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Gender Equality in Korea
„Männer werden viel schneller respektiert“

Ara Goh, Founder and CEO of ALLY

Ara Goh, Founder and CEO of ALLY

Ara Goh ist die Gründerin der Beratungsfirma 'Ally'. Die Unternehmerin ist auch eine Verfechterin für mehr Frauen in Führungspositionen. Gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Korea organisierte sie einen Workshop, bei der sich Chefinnen darüber austauschten, wie die männlich dominierte koreanische Wirtschaft diverser werden kann.

Im Interview mit freiheit.org spricht Goh über ihre Erfahrungen als Frau in der koreanischen Geschäftswelt: über den immensen Leistungsdruck, die Schwierigkeiten, eine weibliche Führungskraft in einer konservativen Kultur zu werden, und die extrem niedrige Geburtenrate in Korea.

FNF Korea: Frau Goh, Sie haben ein Beratungsunternehmen gegründet, das Start-ups dabei hilft, neue Technologien wie KI und Blockchain zu nutzen. Aber Sie unterstützen diese auch dabei, vielfältiger zu werden. Warum ist das notwendig?

Frau Goh: Als Frau habe ich selbst viele  Herausforderungen in der koreanischen Arbeitswelt erlebt. Ich möchte anderen Frauen diese Erfahrungen ersparen, indem ich Unternehmen dabei unterstütze, vielfältiger und gerechter zu werden. Wir möchten der Katalysator sein, der neue Ideen und Möglichkeiten aus anderen Ländern integriert und unseren Kunden neue Perspektiven eröffnet.

Welche Herausforderungen haben Sie in Ihrer Karriere erlebt?

Bei meinem ersten Job war ich das erste und einzige weibliche Teammitglied in meiner Abteilung, in einem traditionellen koreanischen Automobilunternehmen. Es gab die Erwartung, lange Stunden zu arbeiten, sogar am Wochenende. Mein zweites Unternehmen war eine deutsche Firma, und ich wurde mit dem Versprechen einer besseren Work-Life-Balance angeworben. Manchmal habe ich jedoch aufgrund des Pensums als Gründungsmitglied einer neuen Abteilung erst nach Mitternacht das Büro verlassen. Ich habe dieses Problem bei meinem konservativen koreanischen Chef angesprochen. Er antwortete mir, dass er in meinem Alter und in meiner Position, drei Tage lang durchgearbeitet habe.

Korea ist für seine langen Arbeitszeiten bekannt. Hätte Ihr Chef nicht dasselbe zu einem männlichen Mitarbeiter gesagt?

Ja und die meisten meiner männlichen Kollegen würden nicht einmal in Betracht ziehen, solche Probleme beim Chef anzusprechen. Diese Zurückhaltung rührt von einer tief verwurzelten Kultur, die Loyalität und Respekt vor Älteren schätzt. Diese Einstellungen werden oft während des Militärdienstes verstärkt.

Werden Frauen und Männer unterschiedlich behandelt?

Wie in anderen Ländern verdienen Männer im Büro viel schneller Respekt und Anerkennung. Als Frau hatte ich immer das Gefühl, meine Fähigkeiten stärker beweisen zu müssen. Ich wollte ein Beispiel dafür sein, dass Frauen genauso arbeiten können wie Männer. Aber als Frau in Korea reicht das nicht aus. Von mir wurde erwartet, die Rolle einer Cheerleaderin für das Team zu spielen und immer angenehm und fröhlich an meinem Schreibtisch zu sein.

In koreanische Unternehmen existiert die berüchtigte Hwae-sik-Kultur, bei der Kollegen gemeinsam Abendessen und oft Alkohol trinken - manchmal im Übermaß. Ist das ein Nachteil für Frauen?

Natürlich fühlte es sich seltsam an, die einzige Frau in solchen Situationen zu sein. Mein damaliger Chef erlaubte mir, einige Runden Drinks auszulassen, und unterstützte meine Karriere als weibliche Führungskraft. Allerdings gab er mir auch einen Rat: In dieser Gesellschaft sollten Führungskräfte wissen, wie man trinkt.

Haben Sie geschlechtsspezifische Diskriminierung erlebt, die besonders schwierig schien?

Es gab sicherlich Herausforderungen, wie häufige unangemessene Fragen zu meinen zukünftigen Familienplänen. Diese Erfahrungen haben meinen Entschluss gestärkt, eine inklusivere Unternehmenskultur zu fördern.

Gehen Personalabteilungen in Korea diese Probleme effektiv an?

Personalabteilungen in Korea sind typischerweise ziemlich schwach. Ich weiß von eine Freundin, die für Meta in den USA arbeitet, dass sie ihre Vorgesetzten bewertet und es dort ziemlich starken internen Mechanismus gibt, um jede Art von Diskriminierung zu melden. In Korea ist sowas bei weitem nicht der Fall. Wer diskriminiert wird, hat deswegen oft nur die Möglichkeit, das Unternehmen zu verlassen. Ich glaube, ähnliche Systeme wie in den USA werden sich allmählich auch in Korea durchsetzen.

Jannik Krahe is interviewing Ara Goh

Auch in Korea war MeToo ein großes Thema, es wurden viele Missbrauchsfälle öffentlich. Unter den Tätern waren auch prominente Persönlichkeiten wie Präsidentschaftskandidat Ahn Hee-jung. Hat sich etwas geändert?

Es war sicherlich ein bedeutendes Thema in Korea zu der Zeit. Die rechtlichen Konsequenzen waren jedoch begrenzt. Das Problem bleibt, dass sich viele Opfer schämen und die Konsequenzen fürchten, wenn sie sich gegen mächtige Männer wehren. Obwohl noch viel Arbeit zu tun ist, wurde zweifellos der Grundstein für dauerhafte Veränderungen gelegt.

Ist Belästigung also immer noch weit verbreitet in der koreanischen Geschäftswelt?

Ja, hier nur ein Bespiel: Ich arbeite mit zahlreichen Start-ups zusammen. Von ihren weiblichen Führungskräften habe ich von sogenannten "Black Angel"-Investoren gehört. Als junge Gründerin können Sie auf Investoren stoßen, die verlangen, mit Ihnen auszugehen - als Voraussetzung für die Finanzierung. Ich war schockiert, das zu erfahren. Das ist sicherlich ein Risiko für weibliche Führungskräfte in der koreanischen Geschäftswelt.

Viele junge Männer in Korea sind gegen Maßnahmen zu Förderung von Frauen. Korea ist dahingehend einzigartig, weil junge Männer tendenziell konservativer wählen als die vorherige Generation.

Einige junge männliche Konservative fühlen sich selbst stärker diskriminiert. Der Wettbewerb unter jungen Menschen um gute Arbeitsplätze in Korea ist unglaublich hart. Sie fürchten also, dass Frauen ihnen begrenzte Jobmöglichkeiten wegnehmen könnten. Sie weisen auch darauf hin, dass nur Männer den obligatorischen Militärdienst ableisten müssen, der zwischen 18 und 21 Monate dauert.

Was sagen Sie diesen jungen Männern?

Ich sage ihnen, dass auch Frauen Belastungen tragen, weil sie Kinder gebären. Es ist auch eine Tatsache, dass viele koreanische Männer sich nicht für die Kinderbetreuung und Hausarbeit verantwortlich fühlen. Es gibt einige Veränderungen bei den jüngeren Generationen. Viele Männer sagen jetzt: "Ich helfe meiner Frau bei der Kinderbetreuung und den Hausarbeiten." Aber es sollte heißen: "Ich teile die Hausarbeit und die Kinderbetreuung mit meiner Frau."

Südkorea hat die niedrigste Geburtenrate aller Länder der Welt - nur 0,79 Kinder pro Frau. Was sind die Gründe?

Frauen und Männer stehen unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Sie müssen sich hervortun, und Teilzeitarbeit wird bei hochqualifizierten Menschen kaum akzeptiert. Zusätzlich gibt es zu wenige Kindertagesstätten oder sie haben begrenzte Öffnungszeiten. Sie sollten bis 19 Uhr geöffnet sein - im Einklang mit den Arbeitszeiten vieler Menschen in Korea. Ich glaube, dass aufgrund der unzureichenden Unterstützung viele Frauen in ihren 20ern auf Kinder verzichten. Sie konzentrieren sich stattdessen auf ihre eigenen Karrieren und wirtschaftliche Lage.

Warum wird Teilzeitarbeit nicht akzeptiert?

Das deutsche Beispiel zeigt, dass Teilzeitarbeit Familien zugute kommt. Hier in Korea ist sie jedoch nicht etabliert. Unternehmen erkennen nicht die Vorteile: Sie realisieren nicht, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten können. Andererseits gibt es auch in der Belegschaft die Befürchtung, als weniger fleißig zu gelten, wenn man vor 18 Uhr geht. Die Regierung muss Teilzeitmodelle durch Information und Regulierung fördern.

Und was ist mit den älteren Generationen? Wie reagieren sie auf diese Politik?

Die älteren Generationen haben eine sehr traditionelle Sicht auf Frauen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sie vor allem Frauen enormen Druck machen, Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen. Ich sage ihnen immer, dass dies nicht ihre Entscheidung ist und dass es angesichts meiner Verantwortlichkeiten bei der Arbeit derzeit nicht machbar ist. Indem wir mit einer modernen Ethik führen, können wir zeigen, dass Familie und Karriere sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich bereichern können.

Wenn Sie einen Ausblick darauf geben, wie man Dinge angehen könnte, wie sehen Sie die Zukunft?

Ich denke, viele Menschen sind sich der Probleme bewusst. Ich kann sagen, dass Ally mit Start-ups und Unternehmen zusammenarbeitet, um Antworten zu finden. Aber im größeren Rahmen wird trotz des Bewusstseins für die Probleme nicht genug getan. Wir müssen auch die Denkweise einiger Frauen ändern. Viele glauben, sie seien zu schwach, um sich durchzusetzen. Ich überzeuge sie davon, dass sie stark genug sind und entsprechend handeln sollten.

 

Das Interview wurde von Jannik Krahe geführt, der derzeit Praktikant im Büro der Stiftung in Seoul ist. Herr Krahe studiert Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt. Er spezialisiert sich auf politische Theorie und soziale Gleichheit.