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Istanbul
Neues Wahrzeichen Galataport Istanbul – die Kreuzfahrtsaison kann beginnen

Galataport Istanbul
© picture alliance / imageBROKER | Karl F. Schöfmann  

„Dir gehört die Stadt, dir gehört das Meer“ – so hieß es auf dem Bauzaun rund um das Gelände des Galataports, der den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt jahrelang den Zugang zum Bosporus abschnitt. Nach fünfjähriger Bauzeit und Verspätung aufgrund der Pandemie kommt nun ein riesiger Gebäude-Komplex zum Vorschein, welcher sich über anderthalb Kilometer am Zusammenfluss von Bosporus und goldenem Horn entlang des alten Hafenviertels Karaköy erstreckt. Das Ziel: Kreuzfahrt, Konsum und Kultur in einem Ort zu vereinen.

Was beim Schlendern über die neue Uferpromenade zuerst auffällt, ist die atemberaubende Sicht auf die historische Halbinsel – Hagia Sophia, Blaue Moschee und Topkapi-Palast reihen sich vor den Augen der Besucher auf und laden zum Verweilen in einem der vielen Restaurants und Cafés. Die Architektur des Gebäude-Komplexes ist mit viel Stahl, Beton und Glas strikt modern gehalten und unzählige Geschäfte, Edelboutiquen, ein Luxushotel und das berühmte Istanbul Modern, das Istanbuler Museum für moderne Kunst, sind auf dem Gelände untergebracht. Auch ein historischer Glockenturm aus dem Jahr 1848 wurde in den Komplex integriert, und angrenzend an das Gelände erheben sich die Minarette zweier Sultans-Moscheen.

Der Kreuzfahrtterminal selbst wurde geschickt in das Bosporusufer integriert: Beim Anlegen eines Kreuzfahrtschiffes hebt sich die Uferpromenade zu einer senkrechten Mauer und enthüllt den Zugang auf eine Rampe, die zum unterirdischen Terminal führt, wo Zoll und Passkontrolle untergebracht sind. Bis zu drei Ozeanriesen gleichzeitig können am Galataport anlegen und bis zu 15.000 Passagiere täglich abfertigen. Der Verband türkischer Reisebüros (TÜRSAB) erwartet, dass der Kreuzfahrthafen künftig rund 25 Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr begrüßen wird, darunter 7 Millionen Touristinnen und Touristen und 1,5 Millionen Kreuzfahrtpassagiere, und rechnet mit Einnahmen von bis zu einer Milliarde Dollar jährlich. Außerdem erhofft man sich durch die Eröffnung des Galataports eine Zunahme des Kreuzfahrtverkehrs auch in anderen Häfen der Türkei, was die gebeutelte Tourismusbranche nach knapp zwei Jahren Pandemie gut gebrauchen könnte.

Vor allem die Wiedereröffnung des Museums für moderne Kunst im Galataport-Komplex, das momentan noch in der Nähe des Galataturms untergebracht ist, war ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung des Projekts, denn es gab viele kritische Stimmen, die in Galataport nur die Eröffnung eines weiteren Einkaufszentrums sahen, welches der Bevölkerung selbst kaum zu Gute kommen würde. „Grundsätzlich ist nichts gegen die Umwandlung historischer Industrieflächen in Kulturstätten einzuwenden“, schrieb die Architektin Meryem Tasdemir im Fachblatt Politeknik. Doch wer profitiert davon? Laut Chefredakteur Fatih Polat von der Zeitung Evrensel ist Galataport in erster Linie für Kreuzfahrtpassagiere konzipiert, die dort ihre Devisen ausgeben sollen. Welchen Mehrwehrt hat Galataport also für die Einwohnerinnen und Einwohner der 16-Millionen-Metropole selbst? Für die Istanbulerinnen und Istanbuler mit dem nötigen Kleingeld stellt der Kreuzfahrthafen ein attraktives Ausflugsziel dar, doch für den Rest der Bevölkerung hat er wenig zu bieten: Keine zusätzlichen Grünflächen, Spielplätze oder preiswerten Alternativen zu den Restaurants, deren Preise selbst die regierungsnahe Tageszeitung Hürriyet als die teuersten von Istanbul bezeichnet hat.

 „Dir gehört die Stadt, dir gehört das Meer“ – auch wenn Galataport formal für die gesamte Bevölkerung geöffnet ist, richtet sich die alte Bauzaunaufschrift vor allem an diejenigen, die über entsprechende finanzielle Mittel verfügen. Das treibt die Gentrifizierung der historischen Stadtviertel Istanbuls weiter an. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorteile überwiegen, Galataport zu einem weiteren Wahrzeichen der Stadt avanciert und der Kreuzfahrttourismus der notleidenden Wirtschaft der Türkei unter die Arme greifen wird.

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