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Wirtschaftspolitik
Wann, wenn nicht jetzt?

Der kurzfristige Konjunktureinbruch ruft nach einer kräftigen Steuersenkung. Das langfristige Wirtschaftswachstum verlangt sie ohnehin. Weiteres muss hinzukommen.
Karl-Heinz Paqué

Karl-Heinz Paqué

© Photothek / Thomas Imo

In dieser Woche brach er ein, der Ifo-Index für das aktuelle Geschäftsklima in Deutschland. Längst sind die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr scharf nach unten korrigiert worden: Die deutsche Wirtschaft stagniert, eine Rezession ist nicht mehr auszuschließen. Höchste Zeit für eine ohnehin nötige Steuersenkung (und Weiteres), sagt unser Vorstandsvorsitzender und Volkswirt Professor Paqué.

"Deutschland geht die Puste aus" - so titelte das Handelsblatt schon vor einem Vierteljahr, als der monatlich ausgewiesene Ifo-Geschäftsklima-Index zum fünften Mal hintereinander nach unten rutschte. Jetzt rutschte er wieder, und zwar drastisch.

Das Bild der ausgehenden Puste trifft ins Schwarze. Denn seit dem Auslaufen der Weltfinanzkrise 2010 hat die deutsche Wirtschaft einen Langstreckenlauf des stabilen Wachstums hingelegt, auf den andere Länder zum Teil neidvoll blicken: jahraus jahrein eine moderate, aber deutliche Expansion der wirtschaftlichen Leistung gemessen am Bruttoinlandsprodukt; kontinuierliche Abnahme der Arbeitslosigkeit auf historische Tiefstände des wiedervereinigten Landes; massiv sprudelnde Steuereinnahmen, die ohne harten Sparkurs in Überschüssen der öffentlichen Haushalte mündeten. Und dies alles mit riesigen außenwirtschaftlichen Überschüssen in der Leistungsbilanz und ohne jede spürbare Preis- und Lohninflation, trotz zunehmendem Mangel an Arbeitskräften. Ein gesamtwirtschaftliches Schlaraffenland!

Damit geht es jetzt erstmal zu Ende. Auch in Europa und weltweit zeigen sich deutliche konjunkturelle Bremsspuren, bedingt auch durch die vielen Krisenherde vom Brexit über den Protektionismus bis zur Verschärfung globaler politischer Konflikte. Gleichwohl ist die Bremsung in Deutschland besonders augenfällig - jedenfalls für diejenigen, die wie die Freien Demokraten aus der parlamentarischen Opposition heraus schon früh eine mutigere staatliche Wachstumspolitik anmahnten und vor deutscher Selbstzufriedenheit warnten. Jetzt ist eine Wachstumspolitik auch konjunkturpolitisches Gebot.

Wie könnte sie aussehen? Die Antwort ist verblüffend einfach. Überspitzt formuliert: Steuersenkung, Investitionen und Einwanderung. Alle drei Elemente sind möglich, weil die Konstellation für eine nachhaltige Expansion extrem günstig ist - wir kommen ja gerade aus dem gesamtwirtschaftlichen Schlaraffenland. Im Einzelnen:

Steuersenkung für Mittelschicht und gewerblichen Mittelstand

Der Solidaritätszuschlag muss sofort und ersatzlos gestrichen werden. Weitere Senkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer sollten hinzukommen, steht doch Deutschland im Niveau der gesamten Abgabenbelastung im Vergleich der wohlhabenden Industrienationen auf einem Spitzenplatz - aktuell an zweiter Stelle, übertroffen nur von Belgien. Hinzu kommt, dass die breite arbeitende Mittelschicht und der ebenso breite gewerbliche Mittelstand von der Abgabenlast besonders hart betroffen sind, wie eine Studie des RWI Essen aus dem Jahr 2017 zeigt. Sie zu entlasten ist nicht nur ein Gebot der Fairness und Gerechtigkeit, sondern auch der wirtschaftlichen Vernunft, denn sie sind und bleiben die wichtigsten Leistungsträger unserer Gesellschaft.

Mehr Investitionen in die Infrastruktur

Es muss eine Veränderung der Schwerpunkte staatlicher Ausgaben geben: weg vom Konsum und hin zu Investitionen. Dazu zählt zu allererst die Infrastruktur, in Deutschland vor allem der Ausbau der Kommunikation und die Instandhaltung der Verkehrswege. In beiderlei Hinsicht gibt es einen gewaltigen Investitionsstau, der entschlossen und schnell abgebaut werden muss. Dies gilt bis hin zur Verteidigungspolitik, denn der Zustand von Ausrüstung und Material der Bundeswehr wird zu Recht in Deutschland und der Nato kritisiert - die jüngsten Pannen bei der Flugbereitschaft sind da nur die Spitze des Eisberges.

Höhere Erwerbsbeteiligung und Einwanderung 

Unser Land steuert auf eine gewaltige Knappheit an Arbeitskräften zu, sobald die Generation der Babyboomer Schritt für Schritt ab 2020 in den Ruhestand geht. Deswegen brauchen wir nicht nur eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung im eigenen Land, was nur gelingen kann, wenn Staat und Arbeitgeber die nötigen Voraussetzungen schaffen - bis hin zu besseren Kita-Angeboten für junge Familien und besseren Arbeitsbedingungen für ältere Menschen. Und wir brauchen daneben auch ein Einwanderungsgesetz, das den Zuzug motivierter und qualifizierter Menschen erleichtert, aber einen unkontrollierten Zustrom wie im Jahr 2015 verhindert.