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Türkei
AKP erbost über „heimliches“ Treffen der Opposition mit IWF-Vertretern

Regierungspartei verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit
Joint conference of Turkish president Recep Tayyip Erdogan and President of Serbia Aleksandar Vucic
Ein Besuch des IWF schlägt in der Türkei hohe Wellen © picture alliance/PIXSELL

Ein Routinebesuch des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Türkei hat in der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan hohe Wellen geschlagen.

Die Türkei sei ein Land, das gut auf Herausforderungen des globalen Wirtschaftssystems vorbereitet sei, beteuerte der türkische Finanzminister (und Erdoğan-Schwiegersohn) Berat Albayrak kürzlich. Seine Worte unterlegte er mit Hinweisen auf die türkischen Anstrengungen, Schwächen im Wirtschaftssystem auszugleichen und das Vertrauen in die nationale Wirtschaft zu stärken. Dies sei bemerkenswert gut gelungen, denn die Inflation sei deutlich gesunken und die wirtschaftlichen Aktivitäten hätten sich erholt.

Es erscheint allerdings vielen Beobachtern in und außerhalb der Türkei mehr als kühn, gar ironisch, nach der wirtschaftlichen Krise, die die Türkei noch längst nicht überwunden hat, solche Worte aus dem Munde des Finanzministers zu hören. Im August sank die Inflationsrate in der Türkei erstmals seit langem.

Doch angesichts einer Inflationsrate von 15 Prozent - und damit dem noch immer höchsten Wert innerhalb der OECD-Staaten - von „guter Vorbereitung auf wirtschaftlich schwierige Zeiten“ zu sprechen, erscheint eher realitätsfremd. Mit gewissem Stolz wies der Minister außerdem darauf hin, dass die Türkei ihre Wirtschaft stabilisiert habe, ohne einen Cent vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch zu nehmen.

Aufregung um einen Besuch des IWF in der Türkei

Dass das Thema “IWF” in der Türkei generell höchst sensibel ist, zeigte der Unmut der Regierungspartei AKP über ein Treffen von Mitgliedern der Oppositionsparteien CHP und Iyi-Partei mit Vertretern des IWF. Da die Regierung davon Im Voraus nicht unterrichtet worden war, interpretierte der stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende Mehmet Muş das Gespräch als „heimliches Treffen mit Oppositionsparteien”. Verärgert erklärte er, dass Finanzhilfen des IWF, die zeitweilig als Unterstützung gegen die Wirtschaftskrise in der Türkei im Raum standen, vom Tisch seien: „Die Türkei wird nicht abhängig vom IWF-Programm werden. Niemand sollte geheime Gespräche mit dem IWF führen.”

Eigentlich trafen sich die IWF-Vertreter aber nur zum Informationsaustausch mit fachkundigen Oppositionspolitikern; auch Treffen mit türkischen Universitätslehrern und Geschäftsleuten standen auf der Agenda. Zweck dieser Treffen, die unter IWF-Mitgliedsländern durchaus üblich sind, war es, eine möglichst umfassende Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Türkei zu gewinnen.

Faik Öztrak, der Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der CHP, zeigte sich unbeeindruckt und erklärte, es sei nicht sein Problem, wenn Raci Kaya, der IWF-Exekutivdirektor für die Türkei, nicht vorab über das Treffen informiert gewesen sei.

Kommt es in der Türkei zu Neuwahlen?

In der Türkei hört man mancherorts die Prophezeiung, dass derjenige, der mit einer Wirtschaftskrise an die Macht gekommen sei, auch mit einer Wirtschaftskrise gehen werde. Erdoğans Aufstieg begann nach der türkischen Wirtschaftskrise 2001. Auch in den vergangenen Monaten befand sich die Türkei in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Könnte die Prophezeiung also wahr werden?

Zumindest reißen Spekulationen um vorgezogene Neuwahlen in der Türkei nicht ab. Kemal Kılıçdaroğlu, der Vorsitzende der CHP, verlieh diesen Gedankenspielen neuen Aufwind, indem er Mitte September darauf hinwies, dass die Regierung aufgrund der ökonomischen Probleme des Landes vorzeitige Wahlen ausrufen könnte. Zwar dementierte der Sprecher der AKP, Ömer Çelik, dies prompt. Doch in der Türkei, in der Schlagzeilen plötzlich auftauchen und auch wieder verschwinden können, die politische Debatte über ein Thema aber auch in Windeseile in aktive Maßnahmen umschlagen kann, ist hier das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen.

Unterdessen verliert die AKP weiter an Glaubwürdigkeit. Eine Untersuchung der Vorwürfe, die zur Annullierung der Wahlergebnisse der Istanbuler Bürgermeisterwahl am 31. März geführt hatten, ergab, dass es keine zu beanstandenden Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Es lagen Beschwerden gegen Wahlmitarbeiter in 11 Wahlbezirken vor, die nun nicht weiterverfolgt werden.