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Liberale Literatur
Alina Lisitzkaya (Hrsg.): Stimmen der Hoffnung. Aufzeichnungen, Gedichte, Texte der Belarussischen Freiheitsbewegung

Rezensiert von Hans-Georg Fleck
Liberale Literatur

Die hier anzuzeigende Textsammlung, die von der in Berlin lebenden Publizistin und Übersetzerin Alina Lisitzkaya herausgegeben worden ist, führt den Leser in die Ereignisse um und nach den (gefälschten) belarussischen Präsidentschaftswahlen im August 2020, die zu einer breiten friedlichen Demonstrationsbewegung gegen das Lukaschenko-Regime geführt hatten. Bekannte belarussische Autoren sowie bislang unbekannte Zeitzeugen berichten – in verschiedenen literarischen Formen – von den Manifestationen der Demokratiebewegung, aber auch von der rücksichtslosen Brutalität der staatlichen Organe, der zahlreiche Demonstranten zum Opfer fielen.

Bei den Versammlungen der Opposition in Städten und Gemeinden von Belarus sowie in den sozialen Netzwerken kursierten damals Reden, Gedichte, Erzählungen und Tatsachenberichte von Menschen, die bisher zum Teil noch nie öffentlich in Erscheinung getreten waren. Die Publikation macht ihre Stimmen nun in einer zweisprachigen Ausgabe (russisch-deutsch bzw. belarussisch-deutsch, je nach Originaltext) häufig erstmalig auch außerhalb von Belarus vernehmbar.

Im Vorwort von Alina Lisitzkaya heißt es, das Buch solle einen Beitrag dazu leisten, „dass die Erfahrungen der Überwindung von Angst und die Erfahrung der Solidarität dokumentiert wird und damit ein Teil der Geschichte von Belarus bleibt“. Die Textsammlung soll helfen, „die Hoffnung zu bewahren, denn so lange man gehört wird, verliert man auch die Hoffnung nicht“. Diese Worte haben heute, nachdem das Lukaschenko-Regime seine Gegner weitgehend in Kerker und Straflager verbannt oder in die Emigration getrieben hat, eine besondere Strahlkraft. Wer noch nicht sicher war, was ein demokratisches Belarus – wenn es denn aus den Wahlen als Sieger hervorgegangen wäre – von seinem großen Nachbarn zu erwarten hätte, der weiß es seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ganz genau. Freiheit und universale Menschenrechte, die in diesen Tagen so oft von konstruierten oder fiktiven „Identitäten“ herausgefordert oder gar verdrängt werden, zeigen hier ihre Wirkungsmacht – allen Unterdrückungsmechanismen zum Trotz.

Bemerkenswert ist, dass die Publikation durch viele aktive Unterstützer, vor allem die Übersetzer, sowie das belarussische Media-Projekt „August 2020“ nur wenige Monate nach den Ereignissen in einer graphisch ansprechenden Form erscheinen konnte. Hierzu hat sicher vor allem die materielle Unterstützung des PEN Deutschland und seiner „Stiftung für die Freiheit des Worts“ beigetragen. Mit der Aufnahme in die Publikationen des Verlages „Das kulturelle Gedächtnis“ hat die belarussische Textsammlung aber auch einen angemessenen und ansprechenden Erscheinungsort gefunden.

Lesen Sie hier die gesamte Literaturkritik 2/2023.