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Start-Up Gründerinnen
Wann, wenn nicht jetzt?

Start-Upperinnen brauchen neben Mut und neuer Denke vor allem mehr weibliche Geldgeber

Digital- und Diversity-Expertin Tijen Onaran will aus noch mehr Frauen Gründerinnen machen. Damit das gelingt, braucht es neben Mut, neuer Denke und fortschrittlichen Schulplänen aber auch mehr weibliche Geldgeber.

Ich finde, dass es keine bessere Zeit zum Gründen gibt als heute. Warum? Weil es heute ganz neue Möglichkeiten gibt – im Grunde genommen kann man direkt von der Couch aus gründen. Eine Website, um die eigenen Produkte zu vertreiben, und ein gutes Netzwerk genügen, um durchzustarten.

Ich selbst wäre aber im Laufe meiner gesamten Schul- und Universitätslaufbahn niemals im Traum darauf gekommen, dass ich mich einmal selbstständig machen könnte oder gar ein Unternehmen gründen würde. Weder komme ich aus einem Elternhaus, in dem das Unternehmertum verankert ist, noch kommt dieses Thema in den Lehrplänen des Schulsystems vor. Ich bin also kein Einzelfall, sondern vielmehr die Norm. Genau das zeigt auch die Statistik. Die Menschen in Deutschland gründen im Vergleich zu Menschen in anderen Industriestaaten sehr viel seltener. Besonders Frauen sind in den Gründerstatistiken deutlich in der Minderheit – dabei sind sie gleichzeitig langfristig die erfolgreicheren Gründer.

Die Antwort lautet Mut

Daran muss sich dringend etwas ändern, und ein Ansatzpunkt dafür ist unser Bildungssystem. Es muss nicht gleich ein eigenesFach sein – es würde für den Anfang schon genügen, wenn im Rahmen des regulären Unterrichts das Thema Entrepreneurship überhaupt vorkommt. Oft höre ich das immer gleiche Gegenargument, nämlich dass Gründen mit dem hohen Risiko des Scheiterns verbunden sei. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich dieses Argument zunehmend weniger. Spätestens im Zeitalter der Digitalisierung ist nichts in der Arbeitswelt mehr ohne Risiko. Alle Berufe in allen Branchen werden sich im Lauf der nächsten Jahre gravierend verändern.  

Ein Plädoyer für mehr Diversität

Und auch innerhalb von Unternehmen wird es in Zukunft verstärkt darauf ankommen, unternehmerisch zu denken. Statt Entrepreneurship lautet hier die Devise: Intrapreneurship. Wissen allein genügt für die Jobwelt der Zukunft nicht mehr. Mut und Empowerment müssen dazukommen. Damit meine ich zum einen, dass wir gerade erfolgreiche Gründerinnen mit ihren Erfolgen stärker sichtbar machen müssen. Sie können so ein Vorbild werden für andere Frauen. Das gelingt umso leichter, wenn wir insgesamt zu einer offeneren Gesamthaltung gegenüber dem Unternehmertum kommen und zu einer Kultur des Empowerments. Wer jemals ein Unternehmen gegründet hat, weiß, dass es schwierige Phasen und Durststrecken geben wird. Gerade das sind die Momente, in denen es wichtig ist, Unterstützung zu bekommen. Neben einer fehlenden Gründerkultur kommt ein weiterer Faktor erschwerend hinzu: In Deutschland gibt es kaum weibliche Investoren. Dass es heute immer noch so wenige Gründerinnen gibt, liegt mit Sicherheit auch daran, dass die Investorenzirkel stark männlich dominiert sind. Ein Weg, um mehr Vielfalt auf der Seite der Gründerinnen zu bekommen, lautet daher schlicht: mehr weibliche Investorinnen. Frauen fördern nachweislich mehr Frauen, und daher ist es nur logisch, dass mehr Diversität in Teams von Venture-Capital-Unternehmen zu mehr weiblichen Gründerinnen führt. Da diese zudem erfolgreicher gründen, würde dies zu einer positiven Entwicklung führen.

Tijen Onaran ist Digital- und Diversity- Expertin, Unternehmerin und Autorin. Mit Global Digital Women engagiert sie sich für die Vernetzung und Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalbranche und berät zudem Unternehmen in Diversitätsfragen. Ende 2018 hat sie FemaleOneZero mitgegründet – eine internationale Content-Plattform. Vor Kurzem erschien ihr erstes Buch „Die Netzwerkbibel“ im Verlag Springer.