Europa mehr Raum, als wir ihnen geben wollen“.

Konkrete Projekte umsetzen

Der Bundestagsabgeordnete Michael Theurer stellte in seinem Grußwort fest, dass die europäische Integration kein Selbstläufer sei. Der Brexit mache zudem deutlich, dass Integration nicht unumkehrbar ist. „Es gibt in allen europäischen Mitgliedsstaaten mittlerweile europaskeptische Positionen“, erläuterte Theurer. „Wir sind in einer Situation, in der in Europa keine einheitliche Meinungsbildung vorhanden ist – diese Meinungsbildung müssen wir aber vorantreiben in den großen Fragen“ wie der einer möglichen gemeinsamen Sicherheitspolitik. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, in der Europäischen Union darüber zu sprechen, wie sich konkrete Projekte in den nächsten fünf Jahren umsetzen lassen.

Denn nur die konkrete Umsetzung von Leuchtturm-Projekten wie eine grenzüberschreitende Verbrechensbekämpfung oder auch eine einheitliche Klima- und Energiepolitik könne den Glauben in die Handlungsfähigkeit der EU zurückbringen. Ebenso wichtig sei die konsequente Betonung von Innovation – die großen Aufgaben lassen sich nur durch Innovation und Technologie lösen, wo Europa hinter den USA und China noch zu sehr hinterherhinken, weswegen es höchste Zeit sei, „dass Deutschland und Europa Digitalisierung zur Kernaufgabe der Politik machen“, lautete Theurers Fazit.

In drei Diskussionsforen wurden von den Teilnehmern nach den ersten inhaltlichen Beiträgen, gemeinsam mit Experten, verschiedene Aspekte des Rahmenabkommens genauer betrachtet.

Der ehemalige Schweizer Nationalrat Roland Fischer diskutierte gemeinsam mit Karl-Heinz Paqué über die künftigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Schweiz und EU und hielt fest, dass die Schweiz die Zukunft in Europa sehe und an dem Abschluss des Abkommens großes Interesse habe. Der Schweizer Fall könne mit eigens ausgehandelten Verträgen auch ein Beispiel für Großbritannien werden, ergänzte Paqué. Es sei daher wichtig, dass die EU an der Möglichkeit eines gemeinsamen Marktes festhalte und nicht mit einem Ultimatum Druck aufbaue. Die Wahlen des neuen Parlaments im Oktober seien in jedem Fall abzuwarten, war man sich im Forum einig.

Bedienungsanleitung für Europa

Im zweiten Forum tauschten sich die Teilnehmer mit Erik Schweikert MdL, europapolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, und dem Schweizer Nationalrat Hans-Peter Portmann über Grenzgänger aus. Neben Streitfragen wie unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme und der Suche nach entsprechenden Ausgleichsmöglichkeiten wurde vor allem herausgearbeitet, was das Positive am Austausch sei und dass Grenzen weniger als solche betrachtet werden sollten, sondern eher als Zufälligkeiten in Funktionsräumen, in denen sich die Ressourcen marktwirtschaftlich zuordnen können. 

Das dritte Forum drehte sich um geopolitische Interessen der EU und der Schweiz. Michael Georg Link MdB, europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, der für NEOS im österreichischen Nationalrat sowie Bundesvorsitzender der Jungen liberalen NEOS (JUNOS) ist, diskutierten mit den Teilnehmern über gemeinsame Interessen sowie mögliche Konflikte zwischen der EU und der Schweiz. Link betonte, wie dringend es sei, die eigenen Regeln zu überarbeiten und das Einstimmigkeitsprinzip aufzugeben, da dies „eine Bedienungsanleitung für alle ist, die uns spalten wollen“.

Ordentliches Miteinander

Die Kernfragen der Foren fanden auch Eingang in die Abschlussdiskussion mit den neu gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Claudia Gamon aus Österreich und Andreas Glück, der bisher Abgeordneter im Landtag Baden-Württembergs war. Beide Diskutanten waren sich einig, dass man sich klarmachen müsse, was man innerhalb der EU aneinander habe. Darauf sei beim Brexit zu wenig Augenmerk gelegt worden. „Man muss ein ordentliches Miteinander finden und das Rahmenabkommen ist ein Weg dafür“, konstatierte Gamon. Andreas Glück ergänzte, dass die EU schlagkräftiger werden müsse.

Karl-Heinz Paqué fasste zusammen, dass das Rahmenabkommen ernst genommen werden müsse, da „die Schweiz ein unglaublich wichtiges Land sei, als Mutterland der direkten Demokratie und als ein Land, das wirtschaftlich – mitten in Europa gelegen – natürlich eine gewaltige Rolle spielt und in vielerlei Hinsicht auch beispielhaft ist“.  Wie auch die Diskussionen des Liberalen Bodenseeforums gezeigt haben, gehe es also nicht um ein Randthema, sondern um ein „zentrales Thema der europäischen Integration und auch der Annahme der großen Herausforderungen, die wir global haben“.