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Wirtschaft
Please, no cherry picking, Mr President!

Donald Trumps Handelspolitik wird immer undurchsichtiger. Europa muss kühlen Kopf bewahren.
Please, no cherry picking, Mr President! Trump
© CC BY-SA 2.0 / Gage Skidmore

Es ist kaum möglich, Donald Trump, den Hipster der Weltpolitik, in all seinen Winkelzügen zu verstehen und sein weiteres Verhalten vorauszusagen. Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué macht einen weiteren Versuch zur Jahresmitte - Verfallsdatum ungewiss. Seine Botschaft: Europa, bleib' wachsam!

Das Spiel zwischen Härte und Milde beherrscht Donald Trump mit verwirrender Virtuosität. Er droht Europa mit Strafzöllen - und verhängt schließlich welche, allerdings nach langem Zögern: zunächst auf Aluminium und Stahl. Kaum übt Europa maßvolle Vergeltung, beschimpft er die betroffenen amerikanischen Firmen wie Harley Davidson, weil sie Produktionsverlagerungen ins Ausland erwägen. Parallel droht er mit Autozöllen, lässt aber zu (oder veranlasst sogar?), dass Emissäre "geheim" mit der deutschen Autoindustrie verhandeln, um transatlantisch zu Freihandel mit Autos zu kommen, nachdem sich selbst General Motors als einer der Hauptprofiteure der versprochenen Protektion gegen Zölle ausgesprochen hat.

So der aktuelle Stand. Und gleich jubelt die deutsche Politik und Geschäftswelt: Warum nicht ein Extra-Abkommen für Kraftfahrzeuge, wo doch unser Land so sehr auf den Export von Autos angewiesen ist? Auch die Kanzlerin zeigt sich angeblich offen - nach dem Motto: besser ein Branchen-Spatz in der Hand als ein Freihandelsabkommen auf dem Dach!

Das ist kurzsichtig. Es verkennt, dass es bei der Handelspolitik nicht um das Schachern mit dem Schutz für einzelne Produkte geht, sondern um eine stabile Ordnung, faire Regeln und partnerschaftliche Reziprozität. So ist der derzeitige Status Quo, dass Europa bei Autos in der Tat höhere Zölle erhebt als die USA, bei anderen Produkten ist es umgekehrt. Nun einfach in einer einzigen Branche die Zölle zu senken - ohne Gegenleistung in anderen Bereichen und Praktiken, das käme einer Kapitulation vor den amerikanischen Drohungen gleich, nur damit nichts Schlimmeres passiert. Nach dem Motto: "Please, Mr. President, pick your cherries!" Offenkundiger ließe sich die europäische Hilf- und Machtlosigkeit nicht demonstrieren.

Hinzu kommen internationale Komplikationen: Eine Zollsenkung, die sich auf Autos beschränkt, müsste nach WTO-Regeln multilateral erfolgen, also gegenüber allen (künftigen) Auto-Importen nach Europa und den USA, auch zum Beispiel aus China und Indien - und auch da ohne Gegenleistung. Wollen wir das? Und im Übrigen: Was sagen die europäischen Partner dazu? Frankreich und Italien zum Beispiel, beide mit eigenen Automarken, deren Weltmarktposition gegenüber amerikanischer Produktion vielleicht weniger gesichert ist als die der deutschen Nobelmarken.
 
Natürlich könnte sich eine Investition in Goodwill gegenüber Amerika lohnen, vor allem mit Blick auf China, dessen Staatskapitalismus endlich eine klare Antwort des marktwirtschaftlichen Westens verlangt. Aber die Frage ist: Steht Donald Trump überhaupt bereit, diese Antwort zu geben?
Das aktuelle Bild ist auch da höchst widersprüchlich: Zum einen schürt er mit Volldampf den Handelskrieg mit China, zum anderen knickt er bei den Handelseinschränkungen, Überprüfungsmaßnahmen und Strafzahlungen gegenüber dem chinesischen Elektronik-Konzern ZTE voll ein, zum Ärger des amerikanischen Kongresses. Will er möglicherweise einen Deal mit China à la Trump vorzubereiten? Und dies ausgerechnet in jenem einzigen bekannten Fall, bei dem wirklich einmal wichtige Aspekte der nationalen Sicherheit auf dem Spiel stehen, worüber sich Experten einig sind.
 
Alles ist eben im Fluss. Mehr als das: Im Dreieck des Handelskonflikts Amerika-China-Europa macht auch noch China den Europäern massive Avancen, eine gemeinsame Front gegen die USA zu bilden. Dies ist zwar ein höchst unsittliches Angebot aus dem Repertoire der staatskapitalistischen Propaganda, kann allerdings durchaus weitere Kompromissbereitschaft auf der amerikanischen Seite befördern.
 
Kurzum: Alles bleibt offen. Es ist die Zeit des vorsichtigen Auslotens, des genauen Beobachtens und der starken Nerven. Da braucht es kluge Diplomaten und feste Prinzipien. Für Schnellschüsse um des lieben Friedens willen gibt es keinen Anlass.