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Umwelt
4. Innovationskongress: Wie kann die Wirtschaft klimaneutral werden?

Auf dem 4. Innovationskongress 2020 ging es um den Beitrag der Industrie zum Klimaschutz und die Anforderungen an deutsche Innovationspolitik
Innovation

Wie innovationsfit ist Deutschland? Unter dieser Leitfrage fand unser 4. Innovationskongress in Kooperation mit der Fraunhofer-Gesellschaft, der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungenund dem Verband der Chemischen Industrie (VCI e. V.) statt. Ein besonderer Fokus lag in diesem Jahr auf dem Einsatz von Innovationen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen in der Industrie. Dazu gehören der Einsatz von grünem Wasserstoff oder die wirtschaftliche Weiterverwendung von CO2.

In seiner einleitenden Keynote betonte Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, dass Deutschland durchaus innovativ sein kann, „wenn man es denn will“. Das zeige die aktuelle Pandemiezeit, in der das Sprichwort „Not macht erfinderisch“ passend sei. Die schnelle Entwicklung von hochwirksamen Impfstoffen in Deutschland sei ein gutes Beispiel für das Innovationspotenzial Deutschlands. Leider werde dieses meistens nicht voll ausgeschöpft, so liegt die Forschungstätigkeit in Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt unter 3 Prozent. Dadurch schneide Deutschland im internationalen Vergleich beim Thema Innovation schlecht ab. Der Unterschied zwischen Innovationstreibern wie den USA oder Israel liege laut Buchholz darin, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen und Wissenschaft in Deutschland nicht sonderlich ausgeprägt sei. Ganz im Gegenteil zum beispielsweise Silicon Valley, wo fast jedes Unternehmen eine Repräsentanz auf den Campus der Hochschulen hat. Hinzukomme die stark ausgeprägte Risikoaversion der Deutschen, wenn es um technologischen Fortschritt gehe. „Anstatt über die Chancen von Innovationen zu sprechen, wird sehr lange über die möglichen Risiken gesprochen wie beispielsweise bei der 5G-Technolopgie“, kritisiert Buchholz. Das kann dazu führen, dass Unternehmen in innovationsfreudigere Länder letztendlich abwandern. Um Deutschland innovationsfitter zu machen, resümiert Buchholz, müsse man die Chancen von Neuentwicklungen stärker in das Bewusstsein rücken, die Marktwirtschaft als Treiber sehen und das oftmals negative Bild des deutschen Unternehmertums ins Positive wandeln.

Livestream der Veranstaltung

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Als wichtige Innovationen für klimafreundliche Prozesse identifiziert Minister Buchholz die Möglichkeit überschüssigen Strom aus Erneuerbaren Energieträgern für beispielsweise Power-to-X-Technologien zu nutzen. Um einen echten Innovationsschub für die Energieforschung der Zukunft auszulösen, müssen Hochschulen in die Entwicklungen miteinbezogen werden, um so Innovationsareale mit thematischen Schwerpunkten zu schaffen. Im Norden Deutschlands wären das zum Beispiel erneuerbare Energien. Insbesondere in der energieintensiven Industrie liegt ein großes Potenzial für den Einsatz von klimaneutralen, grünem Wasserstoff. Die chemische Industrie hat es sich zum Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu werden. Dr. Klaus Schäfer, Chief Technology Officer der Covestro AG und Vorsitzender des Ausschusses Energie, Klimaschutz und Rohstoffe im VCI, berichtet, dass dieses Ziel durchaus realistisch sei. Die chemische Industrie setze bei der Dekarbonisierung vor allem auf die Elektrifizierung und den Einsatz von Wasserstoff. So werde zukünftig ein Bedarf von 7 oder 8 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr erwartet. Die Herstellung dieser Menge bedeutet aber auch einen erheblichen Stromverbrauch. Deshalb fordert Klaus Schäfer, dass Strom bezahlbarsein muss, da sonst die Abwanderung und der Import von Produkten die Folge wären. Und das ist auch alles andere als klimaneutral.

Bezüglich der deutschen Innovationsfähigkeit ist für Klaus Schäfer klar, dass es hierbei um ein „Kulturthema“ handelt. Innovation müsse überall stattfinden und nicht nur in den Forschungsabteilungen großer Unternehmen, betont er. Als konkrete Beispiele nennt er die Fahrzeuganmeldung, die immer noch auf dem Stand von vor 50 Jahren sei. Um den Kulturwandel bei Innovation voranzutreiben, müsse diese breit gedacht werden. Nur das könne zu Technologieoffenheit führen, die dann durch die Marktwirtschaft zur besten Lösung für Probleme führe.

Auch Professor Dr. Julia Arlinghaus, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb- und automatisierung, sieht große Potenziale in der Umstellung von Energie- Produktionsanlagen. „Wir brauchen einen Brückenschlag zwischen Industrie und Wissenschaft“ unterstreicht sie. Allerdings betont Arlinghaus auch, dass die klimaneutrale Umstellung der Industrie eher einem Marathonlauf als einer Springstrecke gleiche. Insbesondere Power-to-X, die Energierückgewinnung und eine energieorientierte Produktionsplanung- und steuerung zählen für sie zu den wichtigsten Innovationen. Die Treibhausgasneutralität müsse nicht nur auf den Stromsektor, sondern auch auf den Mobilitäts- und Wärmesektor angewendet werden. Denn diese tragen deutlich zu den hohen CO2-Emissionen in Deutschland bei. Allerdings entstehen durch den dringend notwendigen Einsatz von erneuerbaren Energieträgern Flächen- und Infrastrukturbedarfe, die ebenfalls befriedigt werden müssen. Auf diese Problematik verweist auch Minister Buchholz. Er betont, dass man die Möglichkeiten für die Erzeugung erneuerbare Energie im Land viel besser ausnutzen müsse. Der Ausbau von Windkraftanlagen müsse verstärkt vorangetrieben werden. Die überschüssige Energie aus Windkraftanlagen kann momentan noch gar nicht genutzt werden, da die Zwischenspeicher fehlen. Hier besteht ein großer Innovationsbedarf, da diese Lastspitzen zum Beispiel für Power-to-X verwendet werden können. Zudem würde so dem vergüteten Abregeln von Windkraftanlagenbetreibern ein Ende gesetzt. Professor Arlinghaus ist sich sicher, dass die klimaneutrale Produktion zukünftig ein zentrales Vergabekriterium für Kredite sein wird.

Professor Dr. Holger Hanselka, Präsident des KIT, Vizepräsident der AiF und der Helmholtz-Gemeinschaft sowie Mitglied des Hightech-Forums, sieht ebenfalls die Innovationsfähigkeit Deutschlands als gesamtgesellschaftliche Frage. Und dieser Wandel hin zu mehr Innovationen benötige noch mehr politischen Willen. Die Wissenschaft sei auf einem guten Weg und arbeite nicht mehr im berüchtigten Elfenbeinturm und die deutsche Forschungslandschaft sei bereits sehr ausdifferenziert. „Jetzt brauche man noch mehr politischen Mut für gemeinsames Arbeit auf dem Weg zu mehr deutschen Innovationen“, schlussfolgert Hanselka.

In seinem Schlusswort fasst Norbert Theihs, Geschäftsführer Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI), zusammen, die Grundvoraussetzungen für Innovationen sind zwar da, allerdings fehle es noch etwas an der Innovationswilligkeit, Als wichtigste Punkte hierfür identifiziert er die verbesserte Zusammenarbeit von Unternehmen und Wissenschaft wie auch die Akzeptanz von Technologien, den bei jedem gesellschaftlichen Wandel, ob in der Energiewende oder der Digitalisierung, muss die Bevölkerung mitgenommen werden. Am Ende steht fest: Es wäre noch genug Stoff für einen 5. Innovationskongress vorhanden, der im kommenden Jahr hoffentlich wieder in gewohnter Form durchgeführt werden kann.