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Steuersenkung
Wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg

Steuersenkungen sind nötig. Aber die Große Koalition ist dabei, die historische Chance zu verpassen
Die Deutschen wollen endlich mehr Geld im Portemonnaie

Die Deutschen wollen endlich mehr Geld im Portemonnaie

© dragana991 / iStock / Getty Images Plus

Die neuesten Nachrichten über die bevorstehende Steuerschätzung lassen aufhorchen: Nach acht Jahren stürmisch wachsender Steueraufkommens neigt sich die Zeit des Geldregens in den öffentlichen Kassen dem Ende zu. Unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué denkt über die Folgen nach.

Es war eine recht unauffällige Meldung, die dieser Tage durch die Medien geisterte: Das Wirtschaftswachstum in Deutschland und der Welt lässt nach, das Steueraufkommen beginnt zu stagnieren, die Zeit der regelmäßigen über- und außerplanmäßigen Einnahmen des Staates ist vorbei. Wohlgemerkt: Vom Wegbrechen erwarteter Steuereinnahmen kann noch lange nicht die Rede sein, eher von Rückkehr zu einer planmäßigen Zunahme, wie sie in ruhigen Zeiten durch die Progression des Steuersystems üblich ist. Also: Nach acht Jahren des warmen Steuerregens eigentlich ein völlig normaler Vorgang.

Gleichwohl ließ die Reaktion der Großen Koalition nicht auf sich warten. Sogleich wurde ein endgültiges Stoppsignal gegenüber jedweder kräftigen Steuersenkung gesetzt, allen voran von Finanzminister Scholz (SPD). Fast hatte man den Eindruck, dass eine Art Erleichterung einkehrt - nach dem Motto: Endlich müssen die Forderungen nach Steuersenkung verstummen, denn ihnen fehlt nun die objektive Grundlage.

Genau dies zeigt die ideologische Grundhaltung der Großen Koalition: Die hohe Belastung der Mittelschicht unserer Gesellschaft, die viele Steuern sowie hohe Sozialbeiträge zahlt, ist völlig aus dem Gesichtskreis der politischen Ziele der Bundesregierung gerückt. Dabei haben seit Mitte des letzten Jahrzehnts die Steuereinnahmen um über 200 Milliarden zugenommen, das sind rund 50 Prozent ihres damaligen Niveaus, während die Löhne und Gehälter noch nicht halb so stark gewachsen sind. Die Balance zwischen Staat und Bürgern ist und bleibt zu Lasten der Bürger nachhaltig gestört, völlig gleichgültig, ob nun nach langer Zeit ein überaus glücklicher Einnahmentrend zu Ende kommt. Der Schaden ist angerichtet und bedarf der Korrektur.

Ähnliches gilt für die Unternehmenssteuern. Wichtige Nationen der Welt wie die USA und Frankreich haben mit Senkungen der Gewinnsteuern den Standortwettbewerb verschärft. Deutschland hat dagegen nichts dergleichen unternommen, obwohl die finanziellen Spielräume seit Jahren vorhanden sind. Offenbar fehlt der politische Wille dazu.

Dies wird langfristige Schäden nach sich ziehen: Deutschland feiert fiskalisch ausgeglichene Haushalte, aber lebt allseitig von der Substanz. Weder der Staat, noch die Unternehmen und die Bürger selbst investieren genug in die Zukunft: für mehr Innovationskraft und eine nachhaltige Altersvorsorge. Dies wird die Nation teuer zu stehen kommen - nicht morgen oder übermorgen, aber in den kommenden Jahrzehnten. Deutschland altert in jeder Hinsicht, und der Staat sieht tatenlos zu.