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Transatlantische Beziehungen
„Viele amerikanische Abgeordnete spüren tiefe Verbundenheit"

Deutsche Delegation zu Gast auf der „National Conference of State Legislatures“ in den USA
Transatlantisches Verhältnis

Mögen die Bundesregierungen auch in verschiedene Richtungen steuern - auf der Landesebene gibt es weiter gute Kontakte

© GettyImages/Darwel

Seit vielen Jahren pflegen die Wolfgang-Döring-Stiftung und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eine enge Kooperation mit der „National Conference of State Legislatures“ (NCSL), dem Dachverband der Parlamente US-amerikanischer Bundesstaaten. Einmal jährlich zieht die Jahrestagung der NCSL Landtagsabgeordnete aus allen US-Bundesstaaten, deren Mitarbeiter sowie Delegationen aus dem Ausland an. Auch aus Nordrhein-Westfalen reiste eine liberale Landtagsdelegation nach Los Angeles, um sich mit ihren amerikanischen Amtskolleginnen und -kollegen auszutauschen. Das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washingtion hat mit Angela Freimuth, Vizepräsidentin des Landtags NRW über die Reise und den dortigen Austausch geprochen.

Frau Freimuth, seit dem Amtsantritt von Präsident Trump wird sowohl in Europa als auch in den USA verstärkt die Zukunft der transatlantischen Beziehungen diskutiert. Welche Bedeutung kommt dem Austausch zwischen amerikanischen und deutschen Landtagsabgeordneten in diesen turbulenten Zeiten zu?

Ich habe bei der diesjährigen Jahrestagung der NCSL sowohl demokratische als auch republikanische Abgeordnete kennengelernt, die verantwortungsvoll und mit großer Ernsthaftigkeit an der Lösung von Problemen arbeiten, über die wir auch in Deutschland diskutieren. Wir begegnen hier einer großen Bereitschaft, einander zuzuhören und in Austausch zu treten.

Im Rahmen einer Diskussion mit dem ehemaligen republikanischen Abgeordneten Jason Chaffetz kamen mehrere US-Landtagsabgeordnete auf uns zu, um uns mitzuteilen, dass sie sich über unsere Teilnahme als internationale Delegation freuen würden, und dass es für sie unheimlich wichtig sei, sich mit uns auszutauschen. Viele amerikanische Abgeordnete spüren mit Deutschland und Europa eine tiefe Verbundenheit. Für diese Verbundenheit gibt es viele Gründe – etwa politische und kulturelle Beziehungen zwischen amerikanischen und deutschen Städten, Austauschprogramme zwischen Schulen und Universitäten, Wirtschaftsbeziehungen oder aber Verbindungen, die noch aus der Zeit stammen, als eine große Anzahl US-Soldaten in Deutschland stationiert war. Unsere amerikanischen Kollegen haben uns gegenüber immer wieder betont, dass wir ganz klar eine Wertegemeinschaft sind.

Was im US-Kongress und insbesondere im Weißen Haus passiert, schauen sich die amerikanischen Landtagsabgeordneten sehr genau und mit zunehmender Befremdung an. Über die schrägen Töne, die in Washington, DC angestimmt werden, zeigen sie sich besorgt.

Sie haben Probleme angesprochen, mit denen sich sowohl amerikanische als auch deutsche Landtagsabgeordnete aktuell beschäftigen. Um welche Themen geht es genau? In welchen Bereichen bietet sich ein „Best Practice“-Austausch an?

Auf der Jahrestagung der NCSL sind die Themen Bildung und Ausbildung immer ein Riesen-Thema. Denn fast alle Politiker beschäftigen sich mit der Frage, wie wir es schaffen, unsere Kinder so auszubilden, dass sie sich in einer immer komplexer und schneller verändernden Welt zurechtfinden können. Wie vermitteln wir also die Fähigkeit zu lernen, und welche Initiativen können wir als Gesetzgeber unterstützen, damit auch die Talente von Kindern gefördert werden, die aus benachteiligten und bildungsfernen Familien kommen?

Unsere US-Kollegen sind sehr daran interessiert, wie akademische Bildung organisiert werden kann, ohne dass junge Menschen nach ihrem Abschluss hoch verschuldet sind, da der Besuch einer US-Hochschule mit horrenden Studiengebühren verbunden ist. In diesem Jahr wurde zudem die Frage diskutiert, wie junge Leute nicht nur akademisch, sondern auch auf der so genannten „Middle skilled“-Ebene ausgebildet werden können. In Präsentationen hatten wir so die Gelegenheit, das deutsche duale Berufsausbildungssystem vorzustellen und mit unseren Kollegen zu diskutieren.

Delegation

MdL Henning Höne, former US Congressman Jason Chaffetz, MdL Angela Freimuth (v.l.n.r.)

© Angela Freimuth

Im November dieses Jahres stehen in den Vereinigten Staaten die Halbzeitwahlen an. Wie haben Sie die Stimmung unter Republikanern und Demokraten auf der Jahrestagung der NCSL wahrgenommen?

Da wir als Delegation der Wolfgang-Döring-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung bereits seit mehreren Jahren an der Tagung teilnehmen, gibt es eine offene Gesprächskultur. Wir tauschen uns also auch außerhalb des politisch Korrekten aus. Auf demokratischer Seite habe ich immer wieder gehört, dass man sich nicht hätte vorstellen können, dass ein Präsident so viele Tabus auf einmal bricht. Dennoch herrscht nach wie vor Ratlosigkeit, mit welchen Mitteln die Politik des amtierenden Präsidenten herausgefordert werden könne.

Bei den Republikanern wurde zwar offene Kritik am Präsidenten vermieden, aber deutlich betont, dass die Partei für ihre Werte und Überzeugungen einstehen und nicht alles rechtfertigen müsse, was der Präsident sagt oder tut. Diese Botschaft innerhalb einer Republikaner-internen Veranstaltung fand ich persönlich bemerkenswert. Insbesondere aber zeigten sich einige republikanische Landtagsabgeordnete sehr besorgt über die Handelspolitik der Trump-Regierung, die nicht nur der eigentlichen handelspolitischen Überzeugung der Republikaner widerspricht, sondern mittelfristig auch zu massiven Nachteilen für ihre Wähler führen werde.

Wie schon erwähnt, beobachten die Abgeordneten beider Parteien sehr genau, was im Weißen Haus passiert, und verfolgen die Entwicklungen mit großer Ernsthaftigkeit. Wenn die Kooperation auf der Bundesebene schwierig wird, sollten wir insbesondere die Möglichkeiten des Dialogs auf der Ebene der Länder und Bundesstaaten – mit vielen gemeinsamen und konkreten Aufgaben und Überschneidungen – bestmöglich nutzen.

Die Fragen stellte Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington.