Foto 
  Karl-Heinz
 
  Paqué
Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

TESLA
Eine ermutigende Entscheidung

Die Investition von Tesla im Großraum Berlin belegt die Vitalität des Ostens und die Folgen des Brexit
Tesla Berlin
Teslas Gigafactory 4 bei Berlin soll die gleichen Dimensionen haben wie das sich im Bau befindende Werk in Shanghai. Dort sollen bereits in der ersten Ausbaustufe 150.000 Elektrofahrzeuge jährlich vom Band rollen. In den USA betreibt der Autohersteller bereits zwei Werke wie hier in Fremont, Kalifornien. ©  picture alliance / NurPhoto

Mitten in das verbreitete Lamentieren über das wirtschaftliche Ost/West-Gefälle entscheidet sich Tesla für Berlin als Standort für ein neues Werk. Unser Vorstandsvorsitzender und Volkswirt Professor Paqué sieht darin ein wichtiges Signal. Er erklärt im Folgenden warum.

Was haben wir uns an Hiobsbotschaften in den letzten Wochen und Monaten anhören müssen! Im Aufgalopp zum 30. Jahrestags des Mauerfalls überschlugen sich Ökonomen und Politiker in tief skeptischen Zukunftsprognosen für den Osten Deutschlands. Die Botschaften lauteten:  keine Aufholchancen gegenüber dem Westen, fehlende eigene Kraft zu Innovation und Wachstum, Gefahr der Verödung in ländlichen Räumen.

Mitten rein in diesen Chor der selbsternannten Realisten platzt nun die frohe Botschaft, dass Tesla ein hochmodernes Werk zur Elektroauto- und Batterieproduktion im Südosten der Hauptstadt im nahen Brandenburger Umland errichtetet. Wohlgemerkt: Das ist kein Grund zur Euphorie. Der Großraum Berlin hat noch einen Weg zu gehen, bis er die industrielle Ballungskraft von München oder Stuttgart erreicht. Und Teslas Geschäftslage ist keineswegs so rosig, wie die großspurigen Ankündigungen von deren Chef Elon Musk über Jahre glauben machte.

Gleichwohl ist dies bemerkenswert - und für den Osten Deutschlands ermutigend. Denn Tesla ist ohne Zweifel ein Autobauer, der in der nächsten Generation der Fahrzeugantriebe weltweit führend ist, wie man auch immer im Detail über die Zukunft des Elektroautos denken mag. Und dieser Autobauer lässt sich nicht in den klassischen Autostädten Stuttgart oder München nieder, sondern in der deutschen Start-up-Hauptstadt der Informationstechnologie Berlin. Verantwortlich dafür ist offenbar das enorme Forschungspotenzial dieser Stadt - völlig unabhängig von Landesregierungen in Berlin und Brandenburg, die standortpolitisch jämmerlich versagen, wie nicht nur das Schicksal des Großflughafens BER zeigt.

Die Tesla-Entscheidung zeigt im Übrigen, wo der künftige natürliche Wachstumsmotor des Ostens sitzt: im Großraum Berlin. Daraus sollte die Politik Konsequenzen ziehen: Es braucht endlich einen Masterplan des „Aufbruch Ost“, der den Osten als Ganzes ins Visier nimmt, den mitteldeutschen Großstädten und universitären Zentren Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden radial orientiert auf den Wachstumspol Berlin. Die Zeit ist längst vorbei, wo jede Landesregierung für sich verlängerte Werkbänke ins jeweilige Bundesland lockte. Heute braucht es eine innovationsorientierte Gesamtstrategie.

Interessant ist dabei schließlich, dass die welt- und europapolitischen Turbulenzen sogar helfen könnten, im Ausland auf die Chancen von Ostdeutschland aufmerksam zu machen. Dem Vernehmen nach hätte Tesla durchaus gerne in Großbritannien investiert - ein Nation, die der Kultur des Unternehmens sicherlich näher steht als Deutschland. Aber der Brexit schafft so viel regulatorische Unsicherheit, dass Tesla lieber einen Standort in der EU sucht - und siehe da: die Wahl fällt auf Deutschlands Osten. Vieles spricht dafür, dass dies kein Einzelfall bleibt, wenn hierzulande - statt zu jammern - eine politische Gesamtstrategie entwickelt wird. Arbeitstitel: „Aufbruch Ost“.