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US-Wahlen
Bidens Kabinett: Neuer Präsident, vertraute Gesichter

Joe Biden geht bei der Personalwahl keine Risiken ein, sondern setzt auf altbewährte Kandidaten und Kandidatinnen
US-Election Ein neuer Anfang

Wie es in jeder Übergangsphase zwischen zwei Präsidenten üblich ist, benennt Joe Biden nach und nach seine Kandidaten für wichtige Regierungsämter. Daraus lassen sich bereits jetzt, vor Abschluss dieses Prozesses, einige interessante Tendenzen ableiten, die den Charakter der Präsidentschaft Bidens prägen werden: Der neue Präsident setzt sehr stark auf Kandidaten, zu denen er ein langjähriges, belastbares Vertrauensverhältnis unterhält. Weiterhin versucht er Kandidatinnen und Kandidaten zu benennen, die auf beiden Seiten des politischen Spektrums anerkannt sind. Das soll den Bestätigungsprozess im Senat und die spätere, in vielen Fällen notwendige Zusammenarbeit mit den Republikanern erleichtern. Damit versucht er auch sein Wahlversprechen einzulösen, ideologische Trennungslinien zu überwinden. Eine weitere Herausforderung, der er sich stellt, ist die Berücksichtigung von möglichst vielen Frauen und Personen mit einem breiten ethnischen Hintergrund für Spitzenpositionen.

Eine Gratwanderung muss Biden hinsichtlich des Meinungsspektrums in seiner eigenen Partei unternehmen. Hier gibt es einen sehr lautstarken linken Flügel, der ohnehin misstrauisch gegen den in Washington erfahrenen und vernetzten Biden ist und ihn nur unterstützt hat, weil der gemeinsame Gegner Trump die Partei einigte. Das Misstrauen wird noch dadurch verstärkt, dass Biden immer wieder sein Interesse an Kompromissen mit den Republikanern bekundet.

Einige von Biden nominierte Kandidatinnen und Kandidaten sollen hier näher beleuchtet werden, um die genannten Tendenzen zu illustrieren und weil sie für die zukünftige Gestaltung der US-amerikanischen Politik entscheidend sein werden.

Antony Blinken

Anthony Blinken wird Bidens neuer Außenminister. Er diente verschiedenen Präsidenten und war bereits unter Obama stellvertretender nationaler Sicherheitsberater. Mit Joe Biden verbindet ihn eine langjährige intensive Zusammenarbeit. Als Biden Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats war, arbeitete Blinken ab 2002 als Staff Director dieses Ausschusses. Er unterstützte mit Biden die Invasion im Irak – was heute von Teilen der Demokratischen Partei zur Kritik an ihm und an Biden selbst verwendet wird.

Er war eine Schlüsselfigur bei der Ausarbeitung einer US-amerikanischen Antwort auf die russische Annexion der Krim 2014. Seine Nominierung ist Bidens Signal an die Welt zur Rückkehr der alten US-außenpolitischen Weltordnung. Eine geschlossene NATO, eine starke Haltung gegenüber Russland, die USA als enge Verbündete Westeuropas und das allgemeine Vertrauen auf internationale Bündnisse und Verträge sind Fundament ihres gemeinsamen außenpolitischen Verständnisses. Antony Blinken steht für eine Rückkehr zu Obamas alter außenpolitischer Linie und den Versuch, die zwischenstaatlichen Beziehungen, die unter Trump Schaden genommen haben, wieder zu kitten. Dabei sollte Biden und Blinken zugutekommen, dass diese Linie zum Teil auch Anklang bei den Republikanern findet. Das ist wichtig, da in den USA jeder Minister vom Senat bestätigt werden muss.

Janet Yellen

Die von Biden nominierte Kandidatin für die Führung des Finanzministeriums wurde 1946 geboren. Sie genießt aufgrund ihrer beeindruckenden akademischen Karriere parteiübergreifend großes Ansehen. Im Laufe ihres Berufslebens wechselte sie mehrfach zwischen verschiedenen renommierten Universitäten, an denen sie forschte und lehrte, dem Federal Reserve System und der Administration hin und her. In dem traditionell sehr männerdominierten Feld der akademischen Ökonomie und der Zentralbank war sie eine der ersten Frauen, die in Führungspositionen aufrückte. Sie war Chefin der Wirtschaftsberater von Präsident Clinton. Ihre Karriere gipfelte darin, dass sie 2014 Vorsitzende des Federal Reserve Boards wurde, der die Währungs- und Zinspolitik der USA bestimmt. Donald Trump nominierte sie nicht für eine zweite Amtszeit. Politisch setzt sie in bestimmtem Maß auf ein durch Staatsausgaben und Kreditaufnahme stimuliertes Wirtschaftswachstum. Sie steht in einer dezidiert keynesianischen Tradition der Makrosteuerung der Wirtschaft, ohne jedoch radikale Positionen zu teilen, die von Teilen der Demokratischen Partei vertreten werden. Yellen ist eine dezidierte Unterstützerin des Dodd-Frank-Acts, der als Reaktion auf die Finanzkrise 2008/9 das Bankwesen umfassend neu regulierte, um zukünftige existenzbedrohende Finanzkrisen unmöglich zu machen. Ihre ökonomische Kompetenz ist jenseits aller Bewertungsunterschiede in vielen Fragen unumstritten, so dass auch ihrer Bestätigung durch den Senat wenig entgegenstehen dürfte.

John Kerry

John Kerry, ein Jahr jünger als Joe Biden, ist ähnlich wie dieser in Washington bestens vernetzt. Der ehemalige Senator, Präsidentschaftskandidat und Außenminister unter Präsident Obama gehört seit Jahrzehnten zum Führungspersonal der Demokraten und wurde nun von Biden als Klimabotschafter nominiert. Dieser soll die globale Rolle der USA in Klimapolitik neu definieren und ihr politisches Gewicht geben. In dieser Position, die protokollarisch nicht sehr hoch angesiedelt ist, hat er jedoch hohes Gewicht und unmittelbaren Zugang zu seinem ehemaligen Senatorenkollegen im Oval Office. Das könnte, so fürchten einige, zu Spannungen führen, wenn Kerry seinen Einfluss auch zu anderen außenpolitischen Themen geltend macht. Andererseits erhöht es die Hoffnungen, dass die USA in der Klimapolitik wieder mehr Verantwortung übernehmen.

Neere Tanden

Neera Tanden soll die Leitung über das „Office of Management and Budget“ übernehmen. In dieser Funktion ist sie an wesentlichen Entscheidungen über die Prioritäten staatlicher Ausgaben und Tätigkeiten führend beteiligt. Sie wäre die erste Frau mit indischen Wurzeln in dieser Position. Anders als bei Blinken ist Tandens Nominierung deutlich kontroverser. Sie ist CEO des Think Tanks „Center for American Progress“, der innerhalb der Demokratischen Partei sehr einflussreich ist. Sie selbst bezeichnete ihn auch als intellektuelles Zentrum des Widerstandes gegen Donald Trump. Durch ihre Prägung als Einwanderungskind macht sie sich stark für eine demokratische Politik, die die Schutzmechanismen für Minderheiten weiterhin gewährleistet und einen entsprechenden Etat bereitstellt. Insgesamt steht sie für eine Ausweitung staatlicher Interventionen. Für die Republikaner ist diese Position zu links, für den linken Flügel der Demokraten gehen ihre Maßnahmen nicht weit genug. Sie befindet sich in einer komplizierten Situation, bei der ihr eine Blockade durch die Republikaner im Senat droht, während ihr in ihrer eigenen Partei die nötige Rückendeckung fehlt. Dass Biden sie in sein Kabinett holen will, illustriert den Versuch von Bidens Gratwanderung, hochrangige Posten möglichst zentristisch zu besetzen, um vor dem Senat eine Chance zu haben. Gleichzeitig muss er es schaffen, die Demokraten flügelübergreifend weitgehend hinter sich zu bringen.

Lloyd Austin

Der Viersternegeneral im Ruhestand wäre der erste afroamerikanische Verteidigungsminister in der Geschichte der USA und ordnet sich somit in das Anliegen der Demokraten ein, ein möglichst diverses Kabinett zu formen, das alle wesentlichen Bevölkerungsgruppen repräsentiert. Er ist ein erfahrener und kampferprobter Soldat, der u.a. die amerikanischen und multinationalen Truppen im Irak kommandierte. Wie viele andere für wichtige Posten Nominierte verbindet ihn ein langjähriges Vertrauensverhältnis mit Joe Biden. Dieses ist in dessen Zeit als Vizepräsident entstanden, als er für die Politik im Irak und den Truppenrückzug verantwortlich war, der von Austin umgesetzt wurde. In seiner 41-jährigen Militärkarriere stand er selten im politischen Rampenlicht. Er gilt als sehr ruhiger und rationaler Entscheider, war aber gegen Ende seiner Karriere auch Kritik wegen seines Umgangs mit der Bedrohung durch dem Islamischen Staat ausgesetzt.

Die Nominierung von Lloyd Austin begegnet zwei Kritikpunkten, die seine Bestätigung durch den Senat etwas unsicher machen. Erstens ist er erst vor vier Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Er bräuchte eine Ausnahmeregelung von einem Gesetz, das vorsieht, dass Militärangehörige erst sieben Jahre nach ihrem Ausscheiden Verteidigungsminister werden können. Diese Regelung soll eine zivile Kontrolle des Militärs sicherstellen und ist vielen Demokraten, aber nicht nur diesen sehr wichtig. Es gab erst zwei Ausnahmen, die letzte für Trumps ersten Verteidigungsminister Jim Mattis. Damals haben auch viele Demokraten zugestimmt, da sie in ihm ein Gegengewicht zum als irrational eingestuften Präsidenten sahen – dieses Argument fällt nun weg. Außerdem ist Austin seit seiner Pensionierung als Aufsichtsratsmitglied verschiedener amerikanischer Großunternehmen aktiv. Darunter ist Raytheon – eines der größten US-amerikanischen Rüstungsunternehmen und Auftragnehmer des Pentagon.