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G7 Treffen in Deutschland
Die großen Themen auf der Agenda

Motorradstaffel

Motorradstaffel bei der Lotsung der Staatsgäste

© picture alliance/dpa | Angelika Warmuth

Auf Schloss Elmau findet vom 26. bis 28. Juni 2022 der G7-Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft statt. Im Vordergrund steht ein wichtiges Zeichen der Geschlossenheit der sieben wichtigsten demokratischen Industrienationen angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und die engere Kooperation zwischen demokratischen Staaten.

Krieg, Hunger, Energiekrise und Inflation – Die aktuellen Herausforderungen der Staats- und Regierungschefs um Gastgeber Olaf Scholz beim diesjährigen Treffen könnten nicht schwieriger sein. Nach zwei Jahren Pandemie-Ausnahmezustand ist auch dieser Gipfel wieder von Krisen geprägt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dafür gesorgt, dass die Runde der G20 wegen Russland als Koordinierungsgremium ausfällt. Dadurch kommt dem Treffen der sieben wichtigsten demokratischen Industrienationen eine entscheidende Rolle zu. Auf der Agenda stehen die großen Themen. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird virtuell teilnehmen.

Weltwirtschaft in der Dauerkrise

Die G7 haben einmal als Weltwirtschaftsgipfel angefangen und obwohl das Themenspektrum heute deutlich mehr Themen umfasst, erfordern gestörte Lieferketten, steigende Inflation, Ernährungs-, Schulden-, Klima- und Energiekrise ein gemeinsames Vorgehen der demokratischen Industriestaaten. Vor allem wollen die G7 eine entschlossene Antwort auf die Ernährungskrise infolge des Krieges finden und zeigen, dass Demokratien im Kampf gegen den Hunger zusammenstehen. Immer noch blockiert Russland Millionen Tonnen Getreide. Weltweit hungern mehrere hundert Millionen Menschen: knapp 50 Millionen Menschen sind von großem Hunger betroffen, Millionen Kinder schweben infolge von Hunger, Mangel- und Unterernährung in Lebensgefahr. Diese humanitäre Krise birgt die Gefahr, weitere schwere Konflikte hervorzurufen. Viele Länder im globalen Süden sind durch enorme Schulden in ihrem Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. Laut Internationalem Währungsfonds sind rund 60 Prozent der einkommensschwachen Länder in einem Schuldennotstand. Bereits beim Treffen der G7-Finanzminister hat Christian Lindner ein klares Signal gegenüber China gefordert. Schließlich hat China als größter Gläubiger von Schwellen- und Entwicklungsländer bislang einen Schuldenerlass abgelehnt.

Die Rückkehr des Krieges

Als Deutschland den G7-Vorsitz Anfang des Jahres übernahm, war keiner der G7-Staaten – mit Ausnahme vielleicht der USA – auf einen russischen Angriffskrieg in der Ukraine vorbereitet. Die deutsche G7-Präsidentschaft steht daher unter dem Motto Fortschritt für eine gerechte Welt, der Fokus liegt auf Nachhaltigkeit, wirtschaftlicher Stabilität und Transformation, Gesundheit, Entwicklungszusammenarbeit und Friedenssicherung und Dialog. Die notwendige engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik stand auf keiner Agenda. Trotz diverser ministerieller Treffen ist keines der G7-Verteidigungsminister geplant. Dennoch dreht sich seit Ende Februar jedes der Ministertreffen – von Agrarthemen über Arbeit und Soziales, Finanz- und Wirtschaftsthemen und natürlich Außenpolitik – immer auch um Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vor Übernahme der G7-Präsidentschaft durch Deutschland war die Weltlage eine andere. Nichts hat den Westen, die NATO und die EU so sehr vereint wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Um liberale Demokratien nachhaltig schützen zu können und gegen autokratische Regime nach außen und innen zu stärken, müssen Rahmen geschaffen werden, die eine intensivere verteidigungspolitische Zusammenarbeit ermöglichen.   

Herausforderungen für die Digitalpolitik

Der Krieg gegen die Ukraine betont die Bedeutung von Cybersicherheit und hybriden Bedrohungen. Bereits im Mai dieses Jahres haben sich die Digitalministerinnen und -minister in einer gemeinsamen Erklärung darauf verständigt, die Cyberresilienz und die digitale Infrastruktur besser zu schützen und zu stärken. Die G7 haben festgehalten, dass sie sich in weiteren Gremien – wie der OECD und den VN – für dieses Ziel einsetzen werden. Denn nur der breite internationale Einsatz, insbesondere durch einen Multi-Stakeholder-Dialog, wird den Herausforderungen bei der Internet-Governance und dem Eintreten von demokratischen Werten im digitalen Raum gerecht werden können. In den Hintergrund gerückt sind die gemeinsamen Bestrebungen beim internationalen Datenaustausch. Durch ein „Free Flow of Data with Trust“ sollen nicht nur demokratische Werte geachtet, sondern auch Innovation und Wohlstand gefördert werden. Der sichere Austausch von Daten zwischen den G7 selbst, aber auch mit weiteren Partnern, ist ein wichtiger Baustein für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Prosperität.

Allianz für die Demokratie

Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zeichnet die G7 vor allem ihre demokratische Verfasstheit aus. So wird das Treffen auch immer mehr zum Ausgangspunkt für die Stärkung der globalen Zusammenarbeit demokratischer Länder. Bereits im vergangenen Jahr hat die damalige britische G7-Präsidentschaft weitere demokratische Staaten zum Gipfel in Cornwall eingeladen, um über eine engere Kooperation liberaler Demokratien zu sprechen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit den Staats- und Regierungschefs von Indonesien, Indien, Südafrika, Senegal und Argentinien weitere Länder eingeladen. Nicht alle dieser Staaten sind liberale Demokratien wie die G7-Mitglieder, aber sie können wichtige Partner im zunehmenden Systemwettbewerb zwischen liberalen Demokratien und autoritären Regimen sein. Dieser hat seit dem letzten Treffen der wichtigsten demokratischen Wirtschaftsmächte durch den Schulterschluss zwischen China und Russland noch mal an Brisanz gewonnen. Längst ist es daher an der Zeit, an der konkreten Ausgestaltung demokratischer Allianzen zu arbeiten. Selbst die B7, also die führenden Wirtschafts- und Industrieverbände der G7-Staaten, haben die Kooperation demokratischer Staaten an erster Stelle ihrer Empfehlungen an die G7-Entscheidungsträger gesetzt – trotz der wirtschaftlichen Situation.

Für die Autorinnen und Autoren eines Impulspapieres der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit steht fest, dass es ohne einen Schulterschluss demokratischer Staaten schwierig wird, dem aggressiven Auftreten autokratischer Staaten entschlossen entgegen zu treten.

Impulspapier mit liberalen Ansätzen

Unter dem Titel „Allianzen für Demokratie – Liberale Ansätze für den neuen Systemwettbewerb“ haben sie Ideen gesammelt, wie eine solche Kooperation aussehen kann. Vier ausgewählte Politikfelder stehen dabei im Mittelpunkt: Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, Globalisierung und die Zukunft wirtschaftlicher Kooperation, Desinformation und Cyberangriffe sowie Sicherheit und Abschreckung.

Diese werden ergänzt um Gastbeiträge zu den übergeordneten Themen demokratische Allianzen, die transatlantischen Beziehungen als Kern demokratischer Kooperation und der Schutz der Demokratien gegenüber inneren Bedrohungen. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, setzt sich schon lange für eine stärkere Zusammenarbeit demokratischer Staaten ein und plädiert in seinem Beitrag für eine globale „Demokratische Allianz“ als eigene Organisation. Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit und Bundestagsabgeordneter, Michael Link, sieht Deutschland, die Vereinigten Staaten und Kanada in einer Vorbildrolle, „um die Handlungsfähigkeit demokratischer Ordnungen und ihren umfassenden gesellschaftlichen Mehrwert weltweit sichtbar zu machen.“ Die Expertinnen und Experten der Abteilung globale Themen identifizieren in ihren Beiträgen Kooperationsfelder für solche Allianzen und der Demokratieexperte Christopher Gohl fordert eine Lernende Demokratie, um neben den äußeren Feinden der Demokratie auch die inneren Bedrohungen zu adressieren. Dieses Impulspapier hat nicht den Anspruch, abschließende Antworten zu bieten, sondern möchte Debattenanstöße für liberale Ansätze in einer Zeit geben, die stärker von geopolitischen Herausforderungen und einem neuen Systemwettbewerb geprägt sind.