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20 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung

Am Ende einer heftigen dreistündigen Debatte stimmten 23 Abgeordnete der CDU gegen die eigene Regierung. Die Emotionen, die damals die Diskussion über die Deutsch-Tschechische Erklärung bestimmten, muten heute wie ein Relikt aus ferner Vergangenheit an. Die Versöhnung zwischen beiden Ländern ist so sehr gediehen, dass Missstimmungen kaum noch auftreten. Das ist nicht zuletzt ein Indikator für den Erfolg der Politik, die vor nunmehr 20 Jahren in Gang gesetzt wurde.   Am 21. Januar 1997 unterzeichneten die Regierungschefs Helmut Kohl und Vaclav Klaus, sowie die Außenminister Dr. Klaus Kinkel und Josef Zieleniec die „Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung“, die einen Schlussstrich unter die historischen Zerrüttungen ziehen sollte, die das Verhältnis zwischen beiden Ländern lange belastet hatten. Zwanzig Jahr später stellte Klaus Kinkel auf einer Feierstunde der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in der Deutschen Botschaft in Prag fest: „Die bilateralen Beziehungen stehen auf einem soliden Fundament und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen geht voran und funktioniert. Darüber hinaus ist Deutschland Tschechiens wichtigster Wirtschaftspartner.“   Gute Beziehungen im Vereinten Europa Mit kaum einem Land führt die Bundesrepublik so normale und problemfreie Beziehung wie mit Tschechien. Im öffentlichen Bewusstsein ist Geschichte Geschichte geworden. Natürlich kann es auch Divergenzen geben, wie etwa bei der Flüchtlingspolitik. Aber auch diese Differenzen haben das Gesamtverhältnis zwischen beiden Staaten nicht tief erschüttert. Festzuhalten ist, dass Tschechien hier auch zu den moderaten Kräften unter den Visegrad-Ländern gehört und eine konstruktive Rolle spielt. Erfreulich sei dabei vor allem, so Kinkel, dass Tschechien „auch den verstärkten Schutz der Außengrenzen und die Fluchtursachenbekämpfung vor Ort unterstützt.“ Und nicht nur die Normalität der bilateralen Beziehungen verdanken wir der Erklärung von 1997. Vor allem entfernte die Versöhnung einen Stolperstein auf dem Weg Tschechiens in die EU, die die Erklärung entsprechend begrüßte. 2004 gehörte Tschechien zu den ersten Ländern des früheren Sowjetimperiums, das in die EU aufgenommen wurde.   Versöhnung von unten: 25 Jahre Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Prag Eine politische Deklaration kann nur eine solche Wirkung entfalten, wenn sich auch „von unten“ zivilgesellschaftliche Akteure dafür einsetzen. Die Veranstaltung mit Klaus Kinkel zum 20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung war zugleich verbunden mit einem Lob für die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die schon vor 25. Jahren in Prag ihre Arbeit aufnahm und damit ihren wichtigen Beitrag für die deutsch-tschechischen Beziehungen leistete. Kinkel und der Vorsitzende des Vorstands der Stiftung, Dr. Wolfgang Gerhardt, dankten bei dieser Gelegenheit dem scheidenden Leiter des Prager Büros, Dr. Borek Severa, der die liberale Bildungsarbeit der Stiftung von Anfang an mit Verve, Kompetenz und großem Erfolg aufgebaut und betrieben hat, und der zu Jahresbeginn in den Ruhestand gegangen ist. Borek Severa habe Maßstäbe gesetzt, betonte Gerhardt. Gleichzeitig wurde der neue Leiter des Büro, Dr. Detmar Doering, vorgestellt. Die Versöhnungsbotschaft der Deutsch-Tschechischen Erklärung und der historische Prozess, der durch sie in Gang gesetzt wurde, erklärte er, sei gerade für die Arbeit der Stiftung für die Freiheit weiterhin ein Zukunftsauftrag.   [gallery ids="13205,13202,13203,13204,13198,13199,13201,13200,13180,13181,13183,13185,13186,13187,13188,13189,13207,13206,13191,13208,13192,13210,13209,13193,13194" type="slideshow" link="none"]   Historischer Rückblick Die Deutsch-Tschechische Erklärung war keinesfalls so selbstverständlich, wie es uns heute erscheint, denn das historisch gewachsene Misstrauen war groß. Nicht nur im Deutschen Bundestag schlugen die emotionalen Wellen hoch. In Tschechien wurde die Parlamentsdebatte über den Vertrag noch heftiger geführt. Vier Tage stritten sich die Abgeordneten – teilweise bis spät in die Nacht. Trotz vieler Gegenstimmen (131:59) wurde das Dokument am Ende doch verabschiedet. In Tschechien erinnerten Gegner der Erklärung an die Nazigräuel und äußerten Befürchtungen, dass ein wiedervereintes Deutschland nun zu revanchistischen Forderungen zur Restitution der vertriebenen Sudeten übergehen könne. In Deutschland erwartete man von den Tschechen das Eingeständnis, dass es bei der Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. Die gemeinsame Erklärung adressierte alle diese Einwände. Das Münchener Abkommen von 1938, das Hitler den Weg geebnet hatte, die Tschechoslowakei zu zerschlagen, wurde für nichtig erklärt. Gegenseitige Gebietsansprüche wurden kategorisch ausgeschlossen. Historisch brisante Fragen wurden durch die Einrichtung einer gemeinsamen Historikerkommission versachlicht. Ein gemeinsamer Zukunftsfonds sollte Projekte fördern, die den Versöhnungsprozess unterstützten. Es war ein Dokument, das den Geist der liberalen Entspannungspolitik weiterführte, die während des Kalten Krieges von liberalen Außenministern wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher vorangetrieben worden war. Heute können wir feststellen: Die Deutsch-Tschechische Erklärung erreichte alles, was sie erreichen sollte und konnte.