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Türkei
Die Türkei nach den Wahlen

Die AKP verliert leicht, Erdoğan triumphiert trotzdem
Die Türkei nach den Wahlen

Die Türkei hat am 24. Juni einen nur bedingt überraschenden Wahlausgang erlebt.

© Gregory_lee/ i Stock Getty Images Plus

Die Türkei hat am 24. Juni einen nur bedingt überraschenden Wahlausgang erlebt. Der amtierende Präsident konnte allerdings bereits im 1. Wahlgang die absolute Stimmenmehrheit erringen – eher unerwartet!

Nicht unerwartet ist das relativ schlechte Abschneiden der Erdoğan-Partei AKP, die (mit nun 42,5%) knapp 7 Prozentpunkte gegenüber der Wahl im November 2015 einbüßte – und damit auch die parlamentarische Mehrheit! Hatte man eigentlich spekuliert, Hauptprofiteur des neuen Wahlsystems (das erstmalig Wahlkoalitionen erlaubt) werde die rechtsnationalistische MHP sein, weil man davon ausging, dass sie es nur dank des neuen „Huckepackverfahrens“ schaffen würde, wieder ins Parlament einzuziehen, so ist die partiell extremistische Traditionspartei („Graue Wölfe“) nun plötzlich der heimliche Sieger der Wahl. Überraschenderweise wird nun sie von der AKP als Mehrheitsbeschaffer im Parlament benötigt; mit 11,1% war die MHP in der Lage, aus eigener Kraft die 10%-Sperrklausel zu überwinden. Beobachter erwarten jetzt eine weitere Säuberung in der AKP – mit Blick auf die Kommunalwahlen des März 2019 -, da Erdoğan vom „Wahlerfolg“ seiner Partei alles andere als begeistert sein dürfte. Die Opposition hat sich relativ tapfer geschlagen, aber ihr Ziel, die Parlamentsmehrheit zu erringen, verfehlt. Der Erfolg/Parlamentswiedereinzug der prokurdischen HDP war offensichtlich nur durch das taktische Wahlverhalten vieler (großstädtischer) Wähler möglich, die z. B. die HDP statt der CHP gewählt haben. Das Abschneiden der HDP im Osten ist hingegen weit von den „großen Tagen“ des Juni 2015 entfernt; die „kurdische Antwort“ auf Erdoğans Syrien-Kurden-Politik ist ausgeblieben.

Wie geht es weiter?

Es gibt keinerlei Anlass zu glauben, dass Erdoğan Politik und Politikstil mäßigen könnte. Er wird seinen islamisch-nationalistischen, letztlich anti-westlichen Kurs weitertreiben – solange ihm dies die sich rasch verdüsternde ökonomische Lage gestattet. Nur wenn von dort Zwänge ausgehen, könnte er seine Marschrichtung überdenken (müssen!). Mit anderen Worten: es bleibt dabei, dass die Türkei bis auf Weiteres – zumindest für die nächsten 5-10 Jahre! – kein Partner des europäischen Integrationsprozesses sein kann. Aber sie bleibt ein geopolitischer Faktor ersten Ranges. Deshalb sollte man es sich dreimal überlegen, bevor man auf die sich immer autoritärer gebärdende Türkei Erdoğans einschlägt. Man wird sie sicher noch weit häufiger als Partner benötigen, als es aus europäischer/deutscher Sicht angenehm erscheint.

Rainer Adam ist Regionalbüroleiter Südost- und Osteuropa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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Rainer Adam
Dr.
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Interims Projektleiter Philippinen