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Von Leithammeln und Hahnenkämpfen

Wie hängen menschliche Affekte und politische Rhetorik im Wahlkampf zusammen?

Eine Wahlnachlese der besonderen Art veranstaltete die Reinhold-Maier-Stiftung bei der Schäferei Kirschbaum im Ostalbkreis: Untersucht wurden die Zusammenhänge der Wirkungsweisen politischer Rhetorik und menschlicher Affekte mit einem Exkurs zur Welt der Tiere.

Julia Frank, Leiterin des Liberalen Forums Rems-Murr-Ostalb der Stiftung, legte in ihrer Begrüßung dar, dass verschiedene Untersuchungen belegt hätten, „dass es im Schnitt nur 5 % einer Menge braucht, die den Weg vorgeben, dann folgen ihnen die restlichen 95 % . Dazu braucht es nicht einmal irgendwelche Signale oder Kommentare, es reicht die reine Vorbildwirkung.“ Eine solche Beeinflussung durch den Herdentrieb mache nachdenklich – gleichsam aber auch die Tatsache, was kühl kalkulierte, einfache Sprache vermag, gesehen sowohl im US-Wahlkampf als auch im zurückliegenden Bundestagswahlkampf.

Das Verhalten in einer Herde stand auch im Zentrum der Ausführungen von Karin Kirschbaum, Inhaberin der Schäferei, als diese durch den Schafstall führte und typische Verhaltensweisen der Tiere erläuterte. Schafe fühlten sich nur in größeren Gruppen wohl, da diese Schutz biete: je kleiner die Angriffsfläche sei, desto mehr wirke der Schutz der Herde. Die Verhaltensweisen direkt am lebenden Objekt erläutert zu bekommen, führte zu vielen interessierten Nachfragen und intensiven Diskussionen.

Melanie Kögler, Kommunikationsreferentin der Stiftung für die Freiheit, führte in die theoretischen Grundlagen politischer Rhetorik ein und stellte deren Wirkungsweisen dar. Rhetorik sei stets auf Erfolg, Effektivität und Überzeugung gerichtet - ausgehend von einem Orator, der in der Politik dem jeweils handelnden Politiker entspreche. Die von diesem ausgehenden Überzeugungsmittel bezögen sich auf eine sachlich-rationale Argumentation (Logos), das Image des Redners (Ethos) sowie die Erregung von Affekten (Pathos) beim Adressaten. Um möglichst erfolgreich zu kommunizieren, müsse eine sinnvolle Strategie entwickelt werden. Dies beinhalte sowohl eine individuelles Eingehen auf verschiedene Medien wie Print, Internet oder auch das Fernsehen, aber auch ein angepasstes Kommunikationsverhalten in Gesprächssituationen wie den „Elefantenrunden“ oder dem Kanzlerduell, da dort mit Intervention zu rechnen und das rhetorische Handeln des Gegenübers im Vorfeld nur schwer abzuschätzen sei.

Jochen Merkle, Leiter des Regionalbüros Stuttgart der Stiftung für die Freiheit, widmete sich abschließend der Bedeutung nonverbaler Kommunikation wie Gestik und Mimik in der Politik als öffentlichen Raum und speziell dem Wahlkampf als besonderer Bühne, die mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird. Er stellte menschliche Affekte als Ausdruck sozialer Phänomene wie Macht, Führungsverhalten, Unterordnung oder Konkurrenz vor und zog – nicht immer ganz ernst gemeinte – Parallelen zur Tierwelt. Von Herdentrieb über Hahnenkampf und Stutenbissigkeit, dem Zickenkrieg, dem Hammelsprung - in der Tierwelt wie auch als Abstimmungsverfahren im Bundestag – bis hin zur Ochsentour und dem Stimmvieh lieferte er zahlreiche Beispiele für tierähnliche Verhaltensweisen aus unserer Umgangssprache. Diese führten aufgrund treffender Vergleiche mit nationalen und internationalen Akteuren „im politischen Zirkus“ auch zur Erheiterung und boten Grundlage für zahlreiche interessierte Nachfragen bot.

So konnte man an diesem Tag festhalten: Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der professionalisierten Politik durch Rhetorik und Wahlkampfstrategien gibt es immer noch einen großen Teil wenig steuerbarer, affektbedingter Verhaltensweisen.