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USA
Das Ende der Ära Trump?

US-Demokraten nehmen Amtsenthebung auf
Donald Trump
Donald Trump steht die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens bevor. © picture alliance / newscom

Twitter wimmelte am Dienstag von klischeehaften Metaphern, die die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass sich die Politik in Washington endlich ändert - der Damm bricht, die Flut wendet sich, die Winde drehen sich. Dreizehn Monate vor der Präsidentschaftswahl befinden sich der Kongress und der Präsident einer geteilten Nation offiziell im Krieg. „Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz.“ Mit diesen Worten kündigte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, an, dass die Demokraten eine förmliche Untersuchung zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump einleiten werden. Trump wird beschuldigt, seinen Amtseid in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gebrochen zu haben.

Der erste Schritt der Oppositionschefin erfolgte, nachdem Details des Telefongesprächs durch einen Geheimdienstmitarbeiter ans Tageslicht kamen. In einem Telefonat mit Selenskyj in diesem Sommer soll Trump die ukrainische Regierung mehrfach aufgefordert haben, gegen den Sohn seines Rivalen Joe Biden zu ermitteln. In den Tagen vor dem Anruf wies Trump seine Berater an, 400 Millionen Dollar an Militärhilfe für die Ukraine einzufrieren - was zu Spekulationen führte, dass er das Geld als Hebel für Informationen über die Bidens zurückhielt. Trump bestritt diese Vorwürfe, gab jedoch zu, dass er die Gelder blockiert und später freigegeben hat. Biden bewirbt sich um die Präsidentschaftskandidatur bei den Demokraten und hat gute Chancen, Trumps Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl 2020 zu werden.

Pelosis Entscheidung, die schwerwiegendsten Maßnahmen, die der Kongress gegen einen amtierenden Präsidenten ergreifen kann, voranzutreiben, mildert den innerparteilichen Druck gegenüber Pelosi. Ihre Ankündigung und die Untersuchung führen jedoch noch nicht zwangsläufig zu einem sogenannten Impeachment. Damit hat die einer Amtsenthebung skeptisch gegenüberstehende Oppositionsführerin Zeit gewonnen.

Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz.

Nancy Pelosi
Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses

Obwohl das Ergebnis dieser Voruntersuchung ungewiss ist, besteht nun jedenfalls die Möglichkeit, dass Trump nun der dritte Präsident in der amerikanischen Geschichte sein könnte, der einem Amtsenthebungsverfahren gegenübersteht. Die Präsidenten Andrew Johnson und Bill Clinton wurden beide angeklagt, aber später vom Senat freigesprochen. Präsident Richard M. Nixon trat angesichts eines bevorstehenden Amtsenthebungsverfahrens zurück.

Nancy Pelosi ändert ihren Kurs. Warum jetzt?

In den Reihen der demokratischen Abgeordnete gibt es schon seit Langem Rufe nach einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump - vor allem wegen der sogenannten Russlandaffäre. Pelosis Befürchtung war und ist weiterhin, dass eine Amtsenthebung zu schwerwiegenden politischen Konsequenzen für die Demokraten im nachsten Wahlkampf führen könnte.

Aber die jüngsten Vorwürfe erhöhten den Druck auf sie, da immer mehr demokratische Abgeordnete und Präsidentschaftskandidaten dem Präsidenten Machtmissbrauch vorwerfen und die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens fordern.

Offensichtlich glaubt Pelosi nun, dass die neuen Ukraine-Vorwürfe eine neue Dimension für den  Amtsmissbrauch des Präsidenten sind. Im Wesentlichen ließen sich diese aktuellen Vorwürfe des Machtmissbrauchs den Amerikanern leichter erklären als einige der Vorwürfe, die bei der Untersuchung von Sondermittler Robert Mueller über die Einmischung Russlands in die Wahlen 2016 und die mögliche Behinderung der Justiz durch Trump erhoben wurden.

Große Risiken für die Demokraten

Die öffentliche Meinung nach der Mueller-Untersuchung war gegen ein Amtsenthebungsverfarhen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Demokraten mit den neuen Enthüllungen über die Ukraine-Affäre eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung hinter sich bringen können.

Eine Amtsenthebungsanklage könnte nach den Untersuchungen zwar mit der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus eingereicht werden. Nötig wären dafür mindestens 218 Stimmen in der Kammer, in der die Demokraten eine Mehrheit von 235 der 435 Sitze haben. Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung läge aber im Senat, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben und eine Zweidrittelmehrheit letztendlich erforderlich ist.

Dies ist nicht zu erwarten, da die ersten Reaktionen der republikanischen Abgeordneten nach der Ankündigung schon deutlich gemacht haben, dass sie den Präsidenten weiter unterstützen werden. Wenn sich der US-Senat erwartungsgemäß weigert, Trump zu verurteilen, könnte diese sehr öffentliche Niederlage für die Demokraten möglicherweise deren Wählerbasis vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 schwächen.

Ein Sieg für Trump?

Trump, der vom Kampf lebt und bisher skandalunempfindlich war, hat tatsächlich schon seit einiger Zeit gehofft, dass dieses Verfahren eingeleitet wird. Er kann gewiss sein, dass das von der Oppositionspartei angeführte Gespenst der Amtsenthebung seine politische Basis motiviert und nächstes Jahr im November an die Wahlurne treiben wird. Denn jetzt haben er und seine treusten Republikaner wieder rohes Fleisch, das sie ihren „Make America Great Again“ Anhängern zuwerfen können.

Die Besonderheit der Trump-Ära ist, dass solche Skandale viel schneller von der Aufmerksamkeit der öffentlichen Debatte verschwinden, als es früher der Fall war. So könnte es auch beim Amtsenthebungsverfahren sein. Die Amerikaner streiten sich möglicherweise über etwas völlig anderes, wenn sie im November 2020 zu den Wahlen gehen.

Die Auswirkungen eines Amtsenthebungsverfahrens auf den Ausgang der Wahlen sind zwar noch nicht bekannt, doch die Auswirkungen auf das Land sind fast sicher: die politische Rhetorik in den USA wird vermutlich noch polarisierter und vergifteter, die Leute auf den gegnerischen Seiten werden sich tiefer in ihren ideologischen Lagern eingraben. Beide Parteien hoffen, dass dieser Schritt ihnen hilft, das Weiße Haus im Wahljahr 2020 zu halten oder zurückzugewinnen.