Foto 
  Karl-Heinz
 
  Paqué
Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wirtschaft
Corona-Kollaps des Außenhandels!

Die Exportzahlen für April 2020 sind ein Tiefpunkt. Sie zeigen, wie ungeheuer wichtig das Wiederbeleben der Globalisierung ist.
hh
© picture alliance/dpa | Axel Heimken

In dieser Woche publizierte das Statistische Bundesamt die neuesten verfügbaren Zahlen zum deutschen Außenhandel. Normalerweise ein Routinevorgang, diesmal aber nicht – wegen Corona. Der Einbruch fiel noch deutlich schlimmer aus als erwartet. Ein Warnzeichen, das sehr ernst zu nehmen ist – so unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué, selbst Volkswirt. Er erklärt warum.

Zunächst zu den Fakten: Im April 2020 fielen die deutschen Exporte an Waren um 31,1 Prozent niedriger aus als im April 2019. Das ist der tiefste Absturz, den es jemals im monatlichen Vorjahresvergleichs in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Der bisherige Negativrekord aus den Zeiten der Weltfinanzkrise lag bei -23,6 Prozent im Juli 2009, und er wurde dem Betrag nach deutlich übertroffen. Für Exporte in einzelne besonders von Corona betroffene Nationen ist das Bild noch düsterer: Frankreich -48,3 Prozent, Italien -40,1 Prozent, Vereinigte Staaten 35,8 Prozent – alles große Länder und überaus wichtige Handelspartner. Wenn es eines Belegs bedurfte, wie sensibel unser Außenhandel auf harte Beschränkungen reagiert, dann ist er mit diesen Zahlen geliefert.

Natürlich wird es dabei nicht bleiben. Die allermeisten Länder in Europa und Ostasien sowie die USA sind auf dem vorsichtigen Weg einer Exitstrategie, die dem Außenhandel zugutekommen wird; und schon im Mai ist damit zu rechnen, dass sich dies in den Zahlen niederschlägt. Erste Indikatoren zum Konsumklima sowie zur Mobilität der Menschen und des Lastwagenverkehrs deuten darauf hin. Überall werden auch große nationale Konjunkturpakete auf den Weg gebracht, ein weiterer Grund zur Hoffnung auf Erholung. Allerdings steht der wahre wirtschaftliche Test erst in den nächsten Monaten und Jahren an: Wird die Globalisierung wieder jene Dynamik entwickeln können, die über drei Jahrzehnte für hochintegrierte Wertschöpfungsketten und weit verbreitete Prosperität sorgte?

Zweifel sind angebracht, und zwar vor allem aus drei Gründen:

  1. Die Globalisierung war auch in den letzten Jahren schon nicht mehr so recht vorangekommen. Manche sprachen schon von „Deglobalization“, andere wie THE ECONOMIST von „Slowbalisation“. Grund dafür war vor allem die Hinwendung der Trump-Administration zum aggressiven Bilateralismus des „America First“. Hinzu kamen die zunehmenden Irritationen eines geradezu imperialistischen Staatskapitalismus Chinas, der weite Teile der Welt gezielt in Abhängigkeit vom Reich der Mitte trieb.
  2. In Europa ist es zum Brexit gekommen. Das Vereinigte Königreich hat die EU verlassen, und niemand weiß, ob es zu einem kooperativen Vertrag des Freihandels in der neuen Lage kommt. Die Nachrichten aus Brüssel und London zum Verhandlungsstand sind alles andere als ermutigend. Eine neue insuläre Abspaltung Großbritanniens, das eigentlich mit seiner liberal geprägten Geschichte eine lange Tradition des Freihandels hat, wäre für alle Beteiligten ein gewaltiger Rückschritt und eine große psychologische Belastung.
  3. Schließlich gab es in Europa im Zuge der Schuldenkrisen der mediterranen Länder ab 2011 zunehmend Unmut über die chronisch hohen Leistungsbilanzüberschüsse, die Deutschland erzielte – bis in eine Größenordnung von 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es ist deshalb nicht einfach damit getan, dass die EU wirtschaftlich zum Status Quo ante zurückfindet, was schwer genug sein wird, denn niemand weiß, welche langfristige Wirkungen auf die Stabilität der Wertschöpfungsketten die Corona-Krise mit sich bringt. Es bedarf zusätzlich einer Stärkung der Defizitländer, denn sie sind letztlich bedeutende Abnehmer der deutschen Produkte.

Es ist deshalb überaus wichtig, dass Deutschland zusammen mit seinen Partnern in den nächsten Monaten an allen drei Fronten voran kommt. Nötig sind (1) eine neue globale Freihandelsinitiative, (2) ein vernünftiges Ergebnis der Verhandlungen der EU mit dem Vereinigten Königreich und (3) die Umsetzung eines EU-Konjunkturprogrammes, das nicht nur Geld in den Kreislauf bringt, sondern die strukturellen Wirtschaftsbedingungen im Süden des Kontinents verbessert.

Kurzum: ein riesiges Programm für die deutsche Ratspräsidentschaft!