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Stiftung
„Der Geist von Kavala“

Erstes virtuelles Dialogprogramm für türkische und griechische Führungskräfte
The Spirit of Kavala

Vor Corona war alles ganz anders. Das gilt auch für alles, was im weiteren Sinne mit politischer Bildung zu tun hat. Das direkte Gespräch zwischen Menschen, das weit mehr beinhaltet als den Austausch von Wörtern und Sätzen, bleibt das A und O der Kommunikation. Das zwischenmenschliche Element spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, Vertrauen zu schaffen.

Vertrauensbildende Maßnahmen sind ein Gegenstand der zwischenstaatlichen Politik; sie kommen häufig dann ins Spiel, wenn Krisen und Konflikte das Verhältnis vergiften. Vertrauensbildende Programme sind auch das Geschäft von zivilgesellschaftlichen Organisationen.

In mehr als einer Weltregion versucht die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit (FNF) mit so genannten people-to-people Programmen Feindbilder zu überwinden, Vertrauen zu generieren und somit einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Dabei schwingt immer auch die Hoffnung mit, dass positive Dialoge auf einer unteren gesellschaftlichen Ebene ausstrahlen mögen auf die große Politik der Regierungen.

Eine Tradition haben zivilgesellschaftliche Dialogformate im Südosten Europas, wie beispielsweise zwischen Serben und Kroaten oder Griechenland und Nordmazedonien. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland ist konfliktbeladen und das nicht erst seit gestern. Eine ganze Kette von bilateralen Streitpunkten hat die NATO-Partner mehr als einmal an den Rand des Krieges geführt.

Mit Partnern auf beiden Seiten der Ägäis versucht die Stiftung einen Gegenpol zu schaffen. Auf Betreiben des Stiftungsbüros in Istanbul und der privaten Kadir Has-Universität sind über die Jahre zahlreiche Wissenschaftler, Journalisten und junge Führungskräfte zu Dialogmaßnahmen zusammengekommen. Die Begegnungen fanden abwechselnd in Griechenland und in der Türkei statt und behandelten eine lange Themenliste: Bisweilen ging es um die harten Konflikte, die Athen und Ankara entzweien, die Zypern-Frage etwa oder den Streit über die Hoheitsrechte im Ägäischen Meer. Zuletzt standen weniger kontroverse Fragen im Vordergrund, so etwa Diskussionen über gemeinsame Ansätze in der Klimapolitik, die Flüchtlingsfrage oder die Rolle der Medien im zwischenstaatlichen Verhältnis.

Die Corona-Pandemie hat dem griechisch-türkischen Dialog-Projekt zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gesperrte Grenzen und Versammlungsverbote bedeuteten das jähe Aus für den zwischenstaatlichen Austausch.

Das Vorhaben ist zu wichtig, als dass wir es dem Virus opfern, sagten sich FNF-Projektleiter Ronald Meinardus und Professor Dimitri Triantaphyllou von der Kadir Has Universität und luden zum ersten virtuellen Dialogprogramm für türkische und griechische Führungskräfte ein. Versammlungsort des einzigartigen Treffs war die inzwischen allbekannte digitale Plattform Zoom.

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Hauch von Nostalgie

Je 15 Teilnehmer aus Griechenland und der Türkei gaben sich ein Stelldichein und informierten und diskutieren mit Engagement.

„Der Geist von Kavala“ – so lautete der Titel des virtuellen Rendez-vous. In der nordgriechischen Hafenstadt Kavala waren die jungen Leute Anfang Dezember zuletzt zusammengekommen. Bei ihrem fünftägigen Workshop hatten die Teilnehmer nicht nur ehrgeizige Projektideen entwickelt, sondern auch reihenweise Freundschaften geschlossen.

Ein Hauch von Nostalgie lag über der Zoom-Konferenz; Emotionen wurden wach, als Projektleiter Meinardus zum Auftakt urgriechische Sirtaki-Musik und Panorama-Bilder vom Hafen von Kavala einspielte.

Nach der obligatorischen Begrüßungsrunde, bei der alle zu Wort kamen, ging es gleich zur Tagesordnung über. In Länderberichten referierten Teilnehmer über die Auswirkungen der Corona-Krise in ihren Ländern, diskutierten über das jeweilige Medienbild und verständigten sich sodann – Corona zum Trotz – wie sie den Dialogfaden weiterspinnen wollen.

Im internationalen Vergleich sind Griechenland und die Türkei glimpflich davongekommen, bemerkenswert ist auch, dass – so die Hinweise von beiden Seiten – die Medien relativ neutral über das jeweilige Nachbarland berichten. Im griechisch-türkischen Kontext ist das eher die Ausnahme. Hier spielen Stereotype und Feindbilder, häufig auch Falschmeldungen eine unheilvolle Rolle. Desinformation und fake news sowie Strategien, diese zu bekämpfen, soll dann auch ein Schwerpunkt der türkisch-griechischen Projektarbeit in der Zukunft sein.

Bis sich Griechen und Türken wieder persönlich begegnen können und einträchtig zu Sirtaki-Klängen das Tanzbein schwingen, wird vermutlich einige Zeit ins Land gehen. Bis dahin sollen die Programme virtuell fortgesetzt werden.

Ein Schlüssel des Erfolges ist: Beide Seiten beteuern, sie können von- und miteinander lernen. Eine klassische Win-Win-Situation also.